Zwischen Neckar und Alb

Schüler pauken mit Flüchtlingen

Am Robert-Bosch-Gymnasium bekommen Männer aus Gambia Sprachunterricht

Die 16-jährige Gymnasiastin Constanze übt mit den Flüchtlingen aus Gambia einfache deutsche Sätze und Vokabeln. Das Projekt des
Die 16-jährige Gymnasiastin Constanze übt mit den Flüchtlingen aus Gambia einfache deutsche Sätze und Vokabeln. Das Projekt des Robert-Bosch-Gymnasiums sieht sie als wichtigen Beitrag zur Integration. Foto: Horst Rudel

Wendlingen. Das Schicksal der Flüchtlinge, die in Wendlingen leben, bewegt die Schüler des Robert-Bosch-Gymnasiums. „Natürlich machen wir das im Unterricht zum Thema“, sagt der Lehrer Martin Silber. Aber man wolle nicht nur darüber reden, sondern auch etwas für die Menschen tun. Deshalb finden an der Schule Deutschkurse für die Männer aus Gambia statt, die in der Unterkunft im Stadtteil Bodelshofen leben. Gemeinsam gestalten Schüler und Lehrer den Sprachunterricht. Dass einige Männer Analphabeten sind, fordert die Kursleiter besonders. Spielerisches Lernen steht im Vordergrund.

Schon bei der Begrüßung wird im Klassenzimmer viel gelacht. „Ganz schön kalt hier“, finden die Flüchtlinge, doch die Gymnasiasten winken ab. Das sei ein eher milder Winter für deutsche Verhältnisse. Und sie wollen von den Männern wissen, wie denn die Temperaturen in dem afrikanischen Land um diese Jahreszeit seien. In der Hauptstadt Banjul hat es derzeit mehr als 30 Grad und die Sonne scheint.

Die 15 Männer aus Gambia sind pünktlich zum Unterricht erschienen. An diesem Regentag sind die meisten mit dem Rad gekommen, denn der Fußweg von Bodelshofen dauert eine halbe Stunde. Der rührige Arbeitskreis Asyl hat viele Fahrräder gesammelt, aber nach Silbers Worten werden noch weitere gebraucht. 300 Flüchtlinge leben derzeit in Wendlingen in der Turnhalle und in den Unterkünften. Da stießen Kleiderkammer und Fahrradwerkstatt an Grenzen, weiß der Pädagoge. Gemeinsam mit seinem Kollegen Thomas Volkmann betreut Silber die Sprachkurse, die Schülern multikulturelle Horizonte eröffnen sollen.

„Alle reden davon, dass man etwas für die Integration der Flüchtlinge tun müsste, aber wir machen nun wirklich was“, sagt Constanze (16). Das gebe ihr ein gutes Gefühl. Seit sie die Asylsuchenden aus Gambia kennt, habe sie viele Vorurteile abgebaut, sehe die Dinge differenzierter. Ihr 17-jähriger Mitschüler Kreshnik kommt aus dem Kosovo. Er hat als Kind erlebt, was Flucht bedeutet. „Ich weiß, wie es ist, wenn man sich in einer fremden Sprache und in einem fremden Land zurechtfinden muss.“ Ihm mache es Spaß, mit den Männern aus Gambia zu arbeiten, denn die seien hoch motiviert und wollten viel über das Leben hier lernen.

Das ist in den Kleingruppen zu spüren, in denen mit einem Arbeitsbuch deutsche Vokabeln und einfache Sätze gepaukt werden. Lehrer Thomas Volkmann ist im Hintergrund dabei, aber er lässt den Jugendlichen freie Hand. „Das klappt prima“, sagt der Lehrer für Geschichte und Latein stolz.

Ums Kochen geht es in Viviens Gruppe. „Jeder liest eine Zeile“, gibt die 15-Jährige die Arbeitsaufgabe vor. Und die Männer beginnen mit den Worten „Pizza“, „essen“, „Salz“. Die Vokabel „Pilze“ ist für sie schwer nachzusprechen. Ruhig sagt Vivien das schwierige Wort vor. „Was ist das eigentlich?“, fragt ein Mann. Da deutet die Gymnasiastin auf das Bild von mehreren dicken Champignons, das im Buch zu sehen ist. Weil die Kursteilnehmer alle Englisch sprechen, fällt die Kommunikation leicht. Nebenbei erfahre man auch etwas über das Leben der Flüchtlinge, erzählt Luisa. Der 14-Jährigen gefällt es ebenfalls, zu unterrichten und mal selbst in die Rolle der Lehrerin zu schlüpfen.

„Wir lernen sehr viel und es macht Spaß“, findet Darboe Chongan aus Gambia. „Die Schüler sind wirklich gute Lehrer, das klappt“, pflichtet ihm Alpha Maiang bei. Die Sprache zu lernen, helfe ihm, denn in der deutschen Kultur sei ihm einfach vieles fremd. Die Stunden sind straff und professionell organisiert. Alle sind konzentriert dabei.

Es sei wichtig, dass die Flüchtlinge diese festen Termine haben, meint Martin Silber. „Das bringt Struktur in ihren Tag.“ Der Pädagoge ist dankbar, dass Schulleiter Rainer-Martin Adolf das Sprachprojekt unterstützt und ihnen bei der Gestaltung der Stundenpläne entgegengekommen ist.

„Die Arbeit mit den Flüchtlingen ist für uns eine große Bereicherung“, sagt Volkmann. Einige Schüler hätten mit den Flüchtlingen schon gute Kontakte und hätten sie schon besucht, um gemeinsam Gesellschaftsspiele zu machen. „Für unsere Schüler ist das ein großer Gewinn“, ist auch Silber überzeugt. Er unterrichtet Religion und will den Gymnasiasten Offenheit gegenüber anderen Kulturen und Glaubensrichtungen nahebringen. Im direkten Kontakt lasse sich das am besten verwirklichen.