Kirchheim

Aus 52 Zonen werden fünf Ringe

Nahverkehr Der Verkehrs- und Tarifverbund Stuttgart legt zum 1. April Tarifzonen zusammen und macht viele Fahrten teils deutlich günstiger. Der VVS verzichtet dadurch auf geschätzte 50 Millionen Euro pro Jahr. Von Thomas Zapp

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Unzählige Felder mit Zahlen von 10 bis 98 stehen auf dem Dartscheiben-ähnlichen Tarifzonenplan des Stuttgarter Verkehrs- und Tarifzonenbunds, kurz: VVS. Für ungeübte Fahrgäste bildeten sie bislang einen ziemlichen Tarifdschungel, allein der Landkreis Esslingen bestand aus 15 Zonen. Das ändert sich ab dem 1. April: Dann sind auf dem Plan nur noch die Zahlen 1 bis 5 und entsprechend viele Ringe zu sehen, die Unterteilung in Sektoren entfällt. Viel wichtiger aber ist: Die Dartscheibe wird nicht nur übersichtlicher, sondern bringt auch je nach Strecke deutlich günstigere Preise hervor.

Zunächst werden sämtliche Fahrten von Orten außerhalb Stuttgarts zum Stuttgarter Hauptbahnhof günstiger. Das liegt da­ran, das aus den zwei Zonen 10 und 20 innerhalb der Landeshauptstadt die neue Zone 1 geworden ist, die auf der Dartsscheibe als deutlich vergrößertes „Bulls-Eye“ in Weiß erscheint. Wer zum Beispiel von Kirchheim oder Dettingen zum Stuttgarter Hauptbahnhof fährt, zahlt ab dem 1. April statt wie bisher 7,70 Euro künftig 6,50 Euro, spart also 1,20 Euro pro Fahrt. Denselben Preis zahlt man übrigens auch von Owen, Lenningen oder Bissingen nach Stuttgart, bisher waren es 8,60 Euro. Die Ersparnis liegt hier sogar bei 2,10 Euro. Die Einwohner von Lenningen, Owen und Co profitieren gleich zweifach: Von der Zusammenlegung zweier Zonen in Stuttgart und der ehemaligen Außenringe 60 und 70 zur neuen Zone 5.

Weil Kirchheim und das gesamte Lenninger Tal künftig in einer Zone liegen, wird es auch auf Strecken innerhalb des Raums Kirchheim und an den Randgebieten billiger. Von Weilheim, Ohmden, Holzmaden, Neidlingen oder Bissingen kostet die einfache Fahrt nach Kirchheim ab dem 1. April nur noch 2,50 Euro statt wie bisher 2,90 Euro. Gleich zwei Zonen spart man auf der Fahrt von Kirchheim nach Bempflingen über Wendlingen. Dementsprechend sinkt der einfache Fahrpreis von 5,30 Euro auf 2,90 Euro, was eine Ersparnis von 2,40 Euro bedeutet.

„Niemand zahlt durch die Reform mehr, darauf hat man bei der Ausarbeitung der neuen Tarife geachtet“, sagt Pia Scholz von der Pressestelle des VVS. Allerdings gebe es Fälle, wo die Zusammenlegung von Tarifzonen keinen Effekt habe. So zum Beispiel die Strecke von Kirchheim nach Esslingen. Dort bleibt der Fahrpreis gleich, auch der Tarif des Flughafenbusses X10 aus Kirchheim bleibt unverändert bei 5,30 Euro.

„Alle profitieren davon, dass es 2019 keine Tariferhöhung gibt“, sagt VVS-Geschäftsführer Horst Stammler stolz. Er verweist da­rauf, dass die Tarifreform für den Verbund und damit für das Land, die Stadt Stuttgart und die beteiligten Landkreise einen enormen wirtschaftlicher Kraftakt bedeutet. „Die Fahrgäste werden insgesamt um 50 Millionen Euro entlastet“, sagt der VVS-Chef. Das sind vorsichtige Schätzungen, weil man nicht weiß, wie schnell und in welchem Maße die geringeren Ticketpreise durch höhere Fahrgastzahlen ausgeglichen werden. Momentan geht man von eben jenen 50 Millionen Euro pro Jahr aus. Das Land Baden-Württemberg schießt bis 2025 jährlich sieben Millionen Euro dazu, den Rest teilen sich die Stadt Stuttgart und die vier beteiligten Landkreise entsprechend ihrer Größe. Der Landkreis Esslingen ist mit jährlich fünf Millionen Euro dabei.

Horst Stammler ist jedoch optimistisch, dass sich die Investition rentieren wird. Schon jetzt steigen die Zahlen von Personen, die den öffentlichen Nahverkehr nutzen, um jährlich 2 bis 2,5 Prozent. Aktuell nutzen täglich etwa 1,3 Millionen Fahrgäste den Nahverkehr innerhalb des VVS. „Wir wachsen stärker als der Autoverkehr“, sagt er und sieht Tendenzen, dass sich das in Zukunft noch verstärken wird. Denn vor allem in Städten werde es unter Jugendlichen immer weniger wichtig, einen Führerschein zu machen und ein eigenes Auto zu haben, sagt er.

Schon jetzt seien besonders die Bahnen zu den Stoßzeiten an der Kapazitätsgrenzen, deswegen investiert der VVS auch in neue Waggons. Für 400 Millionen Euro werden 58 S-Bahn-Wagen zusätzlich bestellt. „Zu den Hauptzeiten sollen alle Züge aus drei Einheiten bestehen“, sagt er. Das entspricht einem sogenannten Langzug von 210 Metern Länge.

Für die Randzonen sollen künftig die Takte erhöht werden, bei Bussen durchgängig 30 Minuten, bei der S-Bahn ganztägig 15 Minuten. „Bis Plochingen ist das möglich, bis Kirchheim momentan noch nicht. Das liegt an der eingleisigen Streckenführung“, sagt Horst Stammler und deutet an, dass auch dort Investitionen kommen können.

Es geht um die Zukunft der Mobilität in Ballungsräumen wie Stuttgart, und da wollen die Betreiber des öffentlichen Nahverkehrs ein Wörtchen mitreden. Die baden-württembergische Landeshauptstadt liegt mit einer Nutzung des öffentlichen Nahverkehrs von 27 Prozent am Gesamtverkehrsaufkommen nur zwei Prozent hinter Spitzenreiter Berlin. Als Alternative zum Auto gebe es in Berlin immer häufiger auch das Fahrrad, sagt Horst Stammler. In Stuttgart sei die Alternative Zweirad wegen der schwierigen Topografie nicht ganz so populär, der Radfahreranteil liegt bei sieben Prozent.

Die Metropolregion Stuttgart wächst, dadurch wird auch der Verkehr zunehmen. Horst Stammler hat sich viel vorgenommen. „Unser Ziel ist es, dass das künftige Verkehrswachstum komplett vom öffentlichen Nahverkehr aufgefangen wird.“

Bahnhof - S Bahn - SBahn - S-Bahn
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