Zwischen Neckar und Alb

S-Bahn für eine „unentdeckte Großstadt“

Mobilität Der Ingenieur Klaus Gebhard stellt Ideen für einen S-Bahn-Lückenschluss Neuhausen-Wendlingen vor.

KÖNGEN. Wer A8 und A81 sagt, muss auch Stau sagen. Doch was ist die Alternative? Mit dem Flugzeug, dem Schiff oder dem Zeppelin könnten die Pendler kaum ans Ziel kommen, sagte der Ingenieur Klaus Gebhard bei seinem Vortrag im Schlossgut Köngen, aber mit der Bahn – wenn nur endlich die Lücken geschlossen würden.

Gebhard hat eine „unentdeckte Großstadt“ ausgemacht: Sie erstreckt sich von Herrenberg im Westen bis Kirchheim im Osten. Zählt man die Einwohner der größeren Städte und Orte entlang der Autobahn zusammen, ergibt das inklusive Nürtingen, Wernau und Plochingen rund 448 000 Einwohner.

Lücke in der Bahnverbindung

Während die Autobahn derzeit sechsspurig ist, ist die Bahnverbindung zwischen dem Flughafen Stuttgart und Filderstadt und zwischen Wendlingen und Kirchheim nur eingleisig. Noch schlimmer aber ist die Lücke zwischen Filderstadt und Wendlingen. Sie soll um vier Kilometer schrumpfen, wenn die S-Bahn bis Neuhausen fährt, aber über die restlichen zwölf Kilometer spricht fast niemand.

Die „AG Umstieg 21“ des Aktionsbündnisses gegen Stuttgart 21, zu ihr gehört Gebhard, tut es. Architekten, Ingenieure, Lokführer und andere haben Ideen gesammelt, wie ein Lückenschluss aussehen könnte. Eines wurde ihnen klar: Die Einfahrt in Wendlingen müsste von Norden her erfolgen. Nur dann könnte die von den Fildern kommende S-Bahn-Strecke nach Nürtingen verlängert werden. Die Trasse würde bei dieser Variante nördlich um Köngen herumgeführt, der sogenannte „Köngen-Turn“, möglich mit oder ohne Halt in Köngen.

Im Neckartal, etwa im Bereich der Wendlinger Kläranlage, schlägt Gebhard eine Verzweigung vor, mit der die zweite von den Fildern kommende Linie nach Plochingen geführt würde. Zusätzlich wäre eine neue Line S10 möglich, die von Kirchheim kommend auf die Filder fährt und über die neue Rohrer Kurve nach Böblingen und Herrenberg gelangt. Sie träfe damit im Westen wieder auf die Linie S1, wäre aber durch eine kürzere Strecke und weniger Halte in der Relation Wendlingen-Böblingen deutlich schneller.

Diese Tangentiallinie im Süden Stuttgarts könnte den stark ausgelasteten Stuttgarter S-Bahn-Tunnel entlasten. Den neuen Relex-Bus von Kirchheim zum Flughafen sieht Gebhard nicht als Konkurrenz zum Lückenschluss, sondern als einen ersten Schritt. Er befürchtet aber, dass der Bus häufig im Stau steht.

Stuttgart 21 als Staubsauger

„Der Ringschluss muss kommen“, unterstützte ihn Hermann Sommer, grüner Stadtrat in Wendlingen. Dies tat auch der Wendlinger CDU-Stadtrat Peter Wittemann: „Ich habe mir vorgenommen, dass ich noch zur Eröffnung fahre und wenn es mit dem Rollator ist.“ Gebhard sieht aber nur Chancen für den Ringschluss, wenn Stuttgart 21 doch noch gestoppt werde – das betreffe nicht die Neubaustrecke von Wendlingen nach Ulm, ein extra Projekt.

Ansonsten sauge Stuttgart 21 bis 2025 als Staubsauger anderen Bahnprojekten alle nötigen Finanzmittel weg. Er erinnerte daran, dass die von Lokführern geschätzte künftige Fahrzeit zwischen Wendlingen und Stuttgart inklusive Halt am Flughafen bei 16 Minuten liege – das schaffe der IRE-Sprinter zwischen Wendlingen und Stuttgart auch heute schon, das könne jeder nachmessen.

Gebhard will das bereits gebaute Sulzbachviadukt für den S-Bahn-Ringschluss verwenden. Würde Neuhausen nördlich umfahren, hätte auch das zweite Viadukt in der Nähe des Klosters Denkendorf eine Verwendung. Ob Neuhausen lieber zuerst eine Tunnelbaustelle und später für hundert Jahre einen Halt in der Ortsmitte wolle, darüber sollten dessen Bürger abstimmen, schlägt Gebhard vor.

Für eine Schnapsidee hält er den Vorschlag, die S-Bahn vom Flughafen bis Wendlingen auf der Schnellbahntrasse zu führen. Zum einen wegen der großen Tempounterschiede, denn die neueste S‑Bahn schafft nur Tempo 140. Zum andern, weil die S-Bahn dann an den Filderorten ohne Halt vorbeifahren würde, diese hätten gar nichts davon. „Wir machen hier keine Planfeststellung“, betonte Gebhard. Beim Ringschluss handle es sich um Ideen einer Arbeitsgruppe. Kritisch, so ein Zuhörer, könnte die Belastung der Strecke zwischen Wendlingen und Plochingen werden. Gebhard hält ein drittes Gleis von Wendlingen bis zur Abzweigung für nötig. „Der Platz wäre da.“

Gebhard freut sich, dass die betroffenen Kommunen nun, mit Unterstützung des Landkreises, eine Machbarkeitsstudie für den Ringschluss in Auftrag gegeben haben. Mit einer guten S-Bahn-Verbindung, ist er überzeugt, sei ein Ausbau der Autobahn unnötig.Peter Dietrich