Zwischen Neckar und Alb

Langweilig wird es Wengertern nie

Die Arbeit geht auch in der kalten Jahreszeit nicht aus – Weinberg, Kelter oder Besenwirtschaft fordern vollen Einsatz

Langweilig wird es Wengertern nie
Langweilig wird es Wengertern nie

Esslingen. Bei den Wengertern in Esslingen herrscht auch während der Wintermonate emsige Betriebsamkeit: Ob in den Weinbergen

beim Rebschnitt und der Pflege der Trockenmauern, in den Keltern, im Büro und für manche auch in der Besenwirtschaft – die Arbeit geht den Weingärtnern nie aus.

Bei den derzeit sehr milden Temperaturen bietet sich der Rebschnitt in den Esslinger Steillagen besonders gut an. Andreas Rapp, der Zweite Vorsitzende der Esslinger Weingärtner, hat mit seinem Team dank des schönen Wetters bereits im Dezember mit den Schneidearbeiten begonnen: „Meine Familie bewirtschaftet insgesamt 7,5 Hektar. Pro Hektar rechnet man beim Rebschnitt mit etwa 100 Arbeitsstunden.“ Mit dem Schnitt bringen die Wengerter ihre Reben wieder richtig in Form fürs neue Jahr, und sie legen bereits die Grundlagen für die folgenden Jahre. „Würden wir das nicht regelmäßig machen, würden die Weinstöcke irgendwann so weiterwuchern, dass man sie nicht mehr bearbeiten kann“, erklärt ­Andreas Rapp. Hier gilt eine Faustregel: Je länger die Triebe, desto größer der Ertrag. Und je kürzer, desto höher die Qualität, denn dann müssen weniger Trauben „ernährt“ werden, und sie werden geschmacklich besser. Weniger ist also in diesem Fall deutlich mehr. „Je nach Witterung sind wir Ende Februar, Anfang März in der Regel mit dem Rebschnitt fertig“, sagt Rapp.

Eine Arbeit, die dagegen das ganze Jahr über nie so richtig endet, sind die immer wieder anfallenden Reparaturen eingestürzter Trockenmauern. „Der Staffelsteiger-Verein leistet hier wertvolle Unterstützung“, betont ­Andreas Rapp. Auch der Boden für die Neuanlagen muss in den Weinbergen vorbereitet, die Maschinen müssen gewartet und Büroarbeit sowie die Jahresplanung müssen erledigt werden: „Dafür hat man in den Wintermonaten etwas mehr Zeit, da ist es nicht so stressig. Langweilig wird es uns Wengertern aber trotzdem eigentlich nie.“

Ob in der Kelter der Esslinger Weingärtner in Mettingen oder in den Weingütern von Adolf Bayer und Hans Kusterer – auch in den Kellern haben die Wengerter derzeit alle Hände voll zu tun. Hier gilt es etwa, den richtigen Reifegrad der Weine abzupassen, die teils in den Tanks noch auf der Feinhefe liegen oder fertiggären. Immer wieder müssen der Säureabbau überprüft, Fässer gereinigt und gefüllt, der Wein umgepumpt werden. „Weißwein und Rosé sind dann insgesamt früher reif und können filtriert und abgefüllt werden“, erklärt Wengerter Hans Kusterer. „Dann folgt die aufwendige Qualitätsprüfung, bevor die Weine ausgeschenkt und verkauft werden dürfen.

Hier möchte man gerade fürs Frühjahr und den Sommer schöne frische Weine wie den Weißen und Rosé. Rotwein kommt bei uns auf dem Weingut frühestens nach drei Jahren in den Verkauf – der 2015er also erst 2018.“ Vorher wird der Wein in Barriquefässern gelagert. „Rotwein braucht immer mehr Zeit, denn er soll kraftvoller und vollmundiger werden als der Weiße oder Rosé. Die Säure muss beim Rotwein komplett raus“, so der Wengerter.

Der Ende September gelesene und in die Tanks eingelagerte Riesling habe ihm in den letzten Wochen etwas Bauchschmerzen bereitet, erzählt Kusterer: „Zwei Tanks konnten wir erst jetzt ablassen, sie haben noch immer gegärt. Normalerweise dauert das nur ein bis zwei Wochen beim Riesling. Erst jetzt haben wir den Wein von der Hefe runtergenommen.“ Das hänge mit dem sehr trockenen Jahr 2015 zusammen. Ein Trick sei bei solch einer langsamen Gärung beispielsweise, Heizstäbe in den Tanks einzusetzen, sodass die Hefe schneller arbeite. „Das ist eine richtige Philosophie und teils auch Bauchgefühl, wann was wie eingesetzt werden sollte“, so Kusterer.

Das bestätigt auch sein Kollege Adolf Bayer, der seine Weine auf dem gleichnamigen Weingut ebenfalls selbst keltert. Eine weitere zeitintensive Arbeit bedeutet für ihn in den Wintermonaten zusätzlich die Bewirtung seines über die Stadtgrenzen hinaus geschätzten Beutau-Besens. „Ich bin neben dem sonstigen Tagesgeschäft auf dem Weingut von morgens 8 bis nachts um 12 Uhr hier“, sagt Bayer. „Das ist anstrengend, macht aber großen Spaß.“ Seit 1998 führt er seinen Besen in den verwinkelten Gassen der Mittleren Beutau. Zu den bereits beschriebenen Winterarbeiten kommen zudem Fortbildungen, Fachmessen und eigene Events. „Wengerter zu sein ist ein sehr vielseitiger und daher äußerst spannender Beruf“, bringt es Adolf Bayer auf den Punkt.