Zwischen Neckar und Alb

Lebensretter feiern 50-jähriges Besteheninfo

Malteser Nürtingen blicken auf ein halbes Jahrhundert zurück – Neue Herausforderungen für die Zukunft

Seit dem Jahr 1965 sind die ­Malteser in Nürtingen im ­Einsatz und feiern in diesem Jahr ihr 50-jähriges Bestehen. Die Lebensretter blicken zurück auf ereignisreiche Jahre ­zwischen Autobahneinsätzen und Katas­trophenalarmen.

Nürtingen. Hektisch geht es zu an diesem Nachmittag auf dem Hof der Malteser in der Schlosserstraße in Nürtingen. Einsatzwagen verlassen mit Blaulicht das Gelände – kurz danach ertönt das Martinshorn. Es muss schnell gehen. Die Zentrale hatte einen Brand in einem Firmengebäude in Oberboihingen gemeldet. Pause gibt es für die Rettungskräfte der Malteser keine – auch nicht in der Jubiläumswoche.

Seit mittlerweile 50 Jahren rückt der Hilfsdienst in Nürtingen aus, um Leben zu retten und Leid zu lindern. Über 200 Mitarbeiter sind heute im Haupt- und Ehrenamt tätig. Dabei fing alles recht bescheiden an. Auf Initiative von Mechthild und Otto Noé kamen im Jahr 1965 sechs Helfer aus Stuttgart nach Nürtingen, um hier vor allem auf der Autobahn gemeinsam mit dem Deutschen Roten Kreuz (DRK) Erste Hilfe zu leisten. „Damals war man mit einem einfachen Krankenwagen vor Ort, in dem keine Erstversorgung möglich war“, erinnert sich der Malteser-Geschäftsführer Marc Lippe.

Im Jahr 1977 wurde der erste Rettungswagen angeschafft. „Es war der erste Rettungswagen im gesamten Kreis Esslingen“, ergänzt Lippe. Ende der 70er-Jahre zogen die Malteser gemeinsam mit dem DRK von der Rettungswache an der Autobahn in die Zentrale an der Steinengrabenstraße. „Damals waren bei uns nur ehrenamtliche Helfer tätig“, sagt Lippe. Erst Ende der 90er-Jahre wagte man den Schritt in die Hauptamtlichkeit. Im Jahr 2002 folgte schließlich die hauptamtlich besetzte Wache in der Schlosserstraße.

Von den Schwerpunkteinsätzen an der Autobahn ist der Hilfsdienst lange weg. Fahrradstürze, Autounfälle und Herzinfarkte sind nur wenige Beispiele aus der langen Palette an Notrufen, die täglich bei den Maltesern eingehen. „Wir sind mittlerweile auch über die Grenzen Baden-Württembergs hinaus im Einsatz“, sagt Lippe.

Seit dem Jahr 1995 ist er Leiter des Malteser-Rettungsdienstes in Nürtingen. Fragt man Lippe nach einem Einsatz, der ihm besonders in Erinnerung geblieben ist, muss er nicht lange über eine Antwort nachdenken: „Das war 2010 bei der Loveparade in Duisburg. Wir waren für den Tunnel zuständig.“ Gemeint ist der Tunnel, in dem 21 Menschen bei einer Massenpanik den Tod fanden und 500 verletzt wurden. „Aber auch den Einsatz 2013 beim Hochwasser in Magdeburg werde ich nicht vergessen“, ergänzt Lippe.

Während der Einsätze werden Gefühle ausgeblendet. „Da funktioniert man einfach“, sagt er. „Erst später, wenn man die Schicksale der Menschen weiter verfolgt, sieht man alles in einem ganz anderen Licht“, kann der Geschäftsführer aus Erfahrung sagen. Auch die 19-jährige Rettungsassistentin Vanessa Quiceno-Mainka hat gelernt, die Geschehnisse, mit denen sie bei ihrer Arbeit konfrontiert wird, zu verarbeiten: „Wir haben tolle Kollegen, mit denen man nach einem Einsatz reden kann. Das hilft.“

Größer als die psychische Belastung seien aber die neuen Herausforderungen für die Einsatzkräfte: „In Baden-Württemberg sind wir weit davon entfernt, die Soll-Frist, in der Rettungs- und Notarztwagen vor Ort sein sollen, einzuhalten“, kritisiert der Stadtbeauftragte der Nürtinger Malteser, Thaddäus Kunzmann. Die schreibt vor, dass die Rettungskräfte innerhalb von zehn Minuten am Einsatzort sein sollten. Selbst die Maximalfrist von 15 Minuten könne nicht immer eingehalten werden, so Kunzmann.

Grund seien unter anderem zu wenige Einsatzwagen und Personalmangel. Vor allem der Nachwuchs bleibe aus. Junge Rettungsassistenten wie Vanessa Quiceno-Mainka seien immer seltener. Mit ihren 19 Jahren ist sie die jüngste Rettungskraft bei den Nürtinger Maltesern: „Ich wollte eigentlich Medizin studieren und im Rettungsdienst praktische Erfahrungen sammeln.“ Die Arbeit gefiel ihr so sehr, dass sie sich schnell gegen ein Studium entschied: „Man sammelt hier so viel Lebenserfahrung, wie es ein Medizinstudium nie vermitteln könnte“, ist sich die gebürtige Stuttgarterin sicher.

Am Samstag, 27. Juni, feiern die Malteser ihren Geburtstag mit einer Leistungsschau auf dem Nürtinger Stadthallenplatz. Beginn ist um 9 Uhr.