Zwischen Neckar und Alb

„Die E-Mobilität ist wie eine Flasche Ketchup“

Zukunft Beim Tag der Automobilwirtschaft in Nürtingen ging es unter anderem um E-Autos. Die Nachfrage ist zwar noch gering, doch das könnte sich bald ändern. Von Henrik Sauer

Eine Tankstelle der anderen Art: Solche Konstrukte könnten bald an jeder Ecke stehen, denn die E-Autos sind im Kommen.Fotos: Mar
Eine Tankstelle der anderen Art: Solche Konstrukte könnten bald an jeder Ecke stehen, denn die E-Autos sind im Kommen.Fotos: Markus Brändli

Willi Diez eröffnet den Tag der Automobilwirtschaft in der Nürtinger Stadthalle mit den Worten: „Wir haben Grund, fröhlich zu sein: Der Branche geht es gut.“ Im Mittelpunkt der Tagung mit zahlreichen hochkarätigen Referenten stand die Frage, wie die Menschheit sich künftig fortbewegen wird und wie sich die Autohersteller dafür aufstellen.

Mit rund 80 Millionen Pkw-Neuzulassungen weltweit werde der Markt dieses Jahr voraussichtlich drei Prozent wachsen, sagte Diez. Auch auf dem deutschen Markt werde mit 3,3 Millionen Neuzulassungen ein sehr gutes Ergebnis erzielt werden. In China sei der Automarkt bis Oktober entgegen aller Warnungen um 18,2 Prozent gewachsen, berichtetet Diez. Von einer Krise könne also dort keine Rede sein.

Auch für 2017 sei er zuversichtlich: „Es ist Wahljahr, und die Rahmenbedingungen sind gut.“ Er erwarte eine Zahl in ähnlicher Größe wie dieses Jahr. Seine einzige Sorge sei, dass versucht werde, das Rad der Globalisierung zurückzudrehen: „Das wäre schwierig für die global aufgestellten Autofirmen.“

Der Leiter des Instituts für Automobilwirtschaft an der Hochschule für Wirtschaft und Umwelt in Geislingen plädierte für „etwas mehr Gelassenheit“ bei dem Thema eines befürchteten Arbeitsplatzverlustes durch die Elektromobilität: „Der Weg dorthin, mit allem, was daranhängt, wird zusätzliche Arbeitsplätze bringen.“

Dies ist auch die Einschätzung von Ola Källenius. Das Daimler-Vorstandsmitglied sagte, in der Übergangsphase vom Verbrennungs- zum Elektromotor werde man vor allem mehr Ingenieure benötigen. „Wir werden in den nächsten fünf bis zehn Jahren beides parallel machen müssen“, so der Manager, der bei Daimler für den Pkw-Vertrieb zuständig ist. Immer wenn es in der Vergangenheit eine industrielle Revolution gegeben habe, seien auch wieder neue Jobs entstanden.

Der Weg in Richtung Null-Emission sei keine „Ob-Frage“, sondern eine „Wann-Frage“. Die Elektromobilität vergleicht er scherzhaft gerne mit einer Ketchup-Flasche: „Du schüttelst und schüttelst, aber du weißt nicht, wann das Ketchup kommt und wie viel.“ Noch sei die Nachfrage nach E-Autos gering, aber der Wandel in den Köpfen finde statt, so Källenius. Bei Daimler wolle man „mit einer großen Produktoffensive und viel Investitionskapital in diese Richtung gehen“.

Beim Vertrieb setzt der Stuttgarter Autobauer komplett auf Digitalisierung. Der Handel bleibe zwar ein wichtiger Baustein, so Källenius, „aber die Schnittstelle zum Kunden wird digitalisiert“. Bei Daimler baue man eine App auf, über die alles rund ums Auto angeboten werden soll, bis hin zur Versicherung. Darüber hinaus liefere diese Informationen über Verkehrsbehinderungen, sei Einparkhilfe und liefere dem Navi die Koordinaten des Restaurants, bei dem man gerade einen Platz reserviert habe. Auch der Autokauf könne komplett im Internet vorbereitet werden.

Die persönliche Ansprache im Autohaus werde man nicht abschaffen, bekräftigte Källenius auf Nachfrage von Diez, nicht zuletzt im Hinblick auf die betagtere Kundschaft. Aus dem klassischen

Verkäufer werde künftig ein Berater, der das Produkt erkläre, so der Daimler-Manager.

Einen großen Wachstumsmarkt sieht man bei Daimler in der gemeinschaftlichen Nutzung von Autos. Welche der verschiedenen Plattformen an Sharing-Angeboten sich durchsetzen werde, sei schwer zu sagen, so Källenius. Man sehe es aber auch als Chance für den eigenen Absatz, weil es Kunden die Möglichkeit eröffne, ein Premium-Fahrzeug zu fahren, das sie sich sonst nicht leisten könnten.

Auch beim Münchner Hersteller BMW sieht man im Carsharing Potenzial. Für Peter van Binsbergen, den Deutschland-Vertriebschef, ist hier vor allem eines wichtig: „Wir müssen schneller werden.“ Die meisten Anbieter bei diesem Thema kämen aktuell aus den USA oder China.

Auch bei dem bayrischen Autobauer will man das Angebot an E-Autos weiter ausbauen. Eine wichtige Voraussetzung für den Erfolg sei aber die Lade-Infrastruktur, so van Binsbergen. Und auch der BMW-Manager ist überzeugt, dass der Online-Verkauf in Deutschland eine zunehmende Rolle spielen wird. Wichtig sei aber, dass der Kunde die Wahl habe zwischen digitaler und realer Welt.

„Die nächsten Jahre werden unheimlich spannend“, sagte Willi Diez. HfWU-Rektor Andreas Frey hatte eingangs den Studiengang Automobilwirtschaft kurz vorgestellt. 800 Bewerbungen seien für die 60 Plätze des neuen Semesters eingegangen.