Glückwunsch zur Titelverteidigung. Wie fühlt man sich als frischgebackene Doppelweltmeisterin?
„Gut natürlich, wobei der Titel dieses Mal nicht ganz so überraschend kam wie vor zwei Jahren. Ich war die ganze Saison gut unterwegs, und ich wusste, dass ich zu den Favoriten zähle, wenn die Strecke trocken bleibt. Im Weltcup habe ich dieses Jahr jedes Mal gewonnen, wenn die Strecke trocken war. Darum war der Titelgewinn schon auch mein Ziel."
Wie beim WM-Titel 2010 in Unterensingen sind Sie wieder von Platz vier nach dem ersten Lauf zu Gold gefahren – das Feld von hinten aufrollen, scheint Ihre Taktik zu sein . . .
"Eigentlich nicht, denn im ersten Lauf gibt‘s nie etwas zu verschenken und taktieren ist da auch nicht drin. Ich war mir trotz des vierten Platzes nach dem ersten Lauf eigentlich relativ sicher, dass ich noch nach ganz vorne kommen werde. So gesehen war die Parallele zur WM vor zwei Jahren wirklich ein gutes Omen."
Mit 20 Jahren haben Sie im Inline-Alpin schon alles gewonnen, was es zu gewinnen gibt. Was soll jetzt noch kommen?
"Momentan läuft noch der Gesamtweltcup, in dem ich noch gut mit dabei bin. Beim Finale am 8. September in Steinenbronn will ich auf jeden Fall um den Gesamtsieg mitfahren. Nächstes Jahr werde ich mich aber wahrscheinlich etwas vom Inline-Sport zurückziehen. Unter der Woche bin am Studieren und ab Freitag das ganze Wochenende bei Rennen unterwegs. Ich habe praktisch keine Freizeit mehr und bin kaum daheim. Klar, man kann vom Gewinnen nie genug kriegen, aber ich habe dieses Jahr im Schnitt nur einmal pro Woche trainieren können. Ich lasse das jetzt alles mal auf mich zukommen."
Gerade sind die Olympischen Spiele in London zu Ende gegangenen. Wäre die Aussicht, weiterzumachen und eines Tages bei Olympia um Inline-Alpin-Gold zu fahren, nicht verlockend?
"Natürlich, aber bis das so weit ist, bin ich wahrscheinlich schon über 30. Es gibt momentan Bestrebungen der Verbände in diese Richtung und die WM war in dieser Hinsicht ein großer Schritt. Aber wie gesagt, in den nächsten Jahren tut sich da nichts."
Sie und Julia Grüning, die am Wochenende Vizeweltmeisterin im Parallelslalom und mit der Mannschaft wurde, haben Neidlingen nicht erst durch Ihre jeweiligen Erfolge in Cham bekannt gemacht. Was ist das Geheimnis des TVN?
„Das haben wir uns neulich auch schon gefragt (lacht). Bei uns beiden passt es halt einfach, ein wirkliches Geheimnis für den Erfolg gibt es nicht. Wir sind beide seit 1999 dabei, trainieren immer auf der gleichen Strecke in Neidlingen."
Trotzdem dürften Sie die wenigsten Leute auf der Straße erkennen. Traurig, dass der Inline-Sport eine Art Mauerblümchendasein fristet?
„Das empfinde ich eigentlich gar nicht so. Klar erkennt man mich heute nicht auf den ersten Blick auf der Straße. Das liegt aber bestimmt auch daran, dass man auf Bildern vor lauter Ausrüstung und Helm nur schlecht ein Gesicht erkennt. Aber wenn im Gespräch mein Name fällt, sagen viele schon: „Das ist doch die Inline-Fahrerin.“ Bei der letzten WM vor zwei Jahren waren die Reaktionen auf meinen Titel echt erstaunlich. Das lag auch daran, dass sie hier vor Ort in Unterensingen war. Da haben hinterher Leute angerufen, die ich vorher gar nicht kannte. Jetzt, vor Cham, wussten auch viele Bescheid, haben sich informiert und wollten wissen wie es läuft. Der Zuspruch für den Sport ist in den letzten Jahren schon gewachsen."
Unabhängig davon wird man in absehbarer Zeit in Deutschland jedoch kaum vom Inline-Sport leben können. Wie kann man das Ihrer Meinung nach ändern?
"In Deutschland ist das Problem, dass wir zwei verschiedene Verbände haben (Deutscher Rollsport- und Inline-Verband sowie Deutscher Skiverband; Anm. d. Red.). Ich bin der Meinung, dass da viel kaputt geht. Dabei hat der Sport eigentlich vor allem für die Zuschauer viel zu bieten: Es ist spannend, temporeich, spektakulär und findet draußen im Sommer statt. Unabhängig davon, ob und wie stark ich mich nächstes Jahr aus dem aktiven Bereich zurückziehe, will ich mich auf jeden Fall einbringen und den Sport weiter voranbringen. Bei uns in Neidlingen sind viele Kids begeisterte Inline-Alpin-Fahrer, die wir seit Längerem trainieren. Da finde ich es wichtig, dass sie jemanden haben, dem sie nacheifern können und der noch nicht ganz so alt ist."