Kirchheim

Arnold zelebriert den Schmerz des Flamencos

Konzert Der Gitarrist Andreas Arnold führt im Kirchheimer Schlössle an den Flamenco heran. In der Musikschule hatte seine musikalische Karriere begonnen. Von Ulrich Kernen

Der Gitarrist Andreas Arnold war zu Gast in seiner „alten“ Musikschule in Kirchheim.Foto: Christian Schlienz
Der Gitarrist Andreas Arnold war zu Gast in seiner „alten“ Musikschule in Kirchheim.Foto: Christian Schlienz

Für Andreas Arnold musste es eine Zeitreise der besonderen Art gewesen sein: aufzutreten im eher nüchternen Vorspielraum seiner ehemaligen Musikschule im altehrwürdigen Kirchheimer Schlössle in Anwesenheit seines ehemaligen Lehrers Hans-Peter Weymüller. Sein Weg hatte ihn vor Jahren aus einer, der klassischen Musik verpflichteten Familie heraus, zum Studium der Jazzgitarre geführt, zuerst nach Amsterdam und dann nach New York, wo er inzwischen heimisch geworden ist. Von dort aus reist der Weltklassegitarrist jährlich zu über 200 Konzerten in allen fünf Kontinenten.

Die ultimative Liebeserklärung

Als Künstler ist er immer ein Suchender geblieben. Er wandte sich von der Jazzgitarre ab; sie ahme eigentlich nur Klavier und Saxofon nach. Mit der Hinwendung zu Andalusien und dem spanischen Flamenco fand er „die ‚gitarristischste‘ Musik überhaupt“. Das war eine ultimative Liebeserklärung. Und das nahm man ihm an diesem Abend auch ab: Wenn er spielt, versinkt er ganz in seiner Musik und vergisst alles um sich herum. „Flamenco En Vivo“ lautete das Motto und das bedeutete nicht nur „live“, sondern vor allem auch „lebendig“. Seine Zuhörer in diese Lebensweise hineinzunehmen war sein Anliegen. Das wäre ihm allerdings sicher noch viel besser gelungen, wenn die Präsentation seiner Kunst nicht so „bescheiden“ gewesen wäre: schwer verständliches Genuschel und kein konkreter Hinweis auf die gesungenen Texte, die das wohl vorwiegend des Spanischen unkundige Publikum, deshalb nicht verstand. Das hörte sich alles gleich einsam, traurig, schmerzlich und verzweifelt an. Einmal deutete er ganz nebenbei an, dass es ihm im folgenden Stück um das unwürdige Schicksal andalusischer Arbeiter gehe. Das war doch schon mal ein Ansatz.

Hervorragende Musiker

Aber, um einem Missverständnis vorzubeugen: Der Abend war alles andere als ein Flop. Das musizierende Trio bestand aus hervorragenden Musikerpersönlichkeiten. Julia Patinella verfügt über eine kräftige und zugleich geschmeidige Stimme, die sowohl in verhaltenem Klagen als auch bei verzweifelten Ausbrüchen überzeugt, wobei sie auch die raffinierte Kunst des rhythmischen Klatschens „nebenher“ perfekt beherrscht. Carlos Ronda war Herr des Cajón, manche nennen sie auch „Rumbakiste“. Durch sein außerordentlich präzises und variantenreiches Spiel verlieh er den ausladenden Gitarrenimprovisationen und den emotionalen Gewittern der Sängerin zusätzliche Stabilität und pulsierende Energie.

Ohne diese Leistungen zu schmälern: Die Kunst des Ausnahmetalents Andreas Arnold war eine Klasse für sich. Ob Eigenkomposition oder Aufnahme bekannter Stücke, er ist zweifellos ein begnadeter Improvisator: variable Tempi, vielgestaltige Technik bis hin zu Anklängen an die Mandoline, rhythmische Raffinessen und bis an die Grenzen des Instruments gehende Dynamik - Andreas Arnold schöpfte aus dem Vollen. Seinen Zuhörern mutete er dabei einiges zu. Oft wechselten Motivfragmente in vielerlei Form und in kühnen musikalischen Ausflügen; immer wieder kehrte das Spiel dann entspannt zum Grundton zurück. Da blieben Längen nicht aus, die die Geduld der, in dieser Musik überwiegend unerfahrenen Zuhörer, forderte. Aber dennoch fiel es im Verlauf des Abends immer leichter, sich meditierend auf die musikalische Reise mitnehmen zu lassen, vor allem, wenn sich Julia Patinella über die musikalischen Abenteuerlichkeiten des Gitarristen erhob und beide den glühenden Schmerz des Flamencos zelebrierten. Ein spontanes „Olé“ aus dem Publikum zum Schluss brachte den Erfolg des Abends vollends auf den Punkt.