Zwischen Neckar und Alb

Kommunen sollen mit ins Boot

Fachleute diskutieren über die Pflegeprämie des Landes und die Zukunft der Streuobstwiesen

Das Land hat eine Art Baumschnittprämie ausgelobt. Die Prämie von 15 Euro pro Baum kann zweimal innerhalb von fünf Jahren ausgezahlt werden. Mit diesem finanziellen Anreiz soll die aufwendige ­Pflege der Streuobstbäume ­wieder in Gang kommen.

Der Erhalt der Streuobstwiesen ist arbeitsintensiv. Das Land will mit Prämien Anreize für die Baumpflege schaffen.Foto: Dieter R
Der Erhalt der Streuobstwiesen ist arbeitsintensiv. Das Land will mit Prämien Anreize für die Baumpflege schaffen.Foto: Dieter Ruoff

Köngen. Die Antragstellung ist allerdings kompliziert. Nicht jeder Gütlesbesitzer kann einen Antrag stellen. Vielmehr sollen Vereine, aber auch Mostereien, Kommunen und Landschaftsschutzverbände, Sammelanträge stellen und ein Schnittkonzept mitliefern, das die Pflege über den Zeitraum von fünf Jahren aufschlüsselt.

Der Kirchheimer Landtagsabgeordnete Karl Zimmermann (CDU) hatte jüngst ins Köngener Schlossgut eingeladen, um mit seinem Landtagskollegen Paul Locherer, Abgeordneter im Wahlkreis Wangen (Allgäu) und Mitglied des Landwirtschaftsausschusses im Landtag, Vertretern von Obst- und Gartenbauvereinen (OGV), Landwirten und Vertretern von Naturschutzverbänden über das Thema Streuobstwiesen zu diskutieren.

9 600 Hektar an Streuobstwiesen gebe es im Landkreis, sagte Zimmermann. Auf diesen stünden 768 000 Bäume. Neben den fünf größeren Keltereien gebe es zudem 150 Mostereien, 150 Brennereien und 65 Obst- und Gartenbauvereine, die insgesamt etwa 10 000 Mitglieder hätten. 85 Prozent des Streuobstbestandes sei in schlechtem Zustand, also nicht gepflegt, ergänzte Locherer. Für ihn ist klar, dass zur Rettung der Streuobstwiese auf die Mitwirkung der Kommunen nicht verzichtet werden kann.

Sind 85 Prozent der Streuobstwiesen in schlechtem Zustand? Da widersprach Rudolf Thaler vom Obst- und Gartenbauverein (OGV) Bissingen. „90 Prozent sind nicht und sieben bis acht Prozent falsch gepflegt“, sagte er. „Wie bringen wir den Leuten den Baumschnitt bei?“, wollte Locherer wissen. Die Obst- und Gartenbauvereine seien hier die richtigen Ansprechpartner, meinte Thaler. Doch die Vereine machen sich nichts vor. Sie sehen den Altersdurchschnitt ihrer Mitglieder. „Es sind nur noch wenige junge Leute bereit, sich einzubringen“, sagte Roland Ruoff vom OGV Kirchheim. Die Menschen müsse man für den Apfelsaft begeistern; dann würden sie auch anfangen, sich für die Baumpflege zu interessieren, sagte Gerhard Eppinger vom OGV Notzingen.

Eppinger, Ruoff und Thaler finden den Anreiz, den das Land mit der Pflegeprämie schaffen will, gut. Aber „wie Pflege und Erhalt funktionieren sollen, ist nicht sehr transparent dargestellt“, kritisierte Eppinger. Dr. ­Anke Trube, Geschäftsführerin des Landesnaturschutzverbands, versuchte, etwas Licht ins Dunkel zu bringen. „Nicht jeder Antragsteller wird Geld bekommen“, sagte sie. Die Anträge, die eine sinnvolle Nutzung der Wiesen vorweisen, würden bevorzugt. Damit soll die Entstehung blumenbunter Mähwiesen, die wichtig für Insekten und die Artenvielfalt sind, gefördert werden. Trube hält ein von den Kommunen aufgelegtes Biotopverbundkonzept für absolut notwendig.

Doch wie kann ein Konzept umgesetzt werden, wenn die Leute dazu fehlen, fragte Professor Dr. Christian Küpfer. Sortenbestimmung mittels dem Smartphone könnte seiner Meinung nach eine Motivation für junge Leute sein, sich mit dem Thema Streuobst auseinanderzusetzen.

Siegfried Nägele, Vorsitzender des Kreisbauernverbands Esslingen, sieht die Lage eher pessimistisch: „Wenn ein Programm aufgelegt wird und die Leute das nicht leben, dann macht es keinen Sinn. Die Streuobstwiesen müssen bewirtschaftet werden. Sonst geht es steil bergab.“

Pflegeprämie hin oder her: Einig waren sich die Diskutanten in Köngen, dass nicht alle 768 000 Streuobstbäume im Landkreis erhalten werden können. Man könne das Landschaftsbild erhalten, indem man auf einem Teil der Fläche Wildfrucht-Bäume, also Wildkirsche, Elsbeeren, Speierling, Walnuss- oder Maulbeerbäume, pflanzt.