Junge Zeitung

Alles auf Anfang

Seit ein paar Monaten ist in das Kirchheimer Stadtkino wieder Leben eingekehrt. Vanessa Frenz hat für euch herausgefunden, warum das Gebäude so lange im Dornröschenschlaf lag und was der neue Besitzer damit vorhat.

Stadtkinonutzung mit Michael Holz - Stadtkino
Stadtkinonutzung mit Michael Holz - Stadtkino

Sonderbare Gestalten schwärmen um das Stadtkino. Blitzlichtgewitter taucht den Eingangsbereich in rotes Licht. Es ist Halloween 2011, und die Fangemeinde der „Rocky Horror Picture Show“ wartet schon bunt verkleidet auf die Vorführung. Dann geht’s los: Die Zuschauer untermalen den Kultfilm mit Tröten, Tanzen, Mitsingen, Zwischenrufen, Wasserspitzpistolen und dem Werfen von Reis, Toast, Konfetti und Klopapier. Das Highlight des Abends: Der neue Kinobetreiber Michael Holz  brettert zu „Hot Pattotie“ auf seinem Motorrad durch den Kinosaal. In Verbindung mit der anschließenden Party im Kinosaal ein mehr als gelungenes Event!

Es ist also wieder da, und das mit Saus und Braus: unser Stadtkino. Aber das Kino hat sich schon so einige Male, und das auf nicht ganz so unterhaltsame Weise, durch den Time Warp gedreht. Geschlossen, offen, geschlossen, offen - was war denn da los? Und wie geht’s jetzt weiter?

Im September 2002 nimmt sich Alfred Speiser, der damalige Betreiber des Nürtinger Traumpalasts, dem maroden und technisch veralteten Stadtkino an. Er lässt es renovieren und eröffnet es mit Hightech, Leuchtreklamen und Plüschsitzen im Stil der 50er-Jahre. Leider bleiben die Zuschauer aus. Drei Jahre später muss der Betreiber Insolvenz anmelden.

Doch das Tief hält nur kurz an. Schon ein Jahr später startet Speiser einen weiteren Versuch mit neuen Partnern und frischen Ideen. Er will das Stadtkino zum neuen Treffpunk Kirchheims machen, fügt ihm ein neues Foyer und eine Cocktail-Lounge hinzu. Doch hat das ganze Unternehmen Chancen auf Erfolg? Schon damals gestand Speiser dem Teckboten: „Ich muss schon a bisserl spinnen.“ Die Blockbuster bleiben aus, doch diesmal hofft Alfred Speiser noch immer auf einen Kassenhit, meldet keine Insolvenz an. Das erweist sich im Nachhinein als Fehler. 2009 wird der Kinobetreiber aus diesem Grund zu einer Geldstrafe verurteilt, das Kino hatte er schon 2007 schließen müssen.

Vier Jahre später sind Süßigkeiten und Getränke immer noch an Ort und Stelle, überzogen mit einer dicken Staubschicht. Das Haus läuft Gefahr, wegen der fehlenden Pflege ernste Schäden davonzutragen. Jemand muss sich um das halb verfallene Gebäude kümmern, denn abreißen kann man es nicht.

Als die Kirchheimer Fußgängerzone erweitert wird, sieht Michael Holz, der Besitzer des Bären, des Freibadkiosks und der Eis-Pra, eine Chance. Er erklärt sich bereit, sich für acht Jahre dem Kino anzunehmen, renoviert es für 100000 Euro. Das Stadtkino soll nun viele Funktionen haben: Kino, Veranstaltungssaal, Eiscafé. Der Besitzer ist überzeugt: Ein Kino allein kann sich in Kirchheim kaum halten. Was im Stadtkino gezeigt werden soll sind klassische Kino-Kult-Erlebnisse, eben wie die Rocky Horror Picture Show. Den Film zum Event machen, das ist das Konzept. Begrüßung, Party, viel Drumherum. Michael Holz träumt schon vom Tatortschauen mit den Schauspielern.

Viele Veranstaltungsplakate zieren die Säulen des Stadtkinos, die nur einen kleinen Vorgeschmack auf das geben, was da noch kommen soll: Modenschauen, Friseurwettbewerbe, Diavorträge, Kabarett, Fotoshootings, Konzerte, Theater, Podiumsdiskussionen, Infoveranstaltungen, Weihnachtsfeiern, EM-Übertragungen. 2012 sind schon die Trickfilm/Kurzfilmmesse und eine Filmreihe über Behinderungen angemeldet. Eine Lesung vom Sams gab es dieses Jahr bereits, in Kooperation mit der Buchhandlung Zimmermann. Solche Kooperationen schweben dem Betreiber auch mit der Bastion, der Milchbar und dem Sommernachtskino vor. Er ist sich sicher: Das Stadtkino ist perfekt für alle Veranstaltungen, die zu groß für die Bastion, aber zu klein für die Stadthalle sind. Denn der Ort bietet durch die Empore, die bequemen Sitze, die Bühne und die Möglichkeit, zu verdunkeln, viele interessante Möglichkeiten.

Vor der kommenden Kino-Konkurrenz auf dem Ficker-Areal hat Michael Holz keine Angst -im Gegenteil. Er freut sich, weil er meint, dass das geplante Projekt eine Bereicherung für Kirchheim ist. „Für Kinder und Jugendliche gibt es in Kirchheim zu wenig“, sagt er und fügt hinzu, dass Feedback und Ideen von Jugendlichen fürs Stadtkino immer gerne gesehen sind. Auf der Website des Kinos (www.stadtkino.tv) können sie gerne Kontakt zum Betreiber aufnehmen und Anregungen bringen.

Manche von uns erinnern sich noch dunkel daran, im Stadtkino mal einen Film gesehen zu haben. Vor langer, langer Zeit. Aber jetzt ist wieder Leben in das fast vergessene Haus eingekehrt, mit neuen Ideen, neuen Plänen. Wir sind gespannt, was dieses Mal daraus wird.

 

Foto: Jörg Bächle