Unzugeordnete Artikel

Einige greifen selbst zur Schere

Lockdown In Drogeriemärkten in Kirchheim sind Haarscheren Mangelware. Gleichzeitig gibt es in den Friseursalons zahlreiche Anfragen für Schwarzarbeit. Von Heike Siegemund

Profihände, die sich sachkundig am Haar zu schaffen machen - danach sehnen sich nach Wochen des Lockdowns alle.Archivfoto: Andre
Profihände, die sich sachkundig am Haar zu schaffen machen - danach sehnen sich nach Wochen des Lockdowns alle.Archivfoto: Andrea Rothfuß

Seit Mitte Dezember haben die Friseursalons zu - und so mancher Zeitgenosse hat inzwischen eine wilde Matte auf dem Kopf. Viele greifen in ihrer Not kurzerhand selbst zur Schere und versuchen, Ordnung in ihr Haupthaar zu bringen, mit mehr oder weniger Erfolg. Wer jedenfalls dieser Tage bei den Drogeriemärkten in Kirchheim eine Haar- oder Effilierschere ergattern will, muss Glück haben, beispielsweise im Drogeriemarkt Müller an der Marktstraße. „Wir kriegen die Scheren immer wieder rein, aber sie sind dann sehr schnell vergriffen“, sagt die stellvertretende Filialleiterin Angelika Schmidt. Auch Haarschneidemaschinen seien gefragt wie nie.

„Im ersten Lockdown war das schon genauso. Vor Corona habe ich sowas noch nie erlebt“, ergänzt Angelika Schmidt. Einen regelrechten Boom verzeichnen sie und ihre Kolleginnen auch bei den Haarfarben. Hinzu komme, dass vor allem die Kundinnen einen großen Beratungsbedarf haben. „Jede zweite fragt uns, welche Farbe sie nehmen soll.“

„Es ist ein Problem, wenn man vor dem Regal steht und nicht weiß, welche Farbe man ­kaufen soll“, weiß auch Otto ­Dorfschmid vom gleichnamigen ­Friseursalon in Kirchheim. Deshalb bietet er seinen Kunden die passenden Haarfarben an, die bereits in den Karteikarten für sie hinterlegt sind. Auch sämtliche Pflegeprodukte sind erhältlich, die entweder zu den Kunden ausgeliefert oder im Salon abgeholt werden können. „Oder wir verschicken die Produkte, wenn jemand weiter weg wohnt“, ergänzt Dorf­schmid und betont: „Wir sind jederzeit erreichbar, per Telefon oder Mail.“ Auf der Homepage seines Salons könne man online Termine für die Zeit nach dem Lockdown vereinbaren.

In den vergangenen Wochen seien vereinzelt Kunden mit der Frage auf ihn zugekommen, ob er sie nicht zu einer Tasse Kaffee oder einem Glas Wein zu Hause besuchen wolle und nebenbei deren Haare schneiden könne, erzählt Dorfschmid. „Schwarzarbeit geht auf keinen Fall“, lautet in solchen Fällen seine Reaktion. Gleichzeitig ist er „sehr erbost“, wenn er auf der Straße sieht, „wie viele Leute im Lockdown perfekt geschnittene Haare haben - das wurmt einen schon“.

Auch Philipp Hauff vom gleichnamigen Kirchheimer Friseursalon kann ein Lied davon singen, dass die Schwarzarbeit in der Branche derzeit blüht. Er erhält ebenfalls solche Anfragen, weist diese aber entschieden zurück. Angesichts von langen Mähnen, herausgewachsenen Ansätzen und grauen Haaren „drehen viele durch“, weiß Hauff. „Ich selber habe auch schon lange Haare.“ Er will sich solidarisch zeigen und lässt sich deshalb die Haare auch nicht schneiden. Das würde er sich im Übrigen auch von so manchen Politikern wünschen, die im Lockdown perfekt frisierte Haare haben, sagt Hauff.

Auch er bietet seinen Kunden Pflege- und Stylingprodukte an sowie, soweit möglich, Haarfarben. „Mit den Haarfarben ist es nicht immer einfach, weil manchmal drei oder vier Farbtöne zusammengemischt werden. Die Farbe muss man sofort nach dem Mischen verwenden“, erklärt er. Hauff hofft, dass die Friseursalons möglichst bald wieder öffnen dürfen. „Ich finde, es wäre sinnvoller, die Läden aufzumachen unter dem strengen Hygienekonzept, das wir in der Branche von Anfang an hatten.“ Er sei kein Corona-Leugner und gewiss keiner, der den Lockdown nicht einsieht. Aber er kann es nicht verstehen, dass „man uns Kleine schließt und die Großen weiterlaufen lässt, wie bei Daimler am Band oder auf Baustellen mit mehreren hundert Handwerkern ohne Masken“. Es sei ­schade, „dass die Politiker nichts aus dem ersten Lockdown gelernt haben“. Für manche seiner Kollegen in der Branche sieht Hauff „zappen­duster“.

Frustriert zeigt sich auch Andrea Schraml vom „Haarstudio 66“ in Owen: „Wir werden einfach so im Regen stehen gelassen - das ist echt hart.“ Sie weiß bereits von Kollegen, die ihren Friseur­salon aufgeben mussten. Finanzielle Hilfen habe sie im zweiten Lockdown noch nicht beantragen können, „weil die Anträge noch nicht online sind“. Der Fachverband für Friseure und Kosmetik kämpfe dafür, dass die Gelder endlich fließen - dies gibt ihr etwas Mut.

Sie selbst bietet ihren Kunden im Lockdown ebenfalls Pflegeprodukte und Haarfarben an; doch die Nachfrage sei gering. „Die Leute holen sich die Produkte in der Drogerie.“ Anfragen für Hausbesuche gebe es immer wieder, „aber ich habe noch nie schwarzgearbeitet - das wäre mir viel zu riskant“, betont Andrea Schraml. Auch sie hofft „schwer“ auf ein baldiges Ende des Lockdowns. „Wir haben so viele Auflagen. Ich habe in den vergangenen Monaten alles ordentlich umgesetzt und es ist nie etwas passiert.“ Bis dahin allerdings „müssen wir schauen, wie wir uns weiter durchkämpfen“.