Kirchheim

Allein aus Gnade

Theater Das Jesinger Freilichtspielteam brachte mit einem heiter-besinnlichen Drama den rund 900 Zuschauern auf den Stufen der Petruskirche das Wirken von Martin Luther und dessen Erbe nahe. Von Rainer Stephan

Vor allem liebevolle Details im Bühnenbild überzeugten. Foto: Karl Stolz
Vor allem liebevolle Details im Bühnenbild überzeugten. Foto: Karl Stolz

Zum Reformationsjubiläum haben die Jesinger Laientheaterspieler mit dem Stück „Luther“ bereits ihre sechste Aufführung auf der idealen Freiluftbühne präsentiert. Unter dem Dach der Evangelischen Kirchengemeinde Jesingen hatte es sich eine 25-köpfige Schar aus Darstellern und Helfern zur Aufgabe gemacht, biblische Geschichten und religiöse Geschehnisse mit einem Schuss Humor den Zuschauern nahezubringen.

Als Rapper leitete Pfarrer Roland Conzelmann zu Anfang in eine Szene über, bei der sich Ankläger und Angeklagte quasi vor Gericht gegenüberstanden: Hier die vermeintlich Erfolgreichen mit den modernen Statussymbolen, dort der Loser und mausgraue Alltagsmensch, der für Armut, körperliche Unvollkommenheit sowie Pleiten, Pech und Pannen steht. Sinnbildlich wurde all das Positive und Negative in eine Waagschale gelegt.

Luthers Lebensgeschichte gab den szenischen Handlungsablauf auf der Stufenbühne vor. Die mittelalterliche Welt von Erfurt, Wittenberg, Rom, Worms und die Wartburg waren die Orte seines Wirkens. Das anfängliche Jurastudium mit studentischer Alltagswelt fand genauso Erwähnung wie die gewitterbedingte Entscheidung für sein künftiges Dasein als Mönch.

Selbstverständlich trat auch Johann Tetzel auf den Plan, der geniale Angstmacher und Geldeinsammler, ausgestattet mit päpstlicher Vollmacht. Der Auftritt des Ablasspredigers endete mit dem Credo in Versform: „Wenn das Geld im Kasten klingt, die Seele aus dem Feuer in den Himmel springt“. Immer wieder wurde mit Running Gags das Spielgeschehen aufgemischt - wie beim lautstarken Niesen während des Rechtsprofessors Vortrag zum Nießbrauch; oder mit dem Trinkspruch „Es blüht die Wurst nur kurze Zeit, die Freundschaft blüht in Ewigkeit“.

Liebevolle Details

Auch liebevolle Details beim wechselnden Bühnenbild überzeugten. So schlug der Blitz laut ein und der stürzende Baum fiel nur knapp am künftigen Mönch Martin vorbei. Und gar köstlich anzusehen war der Papst mit Donald-Trump-Perücke auf seinem Stuhl.

Ein erfreulich klares Bild vom Handeln des Reformators zeichneten die Autoren - sowohl beim Anschlag der 95 Thesen an die Tür der Schlosskirche zu Wittenberg als auch bei der Vorladung zum Reichstag in Worms: Entschlossen und in klassischer Hier-stehe-ich-Manier. Luthers Beschützer, der weise Kurfürst Friedrich, sowie der Mitstreiter Philipp Melanchthon wurden ebenso positiv ins Bühnenwerk eingebaut.

Zweifelnder Luther

Immer wieder zeigte sich ein zweifelnder und fragender Luther, der, zuweilen in Monologen, nach Gottes Plan suchte, um schlussendlich Gewissheit im Glauben darüber zu erlangen, dass nicht mit irdischen Werken, sondern allein aus Gnade, eben „sola gratia“, einem Gottes Liebe zufällt. Diese Botschaft wurde von ihm final mit einem Hammerschlag auf dem Amboss postuliert: „Du bist frei!“

Sehr viel Aufwand betrieben die Veranstalter bei der Gästebewirtung, ebenso bei der Ton- und Lichttechnik. Das Zusammenspiel der kostümierten Mannschaft und die Spiellust waren allent­halben gut sicht- und hörbar. Andreas Schulz alias Martin Luther wirkte authentisch und verlieh dem Reformator eine gute Aura. Mit reichlich Applaus lohnten zufriedene Gäste die Truppe, die mit ihrem Stück den reformatorischen Durchbruch deutlich machen konnte.