Manuel Fumic und Tobias Unger ziehen jeweils eine gemischte Olympia-Bilanz
Zwischen Stolz und Enttäuschung

Tag eins nach den Olympischen Spielen: Die beiden Kirchheimer Olympiateilnehmer Manuel Fumic und Tobias Unger ziehen Bilanz und schauen in die (sportliche) Zukunft.

London/Kirchheim. Manuel Fumic gestern: entspannt, relaxed, locker – wenig erinnerte mehr an seine hochkonzentrierte Miene vor dem olympischen Mountainbike-Rennen am Vortag, wo er auf dem anspruchsvollen 34-Kilometer-Kurs Siebter geworden war. Mit Freunden aus Deutschland wollte Fumic am Montag Londoner Sehenswürdigkeiten in Augenschein nehmen – der erholsame Ausklang einer ansonsten harten Olympia-Woche. Heute besteigt er den Flieger zurück in die Heimat, und am Nachmittag kann der gebürtige Kirchheimer in vertrauter Atmosphäre dann die besten Wettbewerbs-Histörchen zum Besten geben.

Nach Athen (Platz acht) und Peking (Platz elf) erarbeitete sich Fumic auf der Hedleigh Farm sein bisher bestes Olympia-Resultat. Zufrieden war er trotzdem nicht. „Die Enttäuschung ist, dass ich keine Medaille geholt habe. Damit habe ich mein Olympia-Ziel klar verfehlt“, wiederholte er gestern am Telefon. Vorzuwerfen hatte sich der 30-Jährige bei der Rennanalyse allerdings wenig: Kämpferisch war seine Leistung auf der Hedleigh Farm vom Feinsten. Dass Fumic nach einem Absteiger in der ersten Rennhälfte die späteren Medaillengewinner Jaroslav Kulhavy (Gold/Tschechien), Nino Schurter (Silber/Schweiz) und Marco Fontana (Bronze/Italien) in den Schlussrunden nicht mehr entscheidend attackieren konnte, lag an seiner furiosen Aufholjagd zwischendurch: Da hatte er zu viel Kraft gelassen. „Normalerweise fährt Manuel Fumic auf einer Augenhöhe mit Fontana, dieses Mal aber hatte der Italiener die etwas bessere Tagesform“, bilanzierte schließlich einer, der es wissen muss: Fachjournalist Erhard Goller aus der Schwarzwald-Gemeinde Feldberg, ein Mitarbeiter dieser Zeitung, reportiert alle wichtigen internationalen Mountainbike-Meetings schon seit 2001 und war einer der 20 000 Rennbeobachter auf der Hedleigh Farm. Goller (49) zum Olympia-Rennen 2012: „Manuel Fumic fuhr fast perfekt, und es gibt nichts, was man ihm vorwerfen kann. Festzustellen bleibt, dass die drei Erstplatzierten an diesem Tag eine Nuance besser waren.

Fumic gehörte im Olympia-Rennen zu den Geschlagenen – zu den Verlierern gehörte er nicht. Und nach Kirchheim kehrt er als stolzer Held zurück: So viele Olympia-Starter gab und gibt es dort nicht.

Einer davon kehrte bereits gestern unter die Teck zurück. Sprinter Tobias Unger landete um kurz vor 17 Uhr mit einem Germanwings-Airbus auf dem Stuttgarter Flughafen, wo ihn seine Eltern abholten. „Klar ist man enttäuscht, aber auch nicht völlig frustriert“, beschrieb der 33-Jährige seine Gefühlslage nach dem Aus mit der 4x100 Meter-Staffel am vergangenen Freitag. Nach dem deutschen Rekord von Weinheim mit der drittbesten Zeit weltweit angereist, hatte sich das DLV-Quartett für London viel ausgerechnet: Der Finaleinzug war das Minimalziel, hinter vorgehaltener Hand galt Deutschland sogar als Medaillenkandidat. Warum‘s nicht klappte, ist für Unger auch Tage später immer noch rätselhaft. „Wir waren alle gut in Form und sind ja auch die schnellste Zeit gelaufen, die je eine deutsche Staffel international abgeliefert hat“, so Unger, „aber so ein hohes Niveau in einem Vorlauf hat‘s auch noch nie gegeben.“ Unger und seinen Kollegen Julian Reus, Alexander Kosenkow und Lukas Jakubczyk fehlten in 38,37 Sekunden genau zwei Zehntelsekunden für den ersehnten Finaleinzug, den stattdessen die Australier (38,17) buchten.

Das Beste gegeben und trotzdem nichts erreicht – den Auftritt der deutschen Männerstaffel auf diese Formel zu reduzieren, mag angesichts des olympischen Mottos („Dabei sein ist alles“) zynisch klingen, spiegelt aber die Gemütslage von Unger&Co wider. „Ich bin schon ein bisschen traurig, weil der Finaleinzug wirklich drin gewesen wäre und wir mit der Zeit von Weinheim Bronze gewonnen hätten“, resümiert Unger, der jedoch im gleichen Atemzug nachschiebt: „Mit hätte, wenn und aber gewinnt man nunmal keine Medaillen.“

Zeit, die Geschehnisse von London in Ruhe zu verarbeiten, hat Unger („Das olympische Dorf war im Vergleich zu Peking überschaubarer“) übrigens in den kommenden Tagen wenig. Ab heute wird im Kirchheimer Stadion wieder trainiert, schließlich ist die Saison für den Profileichtathleten des VfB Stuttgart noch nicht vorbei. Kommenden Montag will er bei einem international besetzten Sportfest im österreichischen Linz starten, am 30. August gehts mit der DLV-Staffel zum Diamond League-Meeting nach Zürich. „Es wäre schade, die Saison jetzt einfach so abzubrechen. Ich will die gute Form noch so lange es geht nutzen“, so Unger, der mit einem Auge auch auf den finalen Studiumstermin schielen muss: Am 11. September steht an der Uni Tübingen die abschließende mündliche Prüfung seines Bachelor-Studiengangs in Sport- und Ernährungswissenschaft an.

Wie es danach weitergeht, ist noch offen: Am 1. November soll Unger eigentlich eine Trainee-Stelle bei seinem Sponsor, der Kreissparkasse, antreten. Ob er tatsächlich die Spikes an den Nagel hängen und künftig in einen Anzug schlüpfen wird? „Wir setzen uns noch mal zusammen und bereden das. Wenn ich noch mal freigestellt werde, würde ich gerne noch ein Jahr dranhängen.“