Zwischen Neckar und Alb

Bäumchen sorgen für neue Hoffnung

Jubiläumsjahr Die Diakonie im Kreis Esslingen erinnert an 500 Jahre Reformation, indem sie 100 Apfelbäumchen als Zeichen der Hoffnung verschenkt. Von Andreas Volz

Michael Waldmann, Ingrid Riedl und Eberhard Haußmann (von links) präsentieren einen von 100 Hoffnungsbäumen.Foto: Jean-Luc Jacqu
Michael Waldmann, Ingrid Riedl und Eberhard Haußmann (von links) präsentieren einen von 100 Hoffnungsbäumen.Foto: Jean-Luc Jacques

Der Kreisdiakonieverband Esslingen macht Hoffnung - auf bessere Zeiten. Als Symbol dafür werden 100 Apfelbäumchen verschenkt, 25 in jeder der vier Diakonischen Bezirksstellen im Kreis. Nicht zufällig sind es sehr kleine Apfelbäumchen, im großen Jubiläumsjahr. „500 Jahre Reformation“ erinnern an die 500. Wiederkehr des Reformationstags, an dem sich der Thesenanschlag von Wittenberg ereignet haben soll. Luther stand nicht nur damals im Mittelpunkt, er scheint auch 2017 im Mittelpunkt des gesamten Jahres zu stehen - und sei es jetzt mit seinem Spruch vom Apfelbäumchen.

Mit „seinem“ Spruch? „Wenn morgen die Welt unterginge, würde ich heute noch ein Apfelbäumchen pflanzen.“ So oder so ähnlich lautet die Aussage, bei der jeder sofort an Martin Luther denkt. Nur mit der historischen Überlieferung lässt sich das nicht so leicht in Einklang bringen. Gut möglich, dass ihm diese Aussage erst Jahrhunderte später untergeschoben wurde.

Für die Diakonie spielt das aber keine Rolle. Sie bezeichnet die 100 Bäumchen - je zur Hälfte eine Zierapfelsorte sowie Elstar-Bäume, die schmackhafte Früchte liefern - schlicht als „Hoffnungsbäume“. Wer ein Apfelbäumchen pflanzt, hat Hoffnung auf eine Zukunft, in der seine heutigen Taten Früchte tragen. Genau diese Hoffnung will der Kreisdiakonieverband nun nach Aussage seines Geschäftsführers Eberhard Haußmann „an Menschen weitertragen, die nicht auf der Sonnenseite des Lebens stehen - die von Arbeitslosigkeit und Armut betroffen sind“.

Ingrid Riedl, die Leiterin der Diakonischen Bezirksstelle Kirchheim, erzählt aus der Praxis der Aktion: „Ich habe schon vier Bäumchen verschenkt. Die Reaktionen reichen von großer Freude bis hin zu Gerührtheit, dass auch Tränen fließen.“ Die Bäumchen sähen aktuell noch dürr aus. Doch wenn sie grünen und blühen und irgendwann sogar Früchte tragen, seien sie ein starkes Zeichen der Hoffnung. „Das können wir direkt in unsere Arbeit einbauen. Wir können fragen: ,Fängt bei Ihnen in Ihrer Situation auch schon wieder etwas an zu grünen‘?“

Für den Vorstandsvorsitzenden des Kreisdiakonieverbands, den Nürtinger Dekan Michael Waldmann, geht es um die Hoffnung, „dass sich etwas verändern kann im Leben - auch wenn es im persönlichen Umfeld gerade so aussieht, als ob alles zusammenbricht.“ Gut möglich also, dass es weit mehr als 100 Menschen im Landkreis gibt, die so ein Hoffnungsbäumchen brauchen könnten.

Allerdings wählt die Diakonie die Menschen, die sie beschenken möchte, sorgfältig aus. Balkon oder Garten sind Grundbedingung. Wenn der Baum richtig eingepflanzt werden muss, stellen notfalls auch Mitarbeiter der Diakonie eigene Wiesen zur Verfügung. Vielleicht schaffen es ein paar der 100 Bäumchen sogar, auch im Reformationsjubiläum 2117 noch zu grünen und zu blühen.

Luther und die Prophezeiungen vom Weltenende

Der Weltuntergang: Daten, Theorien und Szenarien über das bevorstehende Ende hatten zu allen Zeiten und in allen Kulturen Konjunktur. Immer wieder wird er heraufbeschworen, der große Zusammenbruch. Bis jetzt hat die Welt aber noch jedem drohenden Untergang getrotzt - zuletzt dem medienwirksam dargestellten Ende, das aufgrund des Maya-Kalenders vor über vier Jahren - am 21. Dezember 2012 - hätte anstehen sollen.

Zu Luthers Zeiten waren ebenfalls exakte Daten im Umlauf, für die das Jüngste Gericht angekündigt war. Einigen Aussagen zufolge soll sich der Reformator selbst an dergleichen Spekulationen beteiligt haben. Sinnvoll wäre sein Apfelbäumchen-Spruch aber vor allem dann, wenn er seine Zeitgenossen damit hätte aufrütteln wollen: dass sie angesichts des Weltuntergangs und des Jenseits nicht auf die rechtzeitige Aussaat im Diesseits verzichten.

Michael Stifel, ein gebürtiger Esslinger, verkündete direkt in Luthers Umfeld den Weltuntergang. 1532 erschien in Wittenberg ein Buch, in dem Stifel das Ende der Welt auf den 19. Oktober 1533 vorausberechnet hatte. Zahlreiche Bauern vernachlässigten deshalb ihre Arbeit - weil es sich ja nicht gelohnt hätte, zu säen, was nicht mehr zu ernten gewesen wäre. Auf diese Ereignisse bezieht sich die Redewendung „einen Stiefel reden/rechnen“. vol