Kirchheim

Am Anfang steht der „Storyteller“

Buchmarkt Pierre Jarawans Debütroman wird gerade in die vierte Fremdsprache übersetzt. Im April und im Mai tourt der Autor durch Nordamerika. Von Andreas Volz

Pierre Jarawan mit seinem Debütroman „Am Ende bleiben die Zedern“.Foto: Markus Brändli
Pierre Jarawan mit seinem Debütroman „Am Ende bleiben die Zedern“.Foto: Markus Brändli

Alle drei Monate kommt Pierre Jarawan aus München nach Kirchheim und taucht ein in sein früheres Leben: In Kirchheim ist er aufgewachsen. In Kirchheim hat er auch seine Karriere als erfolgreicher Poetry Slammer begonnen. Diese Karriere setzt er fort, wenn er vier Mal im Jahr den Poetry Slam in der Bastion moderiert. Auch in München gestaltet er regelmäßig einen solchen Abend, sogar jeden Monat. Und es ist nicht irgendein Poetry Slam, sondern „der größte in München“, wie er ganz nebenbei anmerkt.

Aber trotzdem hat Pierre Jarawan das Slammen inzwischen so gut wie hinter sich gelassen. Erfolge hat er hier schon zur Genüge gefeiert. Der Slam ist nicht mehr sein großes Karriereziel. Er hat sich stattdessen ein anderes Ziel gesteckt - und er hat dieses Ziel sogar schon erreicht: Pierre Jarawan ist Buchautor. Sein Debütroman „Am Ende bleiben die Zedern“, der 2016 erstmals erschien, war ein beachtlicher Erfolg.

Anfang April kommt die englischsprachige Ausgabe auf den Markt, von der sich der 33-jährige Autor viel erhofft. Demnächst reist er für sechs Wochen in die USA und nach Kanada, um sein Werk durch Lesungen möglichst in ganz Nordamerika bekanntzumachen. Es gibt auch eine Ausgabe in britischem Englisch. Im August liest Pierre Jarawan in Edinburgh da­raus vor. Außerdem war er mit seinem Zedern-Buch bereits in London - und hat sich dadurch den französischen Markt erschlossen.

Der Weg nach Paris führte eher zufällig über London: „Ich hatte dort eine Lesung, gemeinsam mit Tatiana de Rosnay. Wir haben denselben englischen Verlag, und da haben wir unsere Bücher auf Englisch ausgetauscht. Sie hat mein Buch ihrem französischen Verlag gezeigt, und dort soll es 2020 erscheinen.“ Das freut ihn besonders, weil der Libanon - um den es in seinem Roman vorrangig geht - ehemals französisches Mandatsgebiet war. Das heißt, dass die französische Ausgabe neben der englischen dafür sorgen kann, dass sein Buch auch im Libanon gelesen wird.

Der Libanon ist eine von Pierre Jarawans „Heimaten“, auch wenn das Wort „Heimat“ - rein sprachlich gesehen - bislang nicht in der Mehrzahl existiert. 1988 sind seine Eltern mit ihm aus dem Libanon nach Deutschland gekommen. „Sie haben sich damals sicherlich als Flüchtlinge gefühlt“, erzählt er, selbst wenn das Ankommen hier leichter war als für viele andere Familien, weil seine Mutter Deutsche ist. „Für meinen libanesischen Vater war das damals aber ein kompletter Heimatverlust.“

Zuhause oder Sehnsuchtsort

Für Pierre Jarawan selbst war der Libanon in seiner Kindheit ein Urlaubsland. Wann immer er dort war, hat er den Libanon auch als Heimat betrachtet - während in Deutschland eben Kirchheim seine Heimat war und während München seit 2011 seine neue Heimat in Deutschland ist. Dass er Urlaub im Libanon machen konnte, unterscheidet Pierre Jarawan ganz deutlich von seiner Romanfigur, dem Ich-Erzähler Samir: „Im Gegensatz zu ihm habe ich den Libanon nie als Sehnsuchtsort erlebt. Ich war ja oft genug dort und habe mich in dem Land auch zuhause gefühlt.“

Zu seinen Lesungen kommen immer wieder Leute, die selbst einen Bezug zum Libanon haben. Sie erzählen ihm dann, wie sie das Land noch vor dem Bürgerkrieg erlebt haben. Andere dagegen haben keinerlei Vorstellung vom Land der Zedern und reagieren sehr überrascht auf die Bilder, die er bei jeder Lesung zeigt. Wenn darauf Frauen in Miniröcken zu sehen sind, sagen sie: „Das sieht ja eher aus wie in Miami am Strand.“

Zurück zum Buch - und zur englischsprachigen Ausgabe: Nicht nur die britischen Inseln und den nordamerikanischen Kontinent will Pierre Jarawan damit erobern, sondern auch Australien: „Dort gibt es die weltweit größte libanesische Gemeinde außerhalb des Libanons.“ Deshalb könnte sich „The Storyteller“ auch „Down Under“ gut verkaufen. Der englische Titel unterscheidet sich komplett vom deutschen. Das hat auch mit kulturellen Unterschieden zu tun. „Der Geschichtenerzähler“ wäre auf Deutsch vielleicht kein großer Erfolg, selbst wenn es genau dasselbe Buch ist.

Mitunter hat der Roman in seinen fremdsprachigen Ausgaben auch ganz andere Titelbilder. „Fremdsprachige Ausgaben“ ist übrigens keineswegs übertrieben: Die ersten Übersetzungen sind schon länger auf dem Markt, in zwei Nachbarländern - in Polen und in den Niederlanden. Eine Besprechung im holländischen Fernsehen hat sogar dafür gesorgt, dass sich die „Zedern“ in den Niederlanden noch besser verkauft haben als in Deutschland.

Was die englische Ausgabe betrifft, ist der Autor regelrecht begeistert von der Arbeit des Übersetzerduos: „Die haben mir immer wieder mal einen Fragenkatalog gemailt - bei kniffligen Fällen.“ Wenn er „The Storyteller“ durchblättert, kann er auf jeder beliebigen Seite feststellen: „Das ist meine Geschichte, das ist mein Buch.“