Kirchheim. Der Gaiserplatz spaltet die Kirchheimer. Für die einen ist der Platz hinter dem geschlossenen Kiosk ein „Schandfleck“, der dringend aufpoliert werden müsste. Für eine Gruppe von Menschen, die dort fast täglich zusammensitzt, ist dieser Ort Wohnzimmer, sozialer Treffpunkt und Rückzugsort in einem. „Für sie ist der Platz ein Stück Heimat“, sagt Ingrid Riedl, Leiterin des Kreisdiakonieverbands, über die Freunde vom Gaiserplatz.
Die Biografien der etwa 25 Menschen, die sich in wechselnder Besetzung hinter dem Kiosk treffen, ähneln sich stark. Die meisten haben ein Suchtproblem. Bierflaschen gehören ebenso zum Bild wie die alten Holzstühle, auf denen die Freunde sitzen. Wohnsitzlos ist keiner, auch wenn manche in städtischen Obdachlosenunterkünften leben. Einige arbeiten, andere sind Rentner, viele leben von Arbeitslosengeld II. Familie haben die allermeisten nicht – oder nicht mehr. „Bei allen gab es irgendwann einen Knick in der Biografie: Trennung, Scheidung, Arbeitsplatzverlust“, sagt Ingrid Riedl. Ab diesem Moment kannte der Lebensweg nur noch eine Richtung: abwärts. Die Freunde vom Gaiserplatz fangen sich gegenseitig auf, im Rahmen ihrer Möglichkeiten. „Hier treffen sich Gleichgesinnte, die sich ihre Lebensgeschichten erzählen“, sagt Ingrid Riedl. Bei gutem Wetter werden Spiele ausgepackt. Einer der Freunde bringt regelmäßig seinen Hund mit.
Christuskirchengemeinde und Kreisdiakonieverband wollen, dass diese Menschen einen Platz in Kirchheim haben. Gemeinsam mit der Stadt Kirchheim haben sie das Ziel, in einem ersten Schritt die Toiletten auf dem Gaiserplatz wieder zu öffnen. Die Stadt, der die Gebäude gehören, hat sich bereit erklärt, für die Reinigung zu sorgen. Für den Betrieb der Toiletten sind die Freunde verantwortlich. „Zwei Verantwortliche bekommen einen Schlüssel und sehen regelmäßig nach dem Rechten“, sagt Pfarrer Christoph Schweikle, der die Freunde vom Gaiserplatz immer wieder besucht. Die Idee, die Toilette zu öffnen, und dann auch noch in Selbstverwaltung, sei bei ihnen zuerst auf große Skepsis gestoßen, nach dem Motto: „Das schaffen wir nie!“ Mittlerweile seien sie von der Idee überzeugt. „Vor allem für die Frauen, die ja im Winter nicht einfach in die Büsche können, und für die Auswärtigen wollen sie die Toilette haben“, sagt Schweikle.
Als nächsten Schritt wollen die Projektpartner den Kiosk, der schon länger leer steht, als Wärmestube öffnen, damit die Freunde auch im Winter nicht auf ihren Treffpunkt verzichten müssen. Hier kommen die Gelder der Teckboten-Weihnachtsaktion ins Spiel. Elektroinstallation, Heizung und Fenster müssen erneuert werden. Außerdem soll ein Mitarbeiter eingestellt werden, der das Projekt stundenweise betreut.
Wie die Stube am Ende aussehen soll, wissen die Verantwortlichen noch nicht – und das ist in ihren Augen auch gut so. „Wir wollen den Menschen nicht ein Projekt überstülpen. Das soll ihr Raum sein, wir wollen niemanden verdrängen“, sagt Eberhard Haußmann, Leiter des Kreisdiakonieverbands. Ziel ist, dass die Freunde Verantwortung für den Raum übernehmen, in welcher Form auch immer. Einige, die von Beruf Handwerker sind, haben schon ihre Mithilfe angeboten. Klar ist für Pfarrer Schweikle jetzt schon, dass der Erfolg sich nicht von heute auf morgen einstellen wird. „Man muss gießen und düngen und warten, bis es wächst“, sagt er.