Weilheim und Umgebung

Wenn Zwölfjährige Auto fahren

Am Montag dürfen nur rund 55 000 Menschen in Deutschland Geburtstag feiern – Vier erzählen von ihren Erfahrungen

Am Montag ist es wieder so weit: Schaltjahr-Geborene haben einen Grund zum Feiern. Wie tun sie das? Was halten sie von dem Termin? Der Teckbote hat nachgefragt bei den besonderen Geburtstagskindern des letzten Februartages.

Wenn Zwölfjährige Auto fahren

Sandra Jahn aus Schlaitdorf bei Nürtingen wird am 29. Februar 20 Jahre alt – "oder eben fünf, wie man es nimmt", scherzt sie.

Kreis Esslingen. Kein Tag ist so selten wie der 29. Februar. Nur alle vier Jahre findet man ihn im Kalender. Nur alle vier Jahre offiziell feiern: Ist das Segen oder Fluch? Die Schaltjahr-Geborenen in der Region sind sich einig: Für sie bringt der ganz besondere Geburtstermin nur Vorteile.

Sandra Jahn hat am 29. Februar Geburtstag. Die junge Frau aus Schlaitdorf bei Nürtingen erzählt, dass sie zwar "ständig auf die Schippe genommen werde", sich so aber jeder ihren großen Tag merken könnte. Sandra wird am Montag 20 – "oder eben fünf, wie man es nimmt", scherzt sie. Den runden Geburtstag will sie gebührend feiern, mit guten Freunden in der Garage ihrer Eltern. Die waren damals nicht sofort Feuer und Flamme für den errechneten Geburtstermin. "Meine Mutter hatte Bedenken wegen der Bürokratie", erzählt Sandra, die in Ludwigsburg Grundschullehramt studiert, "sie hatte die Befürchtung, man könnte mich vielleicht vergessen." Ihr Vater hingegen freute sich gleich: Für ihn stand der Wiedererkennungswert im Vordergrund – bei Bewerbungen fällt der Geburtstermin beispielsweise direkt ins Auge.

Wann Sandra in den anderen Jahren feiert? Am 1. März. Da sind sich alle Befragten einig: "Vorfeiern" geht gar nicht. "Höchstens, wenn der 28. ein Sonntag ist", gibt Ulrich Hepperle zu, "dann bietet es sich natürlich an, reinzufeiern." Hepperle leitet die gleichnamige Schreinerei in Neidlingen und ist stellvertretender Bürgermeister der Gemeinde. Als er hört, dass der Teckbote Schaltjahr-Geborene sucht, ist er alarmiert: In seinem Vier-Mann-Betrieb finden sich gleich zwei seltene Geburtstagskinder. Neben Ulrich Hepperle selbst freut sich auch sein Lehrling Hannes Tränkner darauf, am Montag mal wieder am richtigen Datum feiern zu dürfen. Auch Tränkner feiert seinen 20., sein Chef den 52. Geburtstag. "Ich werde 13 und er wird fünf. Das ist immer wieder verblüffend", sagt der. Der Geburtstermin taugt als Eisbrecher, finden beide. Und er vermag es, manch einem ein Lächeln ins Gesicht zu zaubern – davon kann Ricardo Schlössler aus Reichenbach an der Fils ein Lied singen. Der Leiter einer Werbeagentur erinnert sich gerne an Verkehrskontrollen, bei denen der Beamte ihm in gespieltem Ernst entgegnete: "Sie dürfen ja noch gar nicht Auto fahren, sie sind ja erst zwölf!" Und auch die Mitarbeiter am Check-in-Schalter des Flughafens freuen sich immer wieder, wenn Schlössler ihnen seinen Reisepass mit dem ganz besonderen Geburtsdatum zur Kontrolle entgegenstreckt.

Wieso es Schaltjahre gibt? "Irgendwas mit Jahreszeiten", antwortet Schlössler auf unsere Frage. Sandra Jahn und Ulrich Hepperle können mit der dazugehörenden Erklärung punkten – siehe Infokasten. „Sonst wäre irgendwann an Weihnachten Sommer!“, so Hepperle. Erst neulich habe er seine Mutter auf den Geburtstermin angesprochen und sie gefragt, was sie von dem Datum halte. Damit brachte er einen Stein ins Rollen: Als Hepperles Mutter damals, 1964, im Klinikum Kirchheim auf die Geburt ihres Sohnes wartete, waren vier weitere Mütter in spe auf der Station. Das besondere Datum war freilich das Gesprächsthema Nummer eins unter den Frauen. "Früher hat man schon mal geschummelt, wenn ein Kind am 29. Februar zur Welt kam", erzählt Ulrich Hepperle weiter, "ich habe mir sagen lassen, dass bei Kindern, die frühmorgens geboren wurden, gerne der 28. Februar als Geburtstermin vermerkt wurde." Seine Mutter hat daran keinen Gedanken verschwendet. "So wichtig ist das auch wieder nicht", dachte sie sich.

Ähnlich pragmatisch ist auch die Geburtstagsplanung in der Schreinerei Hepperle: "Ein Feierabendbier könnten wir gemeinsam trinken, ja. Aber das tun wir auch sonst hin und wieder." Sandra Jahn kann den Montag kaum abwarten. Kleine Geschenke, die auf das Zahlen-Wirrwarr anspielen, hat sie besonders gern. Und die Zahlenkerze vom Fototermin bekommt einen Ehrenplatz auf dem Geburtstagskuchen.

Wenn Zwölfjährige Auto fahren

Ulrich Hepperl, Schreiner in Neidlingen, mit seinem Lehrling Hannes Tränkner. Tränkner feiert seinen 20., sein Chef den 52. Geburtstag. "Ich werde 13 und er wird fünf. Das ist immer wieder verblüffend", sagt Hepperl.

Wissenswertes rund ums SchaltjahrInformationen

Warum gibt es Schaltjahre?

Die Erde dreht jedes Jahr eine ganze Runde um die Sonne. Dabei ist sie ein bisschen langsamer als der Kalender. Das Jahr ist gut sechs Stunden länger als der reguläre Kalender mit seinen 365 Tagen; in vier Jahren hat sich also etwa ein Tag Überschuss angehäuft. Um diese Ungenauigkeit auszugleichen, hat man das Schaltjahr eingeführt.

 

In welchem Rhythmus gibt es Schaltjahre – alle vier Jahre?

Das ist die vereinfachte Regel. Korrekt heißt es: Alle glatt durch vier oder vierhundert teilbaren Jahre sind Schaltjahre. Allerdings fällt es in Jahren, deren Zahl man glatt durch 100 teilen kann, aus. Das nächste Mal ist dies im Jahr 2100 der Fall.

 

Wie viele Deutsche haben am 29. Februar Geburtstag?

Hochgerechnet haben rund 55 000 Deutsche am Montag Geburtstag.

 

Wie ist die Gesetzeslage?

Auch in Nicht-Schaltjahren werden Menschen, die am 29. Februar geboren sind, rechtlich gesehen um ein Jahr älter. Wenn Altersgrenzen im Spiel sind, wie beim Kauf von Alkohol, der Strafmündigkeit oder dem Erhalt des Führerscheins, zählt in Nicht-Schaltjahren der 1. März als Geburtstag.

 

Gibt es Prominente, die am 29. Februar geboren wurden?

Allerdings: Der frühere Papst Johannes Paul II. wurde am 29. Februar geboren – genauso wie der italienische Komponist Gioachino Rossini, Rapper Ja Rule, Model Lena Gercke und Fußballspieler Benedikt Höwedes. Wer an diesem Montag seinen Geburtstag feiert, darf sich also guter Gesellschaft erfreuen.

 

Seit wann gibt es Schaltjahre?

Im dritten Jahrtausend vor Christus führten die Babylonier Schaltmonate ein. Die Ägypter entwickelten das System im Jahr 238 vor Christus weiter: Sie schoben alle vier Jahre einen Schalttag ein. Seit dem Jahr 45 vor Christus besteht der Sonnenkalender, in dem jedes vierte Jahr ein Schaltjahr ist. Darauf folgte der Gregorianische Kalender, den wir heute gebrauchen.

 

Wird es immer Schaltjahre geben?

Da die Erde sich tendenziell immer langsamer um die Sonne dreht, behaupten Experten, dass Schaltjahre irgendwann in ferner Zukunft ausfallen sollen. Wenn dann ein Tag um rund eine Minute länger wäre als heute, würde das Schaltjahr überflüssig. Die Geburtstagspartys der Befragten sind nicht Gefahr. Denn dazu wird es erst in mehr als drei Millionen Jahren kommen. amb