Kirchheim

Betriebe müssen rechtzeitig auf den Zug aufspringen

Elektromobilität Elring-Klinger-Chef Stefan Wolf spricht über die Antriebsformen der Zukunft: Deutsche Hersteller sollten schauen, dass sie führend bleiben. Von Andreas Volz

Ladesäulen sind noch dünn gesät. Foto: Markus Brändli
Ladesäulen sind noch dünn gesät. Foto: Markus Brändli
Elektroautos herzustellen, ist das eine. Das andere ist die Infrastruktur. Fotos: Markus Brändli
Elektroautos herzustellen, ist das eine. Das andere ist die Infrastruktur. Fotos: Markus Brändli

Neben der Coronakrise und der damit verbundenen Wirtschaftskrise in vielen Branchen gerät die Klimakrise beinahe in den Hintergrund. Nicht so bei einer Videokonferenz, zu der die Kirchheimer CDU-Landtagskandidatin Dr. Natalie Pfau-Weller eingeladen hatte. Über alle drei Krisen zugleich sprach Dr. Stefan Wolf, Vorstandsvorsitzender des Automobilzulieferers Elring-Klinger mit Sitz in Dettingen/Erms und Präsident des Arbeitgeberverbands Gesamtmetall. Vor allem aber ging es darum, der Klimakrise durch alternative Antriebsarten entgegenzuwirken.

Im April und Mai waren die internationalen Lieferketten wegen der Pandemie zusammengebrochen, berichtete Stefan Wolf zunächst. Das habe zu deutlichen Umsatzverlusten geführt. Zur Gegensteuerung hätten fast alle Betriebe ihre Kosten reduziert, auch die Personalkosten. „Mit der Kurzarbeit ist die Bundesregierung weltweit vorbildlich“, attestiert er der Politik hier gute Arbeit.

Elring-Klinger sei nicht direkt vom Lockdown betroffen: „Unsere Fabriken laufen. Wir brauchen keine Staatshilfen - im Gegensatz zu anderen Branchen.“ Der Einzelhandel habe jetzt immerhin wieder eine Perspektive erhalten, das Gastgewerbe sowie Kunst und Kultur aber immer noch nicht.

Unabhängig von der Pandemie fordert Stefan Wolf bessere Standortbedingungen in Deutschland. Die Energiekosten seien viel zu hoch. Das wirkt sich auch auf die Elektromobilität aus. Konkretes Beispiel: „Ich hätte am liebsten für unsere Mitarbeiter 150 Ladesäulen hingestellt. Das würde aber viel zu viel Energie verbrauchen. Da würde uns kein Strom mehr für die Produktion übrig bleiben.“

Das ist nicht nur im Ermstal ein Problem, sondern deutschlandweit: „Selbst wenn es gelänge, alle 48 Millionen Fahrzeuge, die derzeit in Flensburg registriert sind, sofort in Elektrofahrzeuge zu verwandeln, ließe sich der Energiebedarf dafür niemals decken.“ Deutschland müsste dann in riesigen Mengen Atomstrom aus dem Ausland beziehen - „auch, weil wir unsere eigenen, wesentlich sichereren Atomreaktoren für viel Geld abschalten“. Die Elektromobilität braucht also Strom aus Wind- und Solarenergie, um etwas für den Klimaschutz tun zu können.

Stefan Wolf kämpft dagegen an, dass die Elektromobilität immer nur mit der Batterie verknüpft wird: „Bei Brennstoffzelle und Wasserstoff handelt es sich auch um Elektromobilität. Die Fahrzeuge werden von Elektromotoren angetrieben. Die Brennstoffzellen wandeln Wasserstoff in elektrische Energie um.“ Deshalb unterscheidet Stefan Wolf zwischen „batterieelektrisch“ und „brennstoffzellenelektrisch“.

Wasserstoff macht unabhängig

Beides hat Vor- und Nachteile: „Bei der Batterie tauschen wir die Abhängigkeit von Erdöl gegen eine Abhängigkeit von anderen Rohstoffen. Mit Wasserstoff sind wir völlig unabhängig - und zudem klimaneutral, wenn der Strom aus entsprechenden Ener­giequellen stammt.“ Trotzdem habe beides seine Berechtigung. Batterieelektrische Fahrzeuge seien für die Stadt und für kürzere Strecken geeignet. Die Brennstoffzelle hat eine viel größere Reichweite. Dafür sei sie teurer, sodass sie sich kaum für Kleinwagen eigne. Elring-Klinger ist führend bei der Herstellung von Stacks, also von Brennstoffzellenstapeln. „Wir kriegen die Preise weiter runter“, verspricht Stefan Wolf: „Einmal über die größere Menge und dann über die permanente Weiterentwicklung.“ Bei Oberklassewagen könne die Brennstoffzelle in zehn Jahren preislich mithalten mit batterieelektrischen Antrieben oder mit Verbrennungsmotoren.

Allerdings ließen sich auch die verpönten Verbrennungsmotoren emissionsärmer betreiben, mit synthetischen Kraftstoffen. Deswegen plädiert Stefan Wolf dafür, Verbrennungsmotoren bis min­des­tens 2040 zu erlauben: „Wenn das faktische Verbot durch die ­Euro-7-Norm schon 2028 oder 2030 kommt, ist das ein massiver Angriff auf unsere Arbeitsplätze - und auf unseren Wohlstand.“

Wichtig sei aber auch, dass deutsche Autohersteller und Zulieferer jetzt in innovative Antriebsformen investieren: „Der Zug fährt so schnell, dass manche nicht mehr aufspringen können.“ Was ebenfalls fehlt, ist die Infrastruktur. Sowohl Ladesäulen als auch Wasserstofftankstellen braucht es, wenn sich die Autos durchsetzen sollen: „Das ist ein Henne-Ei-Problem. Da müssen wir uns stärker verzahnen und auch die Energieversorger einbinden.“

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