Kirchheim

Alle wollen Familien

Kirchheimern graut vor neuen Containerdörfern mit über 100 jungen Männern

Der Kreis muss neue Flächen für die Unterbringung von Flüchtlingen mieten. Die Stadt will bei der Planung aber ein entscheidendes Wörtchen mitreden.

An der Tannenbergstraße direkt vor der Unterführung bei der Umgehungsstraße befindet sich die Fläche, die der Landkreis von der
An der Tannenbergstraße direkt vor der Unterführung bei der Umgehungsstraße befindet sich die Fläche, die der Landkreis von der Stadt mieten möchte, um Flüchtlinge unterzubringen.Foto: Jean-Luc Jacques

Kirchheim. Der Landkreis braucht Ersatz für die Kreissporthalle. Sie hat in Hoch-Zeiten 270 Flüchtlinge gefasst und soll im November wieder geräumt werden. Auch der Mietvertrag mit der Fläche in der Dettinger Straße läuft aus. Darauf sind im Containerdorf über 100 Flüchtlinge untergebracht. Weiter Bestand hat das Heim in der Charlottenstraße, das größte Kirchheims.

Für die Plätze, die nun wegfallen, muss Ersatz gesucht werden. Zwar gibt es keine genauen Zahlen, doch wird mit weiterem Zuzug gerechnet. Oberbürgermeisterin Angelika Matt-Heidecker präsentierte dem Kirchheimer Verwaltungsausschuss zwei Areale zur Vermietung an den Kreis: Zur Diskussion stehen eine Fläche am Güterbahnhof und eine an der Tannenbergstraße unweit der Kirche Maria Königin. Ein drittes Areal am Oberen Wasen in Nabern für maximal 92 Menschen hatte der Ortschaftsrat tags zuvor abgelehnt.

„Wir haben die Verpflichtung, mit dem Landkreis entsprechende Vereinbarungen zu treffen“, machte die Stadtchefin klar. Was die Kirchheimer Räte gar nicht erfreute, sind die Mietkonditionen. Die weichen nämlich deutlich von den Mieten für Flächen aus Privatbesitz ab. 10 000 Euro, so die Auskunft der Verwaltung, zahlt der Kreis an Pacht pro Jahr und Fläche. Zwar weisen die Areale unterschiedlichen Wert auf, doch im Landratsamt habe man mit Gleichbehandlung argumentiert.

„Das ist ein Nasenwasser“, ärgerte sich CDU-Fraktionsführer Dr. Thilo Rose, der auch im Kreistag sitzt, und regte an, wenigstens das Recht auf Mitbestimmung über die Auswahl der Flüchtlinge einzufordern. Matt-Heidecker verwies auf die Tatsache, dass nun mal nur 30 Prozent der Flüchtlinge Familien seien, dagegen 70 Prozent überwiegend junge, alleinstehende Männer: „Wir können uns die Menschen nicht aussuchen!“ Dr. Jürgen Berghold von den Grünen wehrte sich generell gegen die Einteilung in „gute und schlechte“ Flüchtlinge.

Durchsetzen konnte sich im Rund das Ideal der dezentralen Unterbringung, das die Stadt Kirchheim auch in der Anschlussunterbringung bleibender Flüchtlinge verfolgt. „Warum soll dieses Konzept nicht auch für die Erstunterbringung greifen?“, fragte Ralf Gerber von den Freien Wählern und kündigte an, keinesfalls einem Containerdorf für 150 Menschen seinen Segen zu erteilen.

Marianne Gmelin, Stadt- und Kreisrätin der SPD und engagiert im AK Asyl, regte an, in Verhandlungen mit dem Kreis auf niedrige Bewohnerzahlen und die Einhaltung des Flüchtlingsaufnahmegesetzes zu pochen, wonach jedem Flüchtling sieben Quadratmeter zustünden – mehr als in der Realität oft der Fall ist. Nur bei Erfüllung dieser Bedingung solle die Stadt verpachten. Gleichzeitig solle auf mehr Gemeinschaftsräume gedrängt werden. Negativbeispiel ist das enge Containerdorf in der Dettinger Straße, wo sich Ehrenamtliche nicht mit Flüchtlingen in Ruhe treffen können. Die Gespräche mit dem Kreis müssten über einen Appell hinausgehen, forderte Dr. Silvia Oberhauser, Vorsitzende der Frauenliste, und sagte: „144 Menschen in der Tannenbergstraße, das ist Wahnsinn!“

SPD-Stadtrat und Landtagsabgeordneter Andreas Kenner berief sich ebenfalls auf den „Kirchheimer Weg“, also das Bekenntnis zur dezentralen Unterbringung. 150 junge Männer ohne Arbeit auf engem Raum, das diene keinesfalls der Integration, meinte er. Im Gegenzug machte er klar: Wer dezentrale Unterbringung wolle, habe nun mal auch zwangsläufig Flüchtlinge in seiner Nähe.

„Wenn wir diesen Gerechtigkeitsgedanken weiterverfolgen, bedeutet das in der Tannenbergstraße eine Begrenzung auf zwei Gebäude“, überlegte Matt-Heidecker. Gleichzeitig sprach sie die Befürchtung aus, ein Fass aufzumachen, denn schließlich brauche die Stadt dann noch mehr Flächen, um die geforderten Plätze sicherzustellen. Dennoch gehe sie optimistisch in Verhandlungen mit dem Kreis, da sich der tatsächliche Bedarf an Plätzen seit der Planung geändert haben könnte.

Auch in der Kirchheimer Bevölkerung haben die Mietwünsche des Kreises schon für Gesprächsstoff gesorgt. So gingen in den vergangenen Wochen Mails an die Verwaltungsspitze und die Fraktionen. Für die Tannenbergstraße wird dabei die unmittelbare Nähe zu einem Kinderspielplatz, einem Kindergarten, einem Alten- und Pflegeheim sowie einem stark frequentierten Schulweg problematisiert. Außerdem wird auch hier der Hinweis formuliert, die Belegung mit Familien könne die Akzeptanz bei den Bewohnern des Quartiers erhöhen.