Kirchheim

Angeklagte setzt auf Freispruch

Im Kirchheimer Brandstifter-Prozess gibt es noch viele offene Fragen

Wer ist überhaupt der richtige Brandstifter? Und wer hat Geld aus den Spielautomaten entwendet?

Bernd Winckler

Kirchheim/Stuttgart. Im Brandstifter-Prozess vor dem Stuttgarter Landgericht gegen eine 43-jährige ehemalige Angestellte der Kirchheimer Spielhalle „Las Vegas“ sind grundsätzliche Fragen auch am sechsten Verhandlungstag, der gestern über die Bühne ging, noch immer nicht geklärt.

Nach wie vor gilt die auf der Anklagebank sitzende Frau als „unschuldig“, solange kein rechtskräftiges Urteil besteht. Die 43-Jährige beteuert nämlich ihre absolute Unschuld. Sie sei nämlich nicht diejenige gewesen, die am 29. November letzten Jahres an verschiedenen Stellen der Spielhalle am Rand der Kirchheimer Innenstadt Feuer gelegt habe. Dabei wurde ein Schaden von über 80 000 Euro verursacht.

Weiter wurde ihr vorgeworfen, beim Einfüllen der Spielautomaten Geld gestohlen zu haben. Auch diese Anschuldigungen bestreitet sie vehement. Laut Anklage soll die Frau eben gerade deshalb die Kirchheimer Spielhalle einzuäschern versucht haben, um auf diese Weise die Gelddiebstähle damit zu vertuschen (der Teckbote berichtete). Dabei habe sie auch den möglichen Tod der Hausbewohner in den oberen Stockwerken des Gebäudes in Kauf genommen. Vier Hausbewohner befanden sich in Gefahr, zum Glück wurde aber niemand verletzt.

Am gestrigen sechsten Verhandlungstag hat die Schwurgerichtskammer des Stuttgarter Landgerichts vorläufig die Beweisaufnahme geschlossen. Nunmehr gilt für die Richter, festzustellen, inwieweit die Beschuldigte in der Brandnacht psychisch dazu in der Lage gewesen sein könnte, das Unrechte der Tat einzusehen und entsprechend zu handeln. – Unter der Voraussetzung natürlich, dass sie überhaupt die Täterin ist.

Darauf wies die Vorsitzende Richterin gestern hin. Man müsse nunmehr ernsthaft überlegen, wer tatsächlich der eigentliche Brandstifter ist. Das Problem ist nämlich, dass es zur Tat selbst keine Zeugen gibt. Am Prozesstag zuvor war ein Überwachungsvideo gesichtet worden, das jedoch keine Klarheit über den Verlauf der Brandnacht gebracht hatte.

Bei einer Wohnungsdurchsuchung bei der Angeklagten hatte diese auffallenderweise nichts zu verbergen und wies sogar die Polizei noch auf Behältnisse hin, die gar nicht durchsucht worden sind. Ist das möglicherweise ein Indiz für ihre Unschuld?

Eine Hausbewohnerin, die gestern als letzte Zeugin vernommen wurde, war kurz nach Brand-Entstehung aufgewacht. Aber sie sagt, sie habe keinen Rauch festgestellt, auch nicht im Treppenhaus, durch das sie unbeschadet ins Freie gelangte. Ihre beiden Katzen sind ebenfalls unbeschadet geblieben.

Ein psychiatrischer Sachverständiger, der sich mit der 43-Jährigen gutachterlich befasst hat, schilderte Ereignisse aus dem Vorleben der Angeklagten, die als Neunjährige von einem Familienangehörigen mehrfach jahrelang sexuell in schwerster Weise missbraucht worden war. Auch ihm gegenüber habe die Frau sofort im ersten Gespräch ihre Unschuld hinsichtlich der Vorwürfe beteuert und angeführt, dass sie mit Freispruch rechnet. Es sei für sie schlimm, auch unschuldig in Untersuchungshaft zu sitzen.

Doch suizidgefährdet sei die Angeklagte nicht, urteilte der Gutachter. Er will am nächsten Prozesstag seine endgültigen Ergebnisse vortragen. Geplant ist die Fortsetzung für Mittwoch, 20. Juli.