Kirchheim

„Bei den Parteien hapert‘s am Vertrauen“

Regierung „Jamaika“ hat in Deutschland keine Zukunft, soviel steht jetzt fest. Doch wer soll das Land regieren?

Nicht glücklich über die Entwicklungen in Berlin sind Michael Hennrich, Renata Alt, Matthias Gastel und Dr. Nils Schmid.Fotos: R
Michael Hennrich

Region. Deutschland hat immer noch keine neue Regierung. Die Jamaika-Verhandlungen sind geplatzt, die Wähler schwanken zwischen Ratlosigkeit und Wut. Vielen Bundespolitikern scheint es nicht anders zu gehen. In Berlin gab es gestern kein anderes Thema als die Frage: „Was nun?“

FDP-Bundesgeneralsekretärin Nicola Beer kommt in den Wahlkreis und besucht ab 16 Uhr die Firma Mosolf. Dort, bei Mosolf Alt
Renata Alt, FDP

„Von Anfang an hat‘s am Vertrauen gehapert“, nennt Michael Hennrich das Kernproblem. Der CDU-Bundestagsabgeordnete hat te der Jamaika-Koalition anfangs eine Chance gegeben, erkannte aber schnell, dass die Parteien zu weit auseinander liegen. Nach dem Scheitern der Sondierungsverhandlungen ist für ihn klar, dass das Regieren auch für Angela Merkel nicht einfacher wird. Seiner Meinung nach sollte noch mal alles versucht werden, eine stabile Regierung zu bilden, denn womöglich sei in Sachen SPD das letzte Wort noch nicht gesprochen. Am Bündnis mit den Sozialdemokraten während der letzten Legislaturperiode schätzt er das gute Vertrauensverhältnis. Absolut keine Option stellt für Hennrich eine Minderheitenregierung dar.

Matthias Gastel Grüne
Matthias Gastel, Grüne

„Wir wären viele Kompromisse eingegangen“, sagt FDP-Politikerin Renata Alt, „aber nicht zu viele, schließlich wollen wir ja an unserem Parteiprogramm festhalten.“ Für die ehemalige Diplomatin ist klar, dass nicht jede Partei an ihren Forderungen festhalten kann. „Wäre die FDP aber noch mehr Kompromisse eingegangen, hätten wir das Vertrauen unserer Wähler verloren“, sagt die frisch gebackene Bundestagsabgeordnete. Eine Politik, in der man nicht ernst genommen werde, sei nicht die Politik, die sich die Liberalen wünschen. Die letzten drei Tage der Sondierungsgespräche waren für die FDP ausschlaggebend: „Wir haben von Anfang an unsere Position klargestellt. Gegen Ende der Verhandlungen war uns bewusst, dass wir in so einer instabilen Regierung unser Land nicht hätten vorantreiben können.“

Dr. Nils Schmid SPD
Dr. Nils Schmid, SPD

„Die FDP stiehlt sich aus der Verantwortung“, schimpft Matthias Gastel. Der Bundestagsabgeordnete der Grünen betont, seine Fraktion habe sich Jamaika nie gewünscht, aber dennoch bis zur letzten Minute konstruktiv daran gearbeitet und Kompromissvorschläge eingebracht. Gescheitert sei das Bündnis letztlich an der „verantwortungslos und rein parteitaktisch agierenden FDP“. Weil die Menschen nun wüssten, wer bereit sei, Verantwortung zu übernehmen, ist für Gastel der beste Weg aus der Misere klar: „Es muss rasche Neuwahlen geben.“

Eindeutige Worte findet auch der neue SPD-Bundestagsabgeordnete Dr. Nils Schmid: „Es ist ein Armutszeugnis, wie sich die FDP aus der Verantwortung stiehlt.“ Die Partei sei während der Gespräche nicht bereit gewesen, Kompromisse einzugehen. „Immer wenn die FDP in den vergangenen 20 Jahren stark war, ist in Deutschland wenig Konstruktives entstanden“, stellt Schmid fest. Dass die Verhandlungen nicht erfolgreich waren, ist laut dem SPD-Politiker auch ein Ergebnis des Merkel-Politikstils. Es reiche nicht nur zu moderieren, man müsse auch mit klaren Inhalten die Parteien zueinanderführen. Für Nils Schmid ist klar, was jetzt folgen muss: „Die Große Koalition wurde klar abgewählt. Die SPD scheut sich nicht vor Neuwahlen.“ sei/ist/Fotos: Riedl/pr