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Ein Netzwerk aus Liebe, Glaube und Hoffnung

Kirche Bei der Bezirkssynode des Evangelischen Kirchenbezirks Kirchheim ging es um die Zukunft des Pfarrberufs. Er wandelt sich und wird es auch weiterhin tun. Von Peter Dietrich

Pfarrer Dr. Steffen Schramm sieht seinen Beruf im stetigen Wandel und hat für die Zukunft auch schon Ideen parat. Foto: Peter Di
Pfarrer Dr. Steffen Schramm sieht seinen Beruf im stetigen Wandel und hat für die Zukunft auch schon Ideen parat. Foto: Peter Dietrich

Wegen Corona waren mehrere Anläufe nötig, doch nun hat die Expertenanhörung endlich geklappt: Zwei Stunden waren bei der Bezirkssynode des Evangelischen Kirchenbezirks Kirchheim für Pfarrer Dr. Steffen Schramm reserviert. Der Leiter des Instituts für kirchliche Fortbildung der Evangelischen Kirche der Pfalz hat intensiv zum Pfarrberuf und zu Kirchenstrukturen geforscht. Der Kirchenbezirk war durch eine Veröffentlichung im Deutschen Pfarrerblatt auf ihn aufmerksam geworden.

Der Pfarrerberuf habe sich schon immer verändert, betonte Steffen Schramm, denn die alten Modelle funktionieren in veränderten Kontexten nicht mehr. Aber alte Modelle sind zäh und leben zumindest in den Köpfen weiter. Ein Blick zurück: Ab etwa 1890 entstanden durch die Industrialisierung und ein enormes Bevölkerungswachstums Amtsbezirke, sogenannte Parochien, mit 20 000 bis 60 000 Gemeindemitgliedern. Alle gingen zur zentralen Stadtkirche, an der oft mehrere Pfarrer tätig waren. Jeder Besucher konnte sich den Pfarrer aussuchen, dem er am liebsten zuhörte.

Dann wurden die Parochien auf maximal 3000 Mitglieder verkleinert: Es gab fortan mehrere Kirchen in der Stadt, zu jeder gehörte ein Pfarrer. Jede Gemeinde sollte das gesamte Programm für alle Leute anbieten, die Gemeindemitglieder sich nicht nur am Sonntag, sondern auch unter der Woche im Gemeindehaus treffen - zu Chor, Frauenkreis, Kindergruppe und vielem mehr. Dieses neue Konzept war teuer, kam aber nach 1945 zur Blüte: Zum einen strömten zwölf Millionen Flüchtlinge und Vertriebene in den Westen, zum andern stieg durch das „Wirtschaftswunder“ die Kirchensteuer. „Von 1953 bis 1983 hat sie sich verfünfzehnfacht“, sagte Steffen Schramm. Die Zahl der evangelischen Gemeinde­häuser stieg von 3000 auf 8800.

Ab den 1950er-Jahren trennten sich Wohnung und Arbeitsplatz immer mehr, es gab mehr Autos und mehr Freizeit und für viele eine höhere Schulbildung. Mit immer mehr Angeboten versuchten die Kirchen auch außerhalb des Heimatorts spezielle Zielgruppen zu erreichen, von der Kurseelsorge bis zur Binnenschifferseelsorge. Hinzu kamen neue, themenspezifische Arbeitsbereiche wie das Umweltpfarramt. Die Formel in Wachstumszeiten war einfach: Eine neue Aufgabe bedeutete eine neue Stelle.

Das Wachstum ist schon lange vorbei, nun geht es nach unten: Die Kaufkraft der eingehenden Kirchensteuern wird sich laut Steffen Schramms Einschätzung bis 2060 in etwa halbieren. Es gehen viel mehr Pfarrer in den Ruhestand als neue eingestellt werden. Steffen Schramm rät zu einem Perspektivenwechsel. Eine ganz wichtige Frage sei künftig: „Wer ist auf dem gleichen Feld unterwegs, mit wem können wir uns zusammentun? Solche Netzwerke umfassen nicht nur kirchliche Akteure, sondern beispielsweise auch staatliche Religionslehrer. Die Kirchengemeinden könnten nicht mehr alles für alle anbieten, sondern sollten „dort präsent sein, wo Präsenz ein Zeichen setzt“.

Kämpften manche Pfarrer zuvor auf einsamem Posten, werde er künftig Teil eines multiprofessionellen Teams sein, zu dem auch Leute aus Schule, Kindertagesstätte und Sozialstation gehörten. Ziel sei ein „Netzwerk von Glaube, Liebe und Hoffnung“, das mit der Frage antrete: „Was wird denn hier gebraucht, damit Menschen besser leben können?“

Zweimal diskutierten die rund 40 Synodalen in der Martinskirche in Kleingruppen über die Thesen, dann gab es Raum für Rückfragen und Kommentare. „Ich muss nicht alles selber haben“, unterstützte Dekanin Renate Kath die Stoßrichtung des Vortrags. Neulich habe eine Frau geklagt, der Frauenkreis sei nicht mehr lebensfähig. „An ihrem Ort gibt es aber eine lebendige Arbeit der Landfrauen. Ich habe ihr vorgeschlagen, sich doch mit diesen zusammenzutun.“