Coronavirus

Jetzt gibt es Zeit zum Entschleunigen

Coronakrise Landtagsabgeordneter Andreas Schwarz äußert sich zu den drastischen Maßnahmen im Kampf gegen die Ausbreitung des Virus. Von Thomas Krytzner

Andreas Schwarz möchte zum Thema Hungerberg lieber keine klare Stellung beziehen. Archivfoto: Carsten Riedl
Andreas Schwarz möchte zum Thema Hungerberg lieber keine klare Stellung beziehen. Archivfoto: Carsten Riedl

Das Leben in Kirchheim steht still. Die Maßnahmen, um die Corona-Pandemie einzudämmen, bereiten Sorgen. Die Fragen nach der Zukunft bleiben derzeit unbeantwortet. Niemand weiß so recht, was nach Corona kommt. Fest steht: Das Virus verändert die Welt. Der Grünen-Politiker Andreas Schwarz ist davon nicht ausgenommen. Er hofft auf die solidarische Mithilfe jedes einzelnen Bürgers. Im Interview stellt Andreas Schwarz klar, dass geschlossenes und umsichtiges Handeln der Landesregierung der Verunsicherung in der Bevölkerung entgegenwirken soll.

Wie beschreiben Sie die derzeitige Lage im Landkreis Esslingen?

Andreas Schwarz: Für die hohe Zahl an Infizierten im Kreis gibt es meiner Ansicht nach zwei Gründe: Nirgends im Land wird so viel und unkompliziert getes­tet, wie im Landkreis Esslingen mit den beiden Drive-in-Stationen in Nürtingen und auf den Fildern. Wo viel getestet wird, findet man auch viele Infizierte. Viele Menschen wissen ja gar nicht, dass sie das Virus in sich tragen. Der zweite Grund ist die Vollbeschäftigung, will heißen, wir sind ein wohlhabender Landkreis, und deshalb waren auch viele Bürger in den Faschingsferien im Urlaub. Nicht überraschend war, dass die ersten Infizierten alle im Skiurlaub in Südtirol waren. Wegen der steigenden Zahl der Corona-Erkrankten haben sich die fünf Landkreise in der Region Stuttgart zur noch engeren Zusammenarbeit während der Krise verständigt. Konkurrenzdenken gibt es derzeit nicht mehr.

Wie stehen Sie zu den drastischen Einschränkungen im Leben der Bürger?

Schwarz: Wir befinden uns in einer Ausnahmesituation. Weltweit und in Baden-Württemberg verbreitet sich das Coronavirus sehr schnell. Deshalb müssen wir nun alle für eine begrenzte Zeit anders leben als sonst. Es ist richtig und wichtig, dass wir Schulen und Kitas geschlossen haben, dass Veranstaltungen entfallen und damit das soziale Leben weitgehend heruntergefahren wird. Klar ist: Die Verbreitung des Virus können wir nicht mehr stoppen. Es kommt jetzt drauf an, dass wir die Verbreitung verlangsamen, und das verlangt uns allen einiges ab. Gerade bei den Einschränkungen des öffentlichen Lebens ist es wichtig, dass überall die gleichen Maßnahmen den Alltag der Menschen bestimmen und durchgesetzt werden. Besonnenes, entschlossenes Handeln hilft, die Coronakrise einzudämmen. Die Grünen haben drauf gedrängt, im Doppelhaushalt 2020/21 eine hohe Rücklage für Krisenzeiten zu bilden. Jetzt steht uns das Geld zur Verfügung und wir werden diesen Notfalltopf auch ausschöpfen, um den Gesundheitsschutz der Bevölkerung auszubauen und die Wirtschaft zu unterstützen, damit diese stabil und handlungsfähig bleibt.

Wie sollen die Menschen mit der aktuellen Situation umgehen?

Ich rate zur Gelassenheit, und jeder soll sich an die Verordnungen halten. Es gibt keinen Grund zu Hamsterkäufen: Die Versorgung ist und bleibt sichergestellt. Niemand soll sich von der Aufgeregtheit und der Hysterie mancher Zeitgenossen anstecken lassen.

Warum dann überall die leeren Regale in den Supermärkten?

Das kann ich so nicht bestätigen. Wenn ich einkaufen gehe, sehe ich, wie sich die Angestellten anstrengen, die Regale wieder aufzufüllen. Es gibt ausreichend Lebensmittel und Produkte des täglichen Bedarfs.

Wer bestimmt im Land letztlich, welche Maßnahmen durchgesetzt werden?

Die Landesregierung erlässt Anordnungen, die als Allgemeinverfügung zu verstehen sind. Allgemeinverfügung kann man mit Straßenverkehrsschildern, die kurzfristig aufgestellt werden, vergleichen.

Wie schützen Sie sich vor der Ansteckungsgefahr?

Wir haben aus Vorsorgemaßnahmen an der letzten Plenarsitzung nicht teilgenommen. Ich habe mit meinem Laptop zu Hause gearbeitet. Per Mail und Telefon konnte ich mich austauschen. Es ist erstaunlich, wie gut mit den elektronischen Medien auch von zu Hause aus gearbeitet werden kann.

Wie kann jeder bei der Bewältigung der Krise mithelfen, was sollen Bürger unterlassen?

Die sozialen Kontakte auf das Minimum beschränken, häufig die Hände waschen und Abstand halten zu anderen Menschen, etwa beim Einkaufen. Die bisherigen Erfahrungen zeigen, dass die Bürger in großer Mehrheit besonnen handeln. Jetzt ist die Zeit, sich in die Familien zurückzuziehen. Wer kann, soll Home-Office machen und in der Freizeit mal wieder ein Buch lesen. Jetzt ist die Zeit für Entschleunigung. Dies wünschen sich viele Menschen eigentlich schon lange - raus aus dem Stress und dem Hamsterrad. Das Virus zwingt uns jetzt, langsamer zu werden.

Wie entschleunigen Sie, und wie gehen Sie mit den Einschränkungen um?

Ich gebe niemandem mehr die Hand, ich begrüße die Menschen mit einem Lächeln. Wenn es irgendwie geht, bleibe auch ich zu Hause und arbeite im Home-Office. Mir fehlen die Besuche auf dem Spielplatz mit meiner Tochter oder das gemütliche Essen in Restaurants. Aus diesem Grund kochen wir jetzt gemeinsam.

Wie beschäftigen Sie Ihre Tochter während der schulfreien Zeit?

Zunächst muss sie die Hausaufgaben erledigen. Dann spielen meine Frau und ich viele Gesellschaftsspiele mit ihr. Sie liebt es, wenn ich ihr vorlese, Jim Knopf von Michael Ende und die Klassiker von Astrid Lindgren.

Keine Chance also, mit Fake News in den sozialen Medien konfrontiert zu werden?

Die Verschwörungstheorien ärgern mich. Wir klären auf allen Ebenen auf. Ich appelliere daher an alle Menschen, sich auf unterschiedlichen Ebenen zu informieren und nicht nur auf Facebook und Co. Seriöse Informationen liefern die Homepages der Landesregierung, der Bundesregierung oder der Kommune vor Ort.

Wie sorgt die Regierung dafür, dass andere wichtige Themen der Welt- oder Kreispolitik nicht unter den Tisch fallen?

Die Arbeit an allen Themen geht weiter. Es wird nichts vergessen. Trotz aller Einschränkungen im Leben mit der Pandemie gibt es ein Leben danach.

Wie ermutigen Sie die Bevölkerung?

In der Krise müssen wir noch mehr Solidarität zeigen. Wir versuchen, einheitlich und zeitgleich zu handeln, um die Maßnahmen zum Schutz vor einer Infektion umzusetzen. Es ist sehr ermutigend, wie die Menschen zusammenrücken, im übertragenen Sinne. Nachbarn, Bekannte und Hausgemeinschaften erledigen beispielsweise Einkaufsgänge für ältere Bewohner. Es gibt sehr viel Rücksichtnahme und Hilfsbereitschaft untereinander. Wir rücken in der Zeit der Krise - trotz zwei Meter Sicherheitsabstand - enger zusammen. Da zeigt sich, dass unsere Gemeinschaft funktioniert. Das freut mich sehr.