Kirchheim

Aus der Schuldenfalle befreit

Weihnachtsaktion Mit dem „Notsorgefonds“ hilft die Diakonische Bezirkstelle Kirchheim ganz unbürokratisch aus, wenn wirklich gar nichts mehr geht. Hier erzählen zwei Frauen von ihrem Schicksal. Von Thomas Zapp

Kein Strom mehr im Haus: Dieser Extremfall blieb Hana gerade noch erspart.Foto: Jean-Luc Jacques
Kein Strom mehr im Haus: Dieser Extremfall blieb Hana gerade noch erspart. Foto: Jean-Luc Jacques

Wie schnell man ohne es zu merken in eine Schuldenfalle rutschen kann, hat Hana am eigenen Leib erfahren. Ihre älteste Tochter Azra (alle Namen sind von der Redaktion geändert) leidet seit ihrer Geburt unter einer einseitigen Lähmung. Sie erforderte stets viel Aufmerksamkeit. Das änderte sich auch nicht, als im Laufe der Jahre drei Geschwister dazukamen. Kurz nach der Geburt des jüngsten Bruders geschah dann das Drama: Azra stürzte auf dem Spielplatz und brach sich den Arm. „Der Knochen musste mit einer Schraube fixiert werden. Das Problem war nur: Azra hielt nie still und war sehr unruhig. Ich musste ständig auf sie aufpassen“, erzählt die temperamentvolle Hana, die aus dem ehemaligen Jugoslawien stammt und fließend deutsch spricht.

Mit ihrem Mann entschied sie damals, sich nur noch um Kinder und Haushalt zu kümmern. Er sollte neben der Arbeit auch den Papierkram erledigen, inklusive Rechnungen. Das daraus folgende Dilemma lässt sich im Nachhinein nur erklären, wenn man die Rollenverteilung in bestimmten Kulturen kennt. „Eine Frau fragt bei uns den Ehemann nicht nach seiner Schulbildung“, sagt sie. So wusste sie nicht, dass ihr Mann Igor weder lesen noch rechnen kann und es aus Scham vor ihr geheimgehalten hat. Die Konsequenz war, dass in den folgenden Wochen keine Rechnungen mehr bezahlt wurden, auch kein Strom.

Eines Tages stand ein EnBW-Mitarbeiter vor der Tür, um den Strom abzustellen. „Ich sagte ihm, das kann nicht sein“, erzählt Hana. Mehr als 2000 Euro Schulden und Mahngebühren waren aufgelaufen - viel zu viel für die Familie. Der Mann von der Gesellschaft hatte jedoch Mitleid und empfahl Hana, zur Diakonie zu gehen. Das sollte sich als guter Rat erweisen.

In der Diakonie schaute eine Mitarbeiterin erst einmal, ob eventuell staatliche Hilfen möglich sind. „Wir stellten fest, dass sie das Arbeitslosengeld II aufstocken konnte, weil ihr Mann Geringverdiener ist“, erklärt Reinhard Eberst, Leiter der Diakonischen Bezirksstelle Kirchheim. Mit dem Stromversorger fand man eine Lösung: Ein Teil wurde aus dem Notsorgefonds direkt beglichen, den anderen Teil konnte Hana in Raten abzahlen. „Wir haben immer einen direkten Draht zu den Sachbearbeitern und mit uns redet man immer“, sagt Reinhard Eberst. Aktuell hat die 36-Jährige ihre Kosten im Griff, kommt für kleinere Fragen und Probleme aber immer mal wieder in die Diakonie. „Das ist schön, wenn jemand Probleme hatte und dann rechtzeitig zu uns kommt, bevor neue entstehen können“, freut sich der Bezirksstellenleiter.

Sabine war in ihrem Leben immer selbstständig, hat aber nie in eine private Arbeitslosenversicherung eingezahlt. 25 Jahre lang führte sie am Bodensee einen Metallhandel an der Seite ihres Mannes, nach der Trennung versuchte sie es auf eigene Faust mit einem Sonnenstudio. Vor zwei Jahren musste die vierfache Mutter Insolvenz anmelden und rutschte direkt in das Arbeitslosengeld II. Aber es blieb nicht der einzige Schicksalsschlag: Bei ihr wurde Multiple Sklerose diagnostiziert. Derzeit befindet sie sich in einer Therapie am Klinikum Ulm. Zwar übernimmt die Krankenkasse ihre Behandlungskosten, nicht aber die Aufwendungen für die Zugfahrten nach Ulm. Hier sprang dann die Diakonie kurzfristig mit ihrem „Notsorgefonds“ ein.

Vom Arbeitslosengeld II in Höhe von monatlich 420 Euro bleibt Sabine nicht viel. Allein durch Strom, Medikamente und Fahrtkosten gibt sie mehr als 170 Euro aus. Auch die Krankheit macht sich finanziell bemerkbar. „Ich muss gesund essen und in insgesamt 17 Tabletten nehmen“, sagt die 49-Jährige.

Wie geht es nun weiter? Arbeiten gehen kann sie nicht, aber ein Ehrenamt mit Aufwandsentschädigung wäre denkbar. „Die sogenannte Ehrenamtspauschale ist bis 850 Euro pro Jahr anrechnungsfrei. Wäre das nicht eine Idee?“, wirft Reinhard Eberst ein. Für die Tickets nach Ulm wird sie mithilfe der Diakonie zudem einen Teilhabe-Gutschein beantragen. „Das sind kleine Sachen, die aber helfen“, sagt er. „Ohne die Hilfe der Diakonie wäre ich arm dran“, sagt Sabine, „mir ist das alles zu viel.“ Und damit meint sie nicht nur die finanziellen Herausforderungen.

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