Zwischen Neckar und Alb

Mit Smartphone und 3D-Brille zum Lesevergnügen

Technik Aufnahmegestelle für Smartphones gibt es schon, aber für Sehbehinderte passen sie nicht so richtig. Ein 3D-Druck-Designwettbewerb will das ändern. Von Peter Dietrich

Die Firma rioprinto in Wernau zeigt, was man so alles mit 3D-Druck herstellen kann. Das Gebiss ist nicht für Fasching oder Hallo
Die Firma rioprinto in Wernau zeigt, was man so alles mit 3D-Druck herstellen kann. Das Gebiss ist nicht für Fasching oder Halloween, sondern kommt in der Zahnmedizin zum Einsatz.Fotos: Peter Dietrich

Sie werden für virtuelle Rundgänge oder für Videospiele eingesetzt, die VR-Headsets. Das sind Aufnahmegestelle mit einer Schublade für das Smartphone. Mit einem solchen Gestell könnten auch Menschen mit einer starken Sehbehinderung lesen. Und zwar im Lieblingssessel, nicht nur mit ihrem großen und stationären Lesegerät. Vorversuche mit neun Personen beim Blinden- und Sehbehindertenverband in Stuttgart zeigten es klar: Der Einsatz eines VR-Headsets ist möglich. Aber es gibt da so einige Probleme, etwa beim Finden der optimalen Einstellung. Sie betrifft den Abstand der Linsen zum Auge und zum Display und den Abstand der Linsen zueinander, abhängig von der Pupillendistanz.

Wie könnte ein solches Gestell aussehen? Dazu sollen sich nun bundesweit Leute aus der Maker-Bewegung Gedanken machen - früher hätte man statt von „Makern“ eher von Tüftlern gesprochen. Den Wettbewerb hat das Wernauer Start-Up-Unternehmen „rioprinto“ ausgeschrieben. Der Wettbewerb läuft bis Anfang Mai, für das überzeugendste Design gibt es 2 000 Euro, insgesamt 3 000 Euro. Das Design soll per 3D-Druck ausgedruckt und zusammengesetzt werden können, bleibt also preisgünstig.

Ausgegangen ist der Wettbewerb mit dem Titel „Light Cares“ vom Bundesministerium für Bildung und Forschung. Das Ministerium will Menschen mit Behinderung mithilfe von photonischen Technologien den Alltag erleichtern und stellt deshalb für insgesamt zehn Projekte rund eine Million Euro bereit. Das Lesehilfenprojekt wird vom Fraunhofer-Institut für Produktionstechnik und Automatisierung IPA in Stuttgart koordiniert.

Fraunhofer entwickelt auch die Smartphone-App, mit der der Nutzer im digitalen Dokument navigiert, durch Bewegungen des Kopfes, ohne Gebrauch der Hände. Dazu werden die Lagesensoren des Smartphones genutzt. Auf der Suche nach Partnern mit guten Kontakten zur Maker-Bewegung kam der Goliath Fraunhofer auf David „rioprinto“ zu und hatte dessen Geschäftsführer Manuel Stange schnell von einer Zusammenarbeit überzeugt. „Das ist eine richtige Marktlücke“, befand Stange bei der mobilen Lesehilfe für sehbehinderte Menschen.

Nun fordert „rioprinto“ bundesweit zur Mitarbeit auf, einzelne Designer, Ingenieure und Hobbytüftler sind ebenso willkommen wie ganze Vereine. „Erste Anmeldungen sind schon da“, sagt Stange, „ich rechne mit 20 bis 50 Leuten.“ Den Konstruktionsaufwand schätzt er auf etwa einen Tag. Stange hofft, genauso wie das Fraunhofer-Institut, dass sich aus den Entwürfen Lösungen für technische Probleme ergeben. „Die 3D-Daten für das Design und die App stehen nach dem Wettbewerb jedermann zur freien Verfügung“, verspricht Stange. Sehbehinderte Menschen können sich ihr Gestell also selbst drucken lassen.

Für das Gestell sind drei Linsen von Zeiss, Shogee oder Edmund Optics vorgesehen, die Maker haben die Wahl. Das Gestell soll sich so fixieren lassen, dass die Justierung erhalten bleibt, der Benutzer also nicht andauernd schrauben oder schieben muss. Dann soll das Gestell noch höchstens 350 Gramm wiegen, ohne die Linsen. Es soll sich am Gesicht polstern lassen, das Smartphone sollte gut darin sitzen, und die Randtasten am Smartphone sollten zugänglich bleiben.

Dann sollte der Maker auch noch die Designrichtlinien für den 3D-Druck kennen, so liegt die minimale Wandstärke im hochwertigen SLS-Druckverfahren bei einem Millimeter. Stange will aber nicht, dass sich jemand von den vielen Anforderungen abschrecken lässt: „Das muss nicht die perfekte Lösung sein.“

Info Die Entwürfe können bis 7. Mai eingereicht werden. Die Jury besteht aus Fraunhofer IPA, dem Blinden- und Sehbehindertenverband Württemberg BSVW und rioprinto. Infos gibt es unter www.rioprinto.com/wettbewerb.

So ähnlich soll die mobile Lesehilfe der Wernauer Firma „rioprinto“ aussehen.
So ähnlich soll die mobile Lesehilfe der Wernauer Firma „rioprinto“ aussehen.