REISEBERICHT MYANMAR


  • Leserreisen
  • Reiseberichte
Myanmar, Shwezigon-Pagode
Myanmar, Reisegruppe
Myanmar, Markt
Myanmar, Tor Pariyatti Sasana
Myanmar, Geschäft
Myanmar, Holzküstler
Myanmar, Tonkrug Herstellung
Fotos: Günter Tannenberger

Myanmar

Myanmar hat sich in den letzten Jahren zu einem begehrten Reiseziel entwickelt und es verändert sich mehr und mehr.  Hier lebt man wirklich in einer Welt, in der Ochsenkarren ebenso zum Alltag gehört, wie das neue iphone. Noch möglichst viel von der Ursprünglichkeit und Tradition des Landes zu  erleben, war das Ziel der jüngsten Leserreise des Teckboten.  Wer das Land bereist, ist vor allem von der Freundlichkeit der Menschen fasziniert und sofort eingenommen. Nicht anders erging es auch unseren Lesern, die immer wieder von der natürlichen Freundlichkeit beindruckt waren.

Üblicherweise wird Myanmar als das „goldene Land“ oder „das Land der Tempel und Pagoden“ bezeichnet, denn von den religiösen Bauwerken gibt es abertausende in allen Größen verstreut im ganzen Land. Sie zeugen von der tiefen religiösen Einstellung und Ehrfurcht der Menschen. Das Land am Golf von Bengalen, das an Thailand, Laos, China und Indien grenzt, war aufgrund der politischen Entwicklung lange Jahre völlig isoliert, Fremde waren sogar unerwünscht. Nach der ersten vorsichtigen Öffnung  kurz vor der Jahrtausendwende mieden Fremde wegen den brutalen Menschenrechtsverletzungen des herrschenden  Militärregimes das Land. Das einzig positive Ergebnis dieser langen Isolation ist, dass jahrhundertealte Traditionen und Bräuche  bewahrt wurden. Gerade diese Ursprünglichkeit ist neben den  prachtvollen Pagoden und Tempeln der größte Schatz des Landes.

Das Land hat aber mehr zu bieten als nur religiöse Stätten. Doppelt so groß wie Deutschland und mit einer erheblichen Nord-Südausdehnung, bietet das Land vom schneebedeckten Fünftausender und rauen Gebirgslandschaften an den Hängen des Himalayas, über fruchtbare Mittelgebirge, immergrüne Regenwälder und subtropische Monsunwäldern bis hin zu sonnigen Stränden im Süden des Landes, ein gewaltiges Spektrum an Vegetationsformen. Genauso vielfältig wie die Landschaft sind die 130 Volksgruppen, von denen jede eine eigene Tradition pflegt und die sich in ihrem Erscheinungsbild und Lebensstil sehr unterscheiden.

Die vielen religiösen Monumente zeugen von einer tiefen religiösen Einstellung, die dem Buddhismus eigen ist. In aller Herrgottsfrühe, wandeln kahlgeschorene Mönche barfuß, schweigend und demütig durch die Straßen, um Spenden an Lebensmitteln und  Geld einzusammeln. Es ist  eine Verpflichtung für jeden Gläubigen, durch diese Spenden sein eigenes Karma zu verbessern. Eltern sind stolz und es ist eine große Ehre für sie, wenn sich Jungen, oder auch Mädchen, für ein Leben im Kloster entscheiden, auch wenn es für viele nur für einen begrenzten Zeitraum ist. Vier von fünf Burmesen sind Buddhisten und für sie gilt die einfache  Grundregel: „Gutes tun und Schlechtes lassen“.

Nach über 100 Jahren unter britischer Kontrolle  und anschließender Besetzung durch die Japaner,  wird  das damalige Birma erst 1948 selbständig. Doch das Land ist ohne politische Stabilität, da es keiner der damaligen Regierungen gelang,  den Vielvölkerstaat friedlich zu regieren.  Obwohl  die Minderheiten autonome Rechte erhielten, griffen immer mehr zu den Waffen, um ihren eigenen Staat zu gründen. Dies brachte die noch junge Demokratie zu Fall und führte letztendlich 1962 zum Militärputsch. Fortan wurde der „Weg des burmesischen Sozialismus“ propagiert, der zu Misswirtschaft, Verelendung und katastrophalen Lebensverhältnissen führte, die in einer brutalen Unterdrückung der Bevölkerung mündete. In den Folgejahren gibt es mehr und mehr regimefeindliche Demonstrationen, abertausende Burmesen werden verfolgt, ermordet oder verschleppt und die  Militärregierung  bestimmt, dass das Land ab 1989 Myanmar genannt werden soll.  1990 lässt die Junta Wahlen zur Nationalversammlung abhalten, die von den Demokratieanhängern  erdrutschartig gewonnen werden. Doch das Militär verweigert die Machtübergabe und Aung San Suu Kyi wird unter Hausarrest gestellt. Auch die Wahlen zwanzig Jahr später ändern nichts an den Machtverhältnissen. Völlig überraschend leitet der vom Militär gestützte Präsident eine Politik der Öffnung mit vorsichtigen Reformen ein. Die Zensur wurde aufgehoben, politische Gefangene werden  freigelassen, der Kampf gegen die Minderheiten findet ein Ende und nach 20 Jahren wird der Hausarrest Aung San Suu Kyis aufgehoben. Alle Hoffnungen des Landes ruhen auf der vierundsiebzigjährigen Nobelpreisträgerin. Sie ist hoch verehrt und wird von allen nur ehrfurchtsvoll  „Die Lady“ genannt. Nur Ihr traut man zu, das Land in eine friedliche Zukunft zu führen, auch wenn das Militär noch nicht ganz ohne Einfluss ist.

Das Land erkundet haben die Teckboten-Leser nicht nur in einem landestypischen Reisebus, sondern auch mit unterschiedlichsten Booten, einem antiquierten Zug, diversen Pferdekutschen und sogar einen Tag lang mit einem Kreuzfahrtschiff auf dem träge dahinfließenden „Elefantenfluss“ Ayeyarwady, der die Lebensader des Landes ist. Selbst ein Inlandsflug war notwendig, um eine größere Distanz zu überbücken. Etwas ungewohnt dabei war, dass man zu Fuß zum Flieger gehen musste und im Flugzeug eine freie Platzwahl hatte. Apropos zu Fuß: täglich wurden natürlich auch längere Wege zu Fuß zurückgelegt  und hier der größte Teil noch dazu barfuß,  denn Tempel, Pagoden und heilige Statten dürfen nur barfuß betreten werden.

Unzählige Tempel und die Mauern des ehemaligen Königspalastes sind bleibende Erinnerungen an Mandalays Zeit als Hauptstadt der letzten birmanischen Könige, die nur 30 Jahre hier residierten. Von der einstigen Bedeutung und vom Zauber der ehemaligen Residenzstadt ist leider nicht viel übrig geblieben. In der Umgebung der zweitgrößten Stadt des Landes sind zahllose Klöster und Tempel und viele kleine Handwerksbetrieben zu finden und gilt damit als das Herz der birmanischen Kultur. In der Mahamuni-Pagode, dem bedeutendsten Heiligtum Mandalys, wird der Mahamumi Buddha verehrt, dem allmorgendlich von den  Mönchen sogar die Zähne geputzt werden. Er trägt auf dem Kopf mehr Juwelen als jedes andere gekrönte Haupt der Erde und sein massiger Körper ist bis zur Unförmigkeit von Blattgold bedeckt, das ihm von den Gläubigen Tag für Tag auf den Bauch geklebt wird.

Nahe Mandalay liegt Amarapura, das bedeutende Zentrum der Webstühle und Baumwollproduktion.  Weit wichtiger für Besucher ist allerdings das Mahaganhayon-Kloster, in dem heute noch über 1000 Mönche wohnen, sowie die längste Teakholzbrücke der Welt, die aus ehemaligen Resten der Residenzen aus der Gegend gebaut wurde. Neben Scharen von Touristen kommen abends auch viele Einheimische an die Brücke, die sie als Ziel für Familienausflügen bei besonderen Anlässen auswählen.

In einer beispiellosen Bauwut wurden in Bagan vom 11. bis zum 13. Jahrhundert unzählige Klöster und Pagoden errichtet, von denen heute nur noch etwa  3000 erhalten geblieben sind. Die gemauerten Monumente, stehen in einer kargen, weiten Ebene, auf der  Ziegen und Rinderherden weiden. Sie gelten als die größte Touristenattraktion des Landes und sind die bedeutendsten Zeugnisse birmanischer Kultur, die sich wegen der riesigen Ausdehnung am einfachsten mit der Pferdekutsche erkunden lassen.

Der 22 Kilometer lange Inle-See mit seinen 17 Dörfern hat sich zu einem Besuchermagnet erster Güte entwickelt. Deshalb sind in den letzten Jahren unzählige Resorts und Wellness-Hotels an seinen Ufern entstanden. Sie wirken neben den ärmlichen Pfahlbauten der Einheimischen etwas fremdartig, aber  sie schaffen Arbeitsplätze. Die Menschen leben hier überwiegend vom Fischfang, vom Handwerk und vom Handel auf Märkten, wo sie Gemüse und Früchte verkaufen, die sie auf ihren schwimmenden Feldern im  See angebaut haben. Die schwimmenden Gärten bestehen aus einer sehr fruchtbare festen Masse aus Sumpf, Erde und Wasserhyazinthen, die mittels Bambuspfählen am Seeboden befestigt sind. Auf dem See und in den schmalen Kanälen in den Orten und zwischen den Feldern benutzt man schmale Kanus. Einmalig ist die Art der Fortbewegung, denn es wird ausschließlich mit dem Bein gerudert, indem das Ruder mit dem Bein irgendwie eingeklemmt wird. Touristen allerdings werden inzwischen mit knatterndem Außenbordmotor recht schnell über den See und durch die malerischen Kanäle transportiert, so dass mancher Einbeinruderer Schwierigkeiten hat, das Gleichgewicht zu halten.

Die ehemalige Hauptstadt des Landes, Yangon, war das letzte Ziel der Rundreise. Die  Fünfmillionenmetropole unterscheidet sich deutlich vom Rest des Landes. Hier ist überall die „Zukunft“ des Landes zu sehen. Zwischen den vornehmen englischen Kolonialbauten, Kirchen, Pagoden, Hindutempeln und Moscheen dominieren immer mehr Shopping-Malls, Hotels und Hochhäuser. Die Verkehrsstaus sind  inzwischen nicht mehr aus dem Alltagsleben dieser Stadt wegzudenken. Mitten im Häusergewirr - und zurzeit noch alles überragend - ist die Shwedagon-Pagode, das Nationalheiligtum des Landes,  und das Wahrzeichen der Stadt. Auf dem Stupa soll angeblich mehr Gold liegen, als in der Bank von England. Sie ragt mit Gold und Edelsteinen besetzt über 100 Meter hoch in den Himmel. Am Abend treffen sich hier Einheimische, Alte wie Junge, zünden Räucherstäbchen an und beten, während sie ihre Opfergaben darbringen.  Es stört sich niemand daran, dass seit Kurzem ein kostenloser Wi-Fi-Anschluss für Smartphones und ein Geldautomat inmitten des Heiligtums den Gläubigen zur Verfügung steht.  Alte Religion trifft auf Neuzeit.

Während in den großen Städten Verkehrsstau, Hotelpaläste und Shoppingmalls immer alltäglicher werden, glaubt man sich auf dem Land hundert Jahre zurückversetzt.  Einfache Bambushütten sind auf dem Land normal und mit etwas Glück kann man sich einige Hühner oder ein Schwein leisten und Gemüse rund um die Hütte anbauen. Ochsengespanne bei der Feldarbeit sind ebenso normal wie Wäsche waschen, Zähneputzen und Baden im Fluss. Elend hat man nirgends gesehen, Armut häufig, denn der Verdienst der meisten Burmesen liegt kaum über 200 Dollar im Monat. Neben der Landwirtschaft sind die traditionellen Handwerkskünste der wichtigste Wirtschafszweig. Mit vorindustriellen Arbeitsgeräten werden großflächige Holzschnitzereien, Stoffwebereinen, Blattgold, Papier und Lackwaren hergestellt. Nirgends entstehen so viele neue Arbeitsplätze wie im Tourismusbereich. Von den Mitarbeitern in den Hotels bis hin zu dem Pferdekutscher, der Touristen durch Bagan fährt, profitieren sehr viele Menschen von diesem Boom. Zwar gehören fast alle großen Hotels ausländischen Gesellschaften und die Gewinne gehen ins Ausland, doch die entstandenen Arbeitsplätze sind ein Segen für das Land. 

Traditionell tragen alle Frauen in Myanmar einen sehr farbenfrohen Longyi, einen traditionellen Wickelrock, der entweder aus Baumwolle oder für festliche Anlässe aus Seide ist. Aber auch Männer tragen fast ausschließlich diesen ca. 2Meter langen Wickelrock, der allerdings dann nicht so farbenfroh ist und der vor dem Bauch sicher verknotet wird. Mit Wickelrock, weißem Hemd oder T-Shirt und Flip-Flops sind auch Männer überall und jederzeit passend gekleidet. Selbst auf den hohen Baugerüsten aus Bambus turnen die Arbeiter im Wickelrock und Flip-Flops umher und erledigen ihre Arbeit. Selbst junge Burmesen  tragen den Wickelrock ganz selbstverständlich, wobei sich, besonders in großen Städten, auch immer mehr die modische Jeans durchsetzt.

Der Ansturm auf Mopedhändler ist inzwischen enorm und ein Auto natürlich der Traum jedes Burmesen, obwohl die Straßen überhaupt nicht für den Massenverkehr geplant und geeignet sind. Internet-Zugang, Mobiltelefone  und TV-Geräte stehen ganz oben auf der Begehrlichkeitsliste, seit das Elektrizitätsnetz nicht mehrmals am Tage zusammenbricht. Unschöne Begleiterscheinung ist der allseits präsente Müll, für den niemand verantwortlich scheint.  Sicherlich wird in den nächsten Jahren viel von dem davon verloren gehen, was für die Besucher heute den besonderen Reiz und die Liebenswürdigkeit dieses Landes ausmacht.

Auf der einen Seite das „luxuriöse“ Leben der Besucher in den 5-Sterne-Hotels mit all ihren hohen Ansprüchen,  auf der anderen Seite das sehr einfache Leben der Burmesen in den Bambushütten. Dieser sehr große Unterschied im Lebensstandard ist nicht ganz unproblematisch, weckt er doch Begehrlichkeiten und schafft Unzufriedenheit mit der eigenen Lebenssituation.

Es war ein faszinierender Aufenthalt in einem Land, der bleibende Eindrücke hinterlassen hat. Niemand ist von der ganz besonderen Liebenswürdigkeit der Menschen unberührt geblieben, besonders dann, wenn die eine oder andere Unzulänglichkeit durch Freundlichkeit und Geduld kompensiert wurde.  Auch wenn sich das Land schon nachhaltig und stetig verändert hat, wirken die Menschen noch unverdorben, nie hektisch, nie aggressiv und ein „Mingalaba“  als Begrüßung zaubert immer ein Lächeln auf das Gesicht des Gegenübers. Mingalaba bedeutet „Möge Segen über dich kommen“ und genau das wünscht wohl jeder Besucher dem Land und den Menschen, die in den letzten Jahren so viel Leid ertragen mussten und die jetzt eine große Chance auf eine friedliche und freie Zukunft haben.

 

Text Günter Tannenberger