Zwischen Neckar und Alb

Biomüll mit Gschmäckle

Müll Der Landkreis streicht wegen Corona die wöchentliche Leerung der braunen Tonnen in diesem Sommer. Der Kirchheimer Landtagsabgeordnete Karl Zimmermann hält die Gründe für vorgeschoben. Von Bernd Köble

Bioabfälle und Sommerhitze vertragen sich nicht. Archivfoto: Daniela Haußmann
Bioabfälle und Sommerhitze vertragen sich nicht. Archivfoto: Daniela Haußmann

Die braune Tonne parkt im Kreis Esslingen in diesem ungewöhnlichen Jahr auch im Sommer für zwei lange Wochen auf den Grundstücken - bestenfalls im Schatten. Weil das Vertragsunternehmen des Landkreises in der Coronakrise über Personalmangel klagt, wird der Biomüll - wie berichtet - auch von Juni bis Ende September nur 14-tägig statt wöchentlich abgeholt, wie das in den Jahren zuvor der Fall war. Offenbar fehlt es vor allem an qualifizierten Lkw-Fahrern. Der zuständige Technik- ausschuss des Kreistags hat den Verzicht auf die Zusatzleerung am vergangenen Donnerstag bereits abgesegnet.

Klappe zu - Thema erledigt. Noch nicht ganz: Was vielen Kleingärtnern und Privathaushalten buchstäblich stinken dürfte, bringt einen dieser Tage besonders in Fahrt: Der Kirchheimer CDU-Landtagsabgeordnete Karl Zimmermann wirft dem Abfallwirtschaftsbetrieb (AWB) des Landkreises vor, die Lösung für das unappetitliche Problem verschlafen zu haben. Der Kreis habe nicht rechtzeitig interveniert, Corona sei als Ursache vom Dienstleister nur vorgeschoben, das Problem hausgemacht. „Aushilfskräfte und Fahrer werden am Markt zurzeit angeboten wie Sauerbier“, behauptet der streitbare Landespolitiker und frühere Kreisrat. Was Zimmermann moniert: Das Esslinger Entsorgungsunternehmen Scherrieble, das im Auftrag des Landkreises Haus- und Biomüll einsammelt, hatte vergangenes Jahr auch ohne Corona schon einmal mit Engpässen zu kämpfen. In manchen Gemeinden blieben die braunen Tonnen im Sommer bis zu zwei Tage ungeleert am Straßenrand stehen.

Jetzt sorgt die aktuelle Krise wieder für Probleme. Seit die Grenzen vor allem nach Osteuropa wegen des Virus dicht sind, fehle es vor allem an Lkw-Fahrern, wie Unternehmenschef Rainer Scherrieble betont. Hinzu kommt, dass auf den Fahrzeugen derzeit nur feste Teams im Einsatz sind, die nicht einfach einspringen können, wenn es anderswo klemmt. Damit will man vermeiden, dass im Falle einer Infektion die gesamte Mannschaft in Quarantäne muss. „Ich muss die Grundversorgung sicherstellen“, erklärt Rainer Scherrieble die Situation. Grundversorgung heißt: 14-tägig Biomüll plus Hausmüll, der je nach Kundenwunsch alle zwei oder vier Wochen abgefahren wird.

Ähnlich klingt auch die Argumentation im Landratsamt. Wenn man am erhöhten Sommertakt beim Biomüll festhalte, betonte Landrat Heinz Eininger am Donnerstag gegenüber den Kreisräten im Ausschuss, gefährde man andere Entsorgungsbereiche. Karl Zimmermann, der bis Frühsommer vergangenen Jahres noch selbst als Mitglied im Plenum saß, ist der Meinung, dass dies leicht zu verhindern gewesen wäre. Er verweist auf ein Schreiben der Wendlinger Firma Heilemann, die für die Entsorgung von Sperrmüll zuständig ist und die schon im September 2019 ihre Unterstützung angeboten hatte, nachdem die ersten Probleme bei der Biomüllabfuhr aufgetreten waren. Auch ein entsprechendes Angebot reichte Heilemann im Herbst ein.

Landratsamtsprecher Peter Keck bestätigt, dass man im März, als zu Beginn der Krise die Probleme bei Scherrieble bekannt geworden seien, mit den Firmen Remondis (Gelber Sack) und Alba (Altpapier) über eine mögliche Unterstützung gesprochen habe, allerdings ohne Ergebnis. „In der Coronazeit stand die Sicherstellung deren Abfuhr im Vordergrund“, sagt er. Mit Heilemann wurde nicht geredet. Warum, will Keck nicht sagen.

Im Landratsamt hält man die Streichung der zusätzlichen Leerungen während der vier Monate für unumgänglich, „auch wenn uns die Sache ganz und gar nicht gefällt“, wie Landrat Heinz Eininger betont. Manfred Kopp, Chef im Abfallwirtschaftsbetrieb, sieht die wöchentliche Abfuhr des Biomülls als zusätzliche „Komfortleistung“ während der heißen Jahreszeit. „Viele Kreise bieten das gar nicht an“, sagt er. Ein Blick über die Kreisgrenze hinweg zeigt: In den Landkreisen Reutlingen, Tübingen, Ludwigsburg und Rems-Murr wird Biomüll über den Sommer wöchentlich abgefahren - als Regelleistung und auf Nachfrage auch ohne jegliche Probleme. Im Kreis Göppingen gibt es statt einer Biotonne zwar nur einen deutlich kleineren Biomüllsack, doch auch der wird wöchentlich entsorgt und zwar ganzjährig. Auch die Landeshauptstadt Stuttgart fährt die Biotonnen wöchentlich ab, auch hier rund ums Jahr. Über coronabedingte Personalengpässe bei den Abfuhrunternehmen ist laut Pressestellen in keinem der sechs Nachbarkreise etwas bekannt.