Kirchheim

Bezahlbar für „normale Geldbeutel“

Sozialbauverpflichtung Kirchheim schafft eine neue Richtlinie, durch die Investoren und Bauträger gebunden sind, einen gewissen Prozentsatz an preisgünstigen Mietwohnungen zu erstellen. Von Andreas Volz

Das Primusgelände zwischen Dettinger Straße und Schießwasen ist ein Beispiel dafür, wann die Kirchheimer Sozialbaurichtlinie gre
Das Primusgelände zwischen Dettinger Straße und Schießwasen ist ein Beispiel dafür, wann die Kirchheimer Sozialbaurichtlinie greift: Wenn durch neues Baurecht auf einer Industrie- oder Gewerbebrache Geschosswohnungsbau ermöglicht wird.Foto: Carsten Riedl

Kirchheim hat sie jetzt: die seit langem geforderte Sozialbauverpflichtung. Der Gemeinderat hat sich bei sieben Gegenstimmen dafür entschieden. Für Oberbürgermeisterin Angelika Matt-Heidecker ist das „ein ganz wesentlicher und richtiger Schritt zur Wohnraumversorgung - für Menschen mit ganz normalem Geldbeutel“.

Letzteres würde man mit dem Begriff „sozialer Wohnungsbau“ nämlich nicht wirklich verbinden. Bürgermeister Günter Riemer verwies in der Gemeinderatssitzung deutlich auf die negativen Assoziationen, die gemeinhin damit verbunden werden. „Diese Leute wollen wir nicht“, heiße es oft.

Wer sich bei der Kirchheimer Sozialbauverpflichtung aber tatsächlich hinter „diesen Leuten“ verbirgt, zeigt ein Blick auf die Bedingungen: Die Investoren sollen einen Teil des neu geschaffenen Wohnraums - mindestens 30 Prozent - Mietern zu günstigen Konditionen zur Verfügung stellen. Wer die Mieter sein können, definiert das Landeswohnraumförderungsgesetz Baden-Württemberg. Derzeit besagen diese Bedingungen, dass eine vierköpfige Familie eine geförderte Mietwohnung erhalten kann, wenn deren gesamtes Bruttojahreseinkommen nicht höher ist als 65 600 Euro.

Auf den Monat umgerechnet, bedeutet das eine Brutto-Obergrenze von 5 466,67 Euro. Günter Riemer zieht daraus das Fazit: „Da gibt es also ganz viele Menschen, die den Investoren durchaus am Herzen liegen.“ Investoren seien folglich bereit, unter diesen Umständen „sozialen Wohnraum“ zu schaffen. Oberbürgermeisterin Matt-Heidecker spricht deswegen lieber vom „bezahlbaren Wohnraum“ als von „Sozialwohnungen“.

"Damit kann wirklich was bewegt werden"

Das Landeswohnraumförderungsgesetz lobte sie ausdrücklich: „Damit kann wirklich was bewegt werden.“ Weniger angetan war sie vom Vorschlag Dr. Jürgen Bergholds (Grüne), die Sozialbauverpflichtung auch bei Fällen von Nachverdichtung anzuwenden, die ausdrücklich davon ausgenommen sind: „Da habe ich rechtlich die größten Bedenken. Wenn ein solcher Beschluss gefasst werden sollte, müsste ich widersprechen.“

Auch einem weiteren Ansinnen erteilte die Oberbürgermeisterin eine Absage: Dr. Christoph Miller, der Fraktionsvorsitzende der Freien Wähler, hatte das Problem der Fehlbelegungen im Lauf der Zeit angesprochen. Wer berechtigt ist, eine Wohnung zu beziehen, wird darin möglicherweise auch wohnen bleiben, wenn die Berechtigung nicht mehr gegeben ist. Christoph Miller brachte deswegen eine Fehlbelegungsabgabe ins Spiel. Aus Sicht der Oberbürgermeisterin wäre das aber Sache des Landes und kann nicht in die Kirchheimer Sozialbauverpflichtung aufgenommen werden.

Die Verpflichtung soll bereits zum 1. Januar in Kraft treten und auch in laufenden Bebauungsplanverfahren noch greifen. Es handelt sich aber nicht um eine Satzung. Das heißt: Wenn sich Situationen, Rahmenbedingungen, Gesetze ändern, lässt sich auch die Sozialbaurichtlinie schnell anpassen.

So funktioniert die Sozialbauverpflichtung

Wohngeschossfläche heißt das Zauberwort der Kirchheimer Sozialbauverpflichtung: Wird auf einem Gelände neues Planungsrecht geschaffen, indem beispielsweise ein Gewerbegebiet zum Mischgebiet oder ein Mischgebiet zum Wohngebiet wird, geht es um die Frage, wie viel zusätzlich an Wohngeschossfläche entsteht. Sind es mehr als 30 Prozent, greift die Sozialbauverpflichtung.

30 Prozent der neuen Wohnungen müssen dann für mindestens 25 Jahre preisgünstig vermietet werden, nach den Bestimmungen des Landeswohnraumförderungsgesetzes. Das gilt aber nur für konkrete Projekte im Geschosswohnungsbau - und auch nur dann, wenn eine Bagatellgrenze von 250 Quadratmetern überschritten ist. Die Investoren erhalten dafür Landeszuschüsse.

Im Steingau-Quartier gilt die Konzeptvergabe. Hier wird die Sozialbauverpflichtung nicht angewandt, weil die sozialen Kriterien eines Konzepts ohnehin in die Bewertung einfließen.

Die Stadtverwaltung rechnet derzeit mit 680 neuen Wohnungen in den kommenden Jahren - ohne Steingau. Davon würden 200 Wohnungen unter die Sozialbaurichtlinie fallen.vol