Zwischen Neckar und Alb

Skat schult logisches Denken

Gymnasiasten lernen das Spiel in einer Arbeitsgemeinschaft

Statt binomischer Formeln oder Geometrie lernen Schüler des Robert-Bosch-Gymnasiums in Wendlingen, wie man Skat spielt. Der Schulleiter Rainer-Martin Adolf sieht einen pädagogischen Nutzen.

Schulleiter Rainer-Martin Adolf schaut Jonathan beim Skat in die Karten. Er gibt dem Elftklässler Tipps, wie man ein Spiel gewin
Schulleiter Rainer-Martin Adolf schaut Jonathan beim Skat in die Karten. Er gibt dem Elftklässler Tipps, wie man ein Spiel gewinnt. Fotos: Bulgrin

Wendlingen. Donnerstags trifft sich eine Arbeitsgruppe mit Schülern von der 7. bis zur 11. Klasse, um das traditionsreiche Kartenspiel zu üben. Schulleiter Rainer-Martin Adolf leitet den ungewöhnlichen Kurs, der mehr bieten soll als Freude am Spiel. „Da geht es um logisches Denken“, ist der Lehrer für Mathematik und Physik überzeugt. Und bei aller Rechenkunst soll natürlich auch Spaß dabei sein.

In der Mittagspause wird nach Herzenslust gezockt. Frieder ist mit seinem Blatt nicht so ganz zufrieden. „Da steige ich aus“, sagt der Siebtklässler beim Reizen. „Man muss eben versuchen, trotzdem möglichst viele Stiche zu machen.“ Im Skat spielen immer zwei gegen einen. Wer beim Reizen am höchsten kommt, gewinnt das Spiel. Der Elftklässler Jonathan hat erst in der Skat-Arbeitsgemeinschaft der Schule mit dem Spielen begonnen. Jetzt gewinnt er ein Spiel nach dem anderen. „Wenn ich meine Stiche zähle, übe ich zugleich das Kopfrechnen“, sagt der Gymnasiast. Das gerate heute oft in Vergessenheit, „weil man dann lieber den Taschenrechner nimmt“.

Dass die Schüler den pädagogischen Nutzen des Skatspiels für sich erkennen, freut Adolf sehr. Er selbst spielt seit frühester Jugend Skat, „weil das in unserer Familie einfach Tradition war“. Heute gerate das Spiel, das in Deutschland eine jahrhundertelange Tradition hat, zunehmend in Vergessenheit. Zwar spielten immer mehr Fans Skat, sogar im Internet, aber der Deutsche Skatverband verliere ständig Mitglieder. Da verweist Adolf auf die Zahlen. Zur Jahrtausendwende waren 37 000 Mitglieder in diesem Verband organisiert, heute sind es gerade noch 21 000.

Deshalb will Adolf seinen Schülern „Lust darauf machen, das Spiel kennenzulernen und zu pflegen“. Dazu müssen sie aber erst mal die Regeln lernen, die nicht so ganz einfach sind. Mädchen hat der engagierte Schulleiter noch nicht für sein Projekt begeistern können. „Eine unserer Lehrerinnen spielt ab und zu mit, aber ihr Vorbild hat offenbar noch nicht gefruchtet“, sagt Adolf. Dem Spiel haftet bis heute das Vorurteil an, dass es vorwiegend von bierseligen Männerrunden gepflegt wird. Da will Adolf entgegensteuern, und seine Schüler dafür motivieren.

Im Kurs wird nicht nur gespielt, sondern auch gelernt. Adolf und der Lehrer Christoph Oellig erklären den Jungs geduldig, wie man die Karten ordnet und wie man ein Spiel strategisch am besten aufbaut. „Selbst mit einem schwachen Blatt kann man noch Stiche machen“, weiß Adolf aus seiner langjährigen Spielerfahrung. Der Pädagoge läuft von Tisch zu Tisch, schaut den Spielern über die Schultern und gibt Tipps. Frieder, der Skat spielen schon bei seinem Opa gelernt hat, erklärt den weniger erfahrenen Schülern die Regeln. „Wichtig ist, dass man die Karten nach Farben ordnet“, sagt der Schüler. „Sonst verliert man den Überblick.“ Und auch das Mischen will gelernt sein. Einem Schüler fallen die Karten auf dem Boden. Da helfen die anderen, indem sie die richtige Technik erst mal vormachen. Nach einigen Versuchen klappt auch das.

An der deutschen Schule in Tokio, die er früher leitete, hat Rainer-Martin Adolf das Skatspiel gepflegt. „Die Schüler machten begeistert mit“, erinnert er sich. Und auch einige Japaner aus seinem Bekanntenkreis ließen sich für das deutsche Kartenspiel begeistern, das außerhalb der Landesgrenzen heute kaum noch gepflegt wird. Das wollte Adolf ändern. Selbst mit dem deutschen Botschafter habe er häufig gespielt. Das Spiel, das man früher eher mit verrauchten Kneipen in Verbindung brachte, ist nach Ansicht des Wendlinger Schulleiters gesellschaftsfähig. Auch einige Mitglieder seines Rotary-Clubs hat er bereits dafür begeistern können. Skat gehört nach Ansicht des Studien­direktors zur deutschen Kultur.

„Und es ist einfach ein großes Vergnügen, gemeinsam zu spielen“, findet der Mathematiker und lacht. Das sei für ihn selbst auch eine Auszeit. In Zeiten, da viele Jugendliche lieber vor dem Computer säßen und sich mit Gewaltspielen die Zeit vertrieben, ist der gesellige Aspekt eines Skatabends für Rainer-Martin Adolf nicht zu unterschätzen. Die Jugendlichen lernen dabei aus seiner Sicht zusammen ein Spiel zu führen und auch zu gewinnen. „Das ist doch eine gute Schule fürs ganze Leben.“ Sich in das Blatt des Gegners hineinzudenken, ist für ihn die große Herausforderung bei dem Spiel, „das nicht nur auf Glück, sondern zu einem ganz großen Teil auf Logik fußt“.

foto: roberto bulgrin17. 12. 2015Wendlingen, Skat-AG am Robert-Bosch-Gymnasium Wendlingen mit Schulleiter Adolf
foto: roberto bulgrin17. 12. 2015Wendlingen, Skat-AG am Robert-Bosch-Gymnasium Wendlingen mit Schulleiter Adolf