Kirchheim

Am Graben scheiden sich die Geister

Gewässer Obwohl es eigentlich nur um die Renaturierung von drei Wasserläufen in Ötlingen geht, entsteht im Technik- und Umweltausschuss eine Diskussion um Hochwasser und Überschwemmungen. Von Andreas Volz

Naturnah scheint dieses Rinnsal bereits zu sein. Dass es für Hochwasser sorgen kann, mag man sich allerdings kaum vorstellen.Fot
Naturnah scheint dieses Rinnsal bereits zu sein. Dass es für Hochwasser sorgen kann, mag man sich allerdings kaum vorstellen.Foto: Markus Brändli

Gewässer und ihr ufernaher Bewuchs - das ist in Kirchheim seit längerer Zeit ein heikles Thema. „Da gab es viel Kritik“, sagte Bürgermeister Günter Riemer, als im Ausschuss für Technik und Umwelt der Gewässerentwicklungsplan Dupiggraben vorgestellt wurde. In diesem Fall geht es aber nicht nur um die Frage, ob Bäume gefällt werden dürfen, damit sich die Natur dadurch die Uferstreifen in neuer Vielfalt zurückholen kann. Es geht auch darum, dass Anrainer immer wieder Gehölz und Grünschnitt im Fließgewässer entsorgen - oder diesen Abfall doch zumindest zu nahe am Ufer ablegen. Unter anderem dadurch kann es bei starken Regenfällen zu Überschwemmungen kommen.

Hochwasser ist das nächste heikle Thema, gerade in Ötlingen. Der Dupiggraben, der östlich des Rübholzes verläuft - vom Lindorfer Gewann Asang bis zur Lauter am Ortsausgang Ötlingens in Richtung Wendlingen -, wird für nahezu jedes Hochwasser in der Gegend um Wendlinger Weg und Steingrubenweg verantwortlich gemacht. Das war auch in der Ausschusssitzung der Fall, obwohl es gar nicht ums Hochwasser ging.

Wer ist schuld am Hochwasser?

Weil zu viel Wasser über den Dupiggraben abgeleitet werde, bereite er bei Starkregen kurz vor seiner Mündung regelmäßig große Schwierigkeiten, meinte Dr. Thilo Rose (CDU). Robert Poremba als sachkundiger Einwohner stellte dagegen fest: „Die Überschwemmung in Ötlingen im vergangenen Jahr lag eher an der Kanalisation als am Dupiggraben.“ Das wiederum forderte Ötlingens Ortsvorsteher Hermann Kik heraus: „Es hatte mit der Kanalisation nichts zu tun, es war der Dupiggraben.“

Eine vermittelnde Stimme kam von Bürgermeister Günter Riemer: „Das Hochwasser vom 11. Juni hat sowohl die Kanalisation als auch die Fließgewässer überlastet.“ Eberhard Müller vom Sachgebiet Grünflächen musste noch fast eine Binsenweisheit anfügen, um klarzustellen: „Es war der starke Regen. Er hat dazu geführt, dass Kanalisation und Dupiggraben überlastet waren.“ - Wer auch immer unter dem Hochwasser zu leiden hatte, dürfte damit aber so wenig zufrieden sein wie mit der folgenden Aussage: „Bei solch starken Regenfällen lässt sich nichts machen.“ Reinhold Ambacher (Freie Wähler) pflichtete Eberhard Müller voll und ganz bei: „Was immer wir am Dupiggraben machen, es wird dort trotzdem immer wieder Hochwasser geben.“ Er riet deshalb dazu, „die Betroffenen durch regelmäßige Infoveranstaltungen mit ins Boot zu holen“.

Das war das Stichwort für die Suche nach pragmatischen Kompromisslösungen. Auch wenn es bei der Gewässerentwicklungsplanung primär darum gehe, Bachläufe und Gräben zu renaturieren, könnten die Arbeiten dennoch dazu beitragen, den Hochwasserschutz zu verbessern, meinte Bürgermeister Riemer. Dazu brauche es einerseits die Ratschläge von Experten und andererseits die Anregungen der Anwohner.

Wenn Grünschnitt oder Holz zu nahe am Ufer gelagert werde, sei es Aufgabe der Behörden - im Kirchheimer Rathaus wie auch im Esslinger Landratsamt -, zu kontrollieren, auf die Anwohner zuzugehen und Missstände beseitigen zu lassen, sagte Eberhard Müller.

Sandra Saalfeld und Peter Geitz vom Stuttgarter Büro Geitz und Partner stellten ihre Planung für Dupiggraben, Speckbach und Rübholzgraben vor, bei der es darum geht, „der Erhaltung der Leistungs- und Funktionsfähigkeit des Naturhaushalts Rechnung zu tragen“. Konkret bedeutet das laut Peter Geitz, dass anfallendes Regenwasser grundsätzlich auch im dafür „zuständigen“ Gewässer abgeleitet wird: „Alles Wasser, das im Einzugsgebiet eines Bachs als Regen anfällt, gehört auch in diesen Bach.“ Es würde dessen Naturhaushalt empfindlich stören, wenn man ihm Wasser entzieht. Die einzige Möglichkeit, Natur und Hochwasserschutz zu vereinen, bestehe darin, das Regenwasser nur gedrosselt in den Bach zu leiten.