Kirchheim

Bürger sollen das Wort haben

Verein „Demokratie Direkt Kirchheim“ will dafür sorgen, dass Bürger mehr Gehör finden können, indem Meinungen gesammelt und an Verwaltungen sowie an Gemeinderäte weitergegeben werden. Von Andreas Volz

Ulrich Kreher (links) und Hans-Jochen Lückefett beim Presse-Gespräch über den Verein „Demokratie Direkt Kirchheim“.Foto: Mirko L
Ulrich Kreher (links) und Hans-Jochen Lückefett beim Presse-Gespräch über den Verein „Demokratie Direkt Kirchheim“.Foto: Mirko Lehnen

Bürger mischen sich ein - und haben das Gefühl, nicht gehört zu werden. Nach dieser Erfahrung können sie entweder resignieren oder erst richtig loslegen. Letzteres war die Reaktion von Ulrich Kreher und Hans-Jochen Lückefett: Sie hatten zu den Initiatoren des Bürgerbegehrens zur Anschlussunterbringung von Flüchtlingen gehört. Aber der Kirchheimer Gemeinderat hat sich auf Anraten der Stadtverwaltung gegen einen Bürgerentscheid ausgesprochen. Grund waren juristische Bedenken über die Zulässigkeit des Bürgerbegehrens.

Da die Stadt später den Widerspruch der Bürgerinitiative nicht zügig genug bearbeitet hat, gibt es nach wie vor eine Untätigkeitsklage, mit der sich die Verwaltung auseinandersetzen muss. Einen möglichen Termin für die mündliche Verhandlung erwartet Hans-Jochen Lückefett für September.

Unabhängig davon hat sich aus dem Bürgerbegehren heraus auch noch ein Verein gegründet. Er heißt „Demokratie Direkt Kirchheim“ und hat sich zum Ziel gesetzt, „Bürger darin zu unterstützen, wenn sie sich in die (kommunal-)politische Diskussion einmischen wollen und das Gefühl haben, nicht gehört zu werden“.

Gedacht ist dieser Verein nicht als Selbsthilfegruppe für die Initiatoren des abgeschmetterten Bürgerbegehrens, sondern als Hilfsangebot für alle, die bei bestimmten politischen Themen die Initiative ergreifen wollen - unabhängig von vorhandenen Gremien und Organisationen und unabhängig vom Ort - also in Kirchheim, aber auch über Kirchheim hinaus.

Zu diesem Zweck hat der Verein inzwischen eine Internetseite erstellt, die die Möglichkeit bietet, sich zu allen möglichen Themen direkt zu äußern. „Demokratie Direkt“ will die Meinung der Bürger, die sich unter der Adresse buerger-haben-das-wort.de abgeben lässt, von Zeit zu Zeit an die Stadtverwaltung und an den Gemeinderat weitergeben. Bis jetzt ist zwar noch kein großer Zulauf auf der Seite zu verzeichnen, aber Hans-Jochen Lückefett berichtet immerhin von über 150 Facebook-Klicks. Das zeige an, dass Interesse an der Arbeit des Vereins bestehe.

Rückblickend auf das Bürgerbegehren sagt Hans-Jochen Lückefett, der sich als einer der Sprecher und als Justiziar von „Demokratie Direkt“ bezeichnet, dass die Rechtsgründe „gesucht und gefunden wurden“. Man hätte die Angelegenheit auch ganz anders betrachten können, meint er. Aus seiner langjährigen Berufserfahrung als Rechtsanwalt könne er bestätigen: „Wenn zwei Juristen beieinander sind, gibt es zu jedem Sachverhalt mindestens drei Meinungen.“

Als Beispiel für einen anderen Umgang mit einem Bürgerbegehren führt Lückefett ausgerechnet die Stadt Nürtingen an: „Da gab es zunächst dieselben Bedenken wie in Kirchheim. Aber es gab trotzdem einen Entscheid.“ Beim Entscheid selbst habe sich eine überwältigende Mehrheit der Ansicht des Bürgerbegehrens angeschlossen. Trotzdem sei das notwendige Quorum verfehlt worden.

Hätte es in Kirchheim einen solchen Entscheid gegeben, wären die Initiatoren nach eigener Aussage zufrieden gewesen: „Dann hätten wir das Gefühl gehabt, ernst genommen zu werden“, sagt Ulrich Kreher, der gemeinsam mit Karin Schmoldt den Vorstand des neuen Vereins vertritt. „Unsere Argumente wurden gar nicht als positiv angesehen. Dabei wollten wir ja helfen. Aber keiner hat uns je wirklich zugehört.“

Mit dem angekündigten runden Tisch sei es gerade so weitergegangen mit dem Nicht-gehört-werden: „Da gab es einen ersten Termin und dann ganz lange gar keinen mehr.“ Von Umweltverbänden habe er ähnliche Berichte über runde Tische gehört, sagt Hans-Jochen Lückefett: „Protokolle entsprechen nicht der eigenen Erinnerung an die Sitzung.“

Im konkreten Fall zeigt er sogar Verständnis für das Problem der Stadt, möglichst schnell Unterkünfte bauen zu müssen: „Auf die Schnelle kann man da sicher auch auf städtische Grünflächen zurückgreifen.“ Langfristig aber setzt er „auf das Konzept des wirtschaftlichen Anreizes“, sodass auch private Wohnbaugesellschaften aktiv werden.

Bleibt nur noch die Frage, wo er mit dieser Meinung Gehör findet. Die Stadt Kirchheim ist eher der falsche Ansprechpartner für solche finanziellen Anreize.