Zwischen Neckar und Alb

Bürgerentscheid scheitert knapp

Politik Die Wahlbeteiligung lag bei nur 30,72 Prozent. Was mit den Bauten zur Anschlussunterbringung von Flüchtlingen an den Nürtinger Friedhöfen passiert, entscheidet jetzt der Gemeinderat. Von Barbara Gosson

In manchen Wahlbezirken stimmten nur knapp zehn Prozent ab.Foto: Barbara Gosson
In manchen Wahlbezirken stimmten nur knapp zehn Prozent ab.Foto: Barbara Gosson

Der erste Nürtinger Bürgerentscheid seit 31 Jahren ist knapp am Quorum gescheitert. Zwar bekam das Anliegen der Bürgerinitiative Friedhöfe Nürtingen 18,03 Prozent der Stimmen aller Nürtinger Wahlberechtigten, doch es wären mindestens 20 Prozent nötig gewesen. Mit Nein stimmten 11,56 Prozent der Wahlberechtigten. In manchen Wahlbezirken stimmten nur knapp zehn Prozent der Wahlberechtigten ab. Damit wird die Frage, ob und für wie viele Menschen am Waldfriedhof und am Reuderner Friedhof gebaut werden soll, wieder an den Gemeinderat zurückverwiesen. Er muss sich nun zusammensetzen und beraten, wie es weitergehen soll.

Insgesamt nahmen an dem Bürgerentscheid 30,72 Prozent oder 9 633 der Nürtinger Wahlberechtigten teil. Von ihnen stimmten 5 657 mit Ja und 3 628 mit Nein. 348 Stimmen waren ungültig. Auf fruchtbaren Boden traf die Kampagne der Bürgerinitiative Friedhöfe Nürtingen hauptsächlich rund um die Friedhöfe. Im Wahllokal Marbachweg in Reudern gab es 32,1 Prozent Ja-Stimmen, in der Achalmstraße in der Braike 26,1 Prozent, in der Braikeschule sogar 32,9 Prozent. Dort war die Wahlbeteiligung mit 46 Prozent am höchsten. In den Wahllokalen in der Stadtmitte oder in den anderen Teilorten gingen viel weniger Menschen zur Wahl, in manchen Bezirken gerade einmal zehn Prozent.

Beteiligung schwankte stark

Im großen Sitzungssaal fanden sich Vertreter der Verwaltung, Mitglieder der Bürgerinitiative und Gemeinderäte ein, um zu verfolgen, wie die Ergebnisse aus den einzelnen Wahlbezirken eintrafen. Viele Menschen warteten nicht im Sitzungssaal auf die Ergebnisse, sondern verfolgten den Liveticker im Internet. Der wurde so stark nachgefragt, dass die Seite zeitweise nicht mehr zu erreichen war. Es dauerte beinahe bis 19 Uhr, bis alle Stimmen ausgezählt waren und damit feststand, dass zwar die Ja-Stimmen in der Mehrheit waren, jedoch nicht genug, um den Gemeinderatsbeschluss zum Bau von Häusern zur Anschlussunterbringung zu Fall zu bringen.

Die Initiatoren der Bürgerinitiative, Wolfgang Menrad und Heidi Buchfink, akzeptieren das Ergebnis der demokratischen Abstimmung. Sie werten die 5 657 Stimmen für ihr Anliegen trotzdem als großen Erfolg: „Es wäre angesichts so vieler Stimmen ein Affront gegen die Bürger, wenn der Gemeinderat die geplante Bebauung jetzt nicht reduzieren würde“, so Menrad. Für ihn sind 82 Menschen am Waldfriedhof einfach zu viele auf einmal. Im Gespräch mit Gemeinderäten habe er erfahren, dass viele das ähnlich sehen, und er hofft nun darauf, dass der Gemeinderat einlenkt. „Wir möchten einen Kompromiss“, sagt Heidi Buchfink, die auf leer stehende Häuser in Reudern verweist.

Oberbürgermeister Otmar Heirich vermutete, dass das Thema des Bürgerentscheides die meisten nicht interessiert habe. Dass es mehr Ja- als Nein-Stimmen gab, liege in der Natur der Sache, da diejenigen, die die Bebauung verhindern wollen, eine stärkere Motivation haben als jene, die dafür sind. Trotzdem sind weniger als 20 Prozent der Nürtinger gegen die Bebauung, damit wird der Beschluss nicht gekippt.

Gemeinderat trifft Entscheidung

Die geringe Wahlbeteiligung ist enttäuschend, denn die Kosten zur Durchführung eines Bürgerentscheids sind immens. Da das Quorum nicht erfüllt wurde, liegt es jetzt in den Händen des Nürtinger Gemeinderats, eine Entscheidung zu treffen.

In Baden-Württemberg wurden 2015 die Hürden für einen Bürgerentscheid gesenkt. Mussten sich zuvor noch 25 Prozent für oder gegen eine Sache aussprechen, sind es jetzt noch 20 Prozent. Nur noch sieben statt bisher zehn Prozent der Wahlberechtigten müssen unterschreiben, um ein Bürgerbegehren herbeizuführen. Seitdem ist die Zahl der Bürgerentscheide stark angestiegen.