Kirchheim

„Burnout ist heilbar - auch wenn’s dauert“

Psyche Chefarzt Christian Jacob hält einen Vortrag über die Krankheit

Kirchheim. Stress ist meist der Auslöser für das Burnout. Professor Dr. Christian Jacob präzisiert: „Stress ist ein wichtiger evolutionärer Aspekt und existierte schon in der Steinzeit.“ Damit meint der Chefarzt der Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie vor allem die Jäger. Während der Jagd wurden die Systeme für eine verbesserte Blutgerinnung freigesetzt. Dabei entstand das Kampfhormon. In der heutigen Zeit sind die Betroffenen zwar kaum noch auf der Jagd, sondern sitzen am Schreibtisch, die Auslöser bleiben jedoch ähnlich. „Unter- und Überforderung am Arbeitsplatz sind schlecht. Man entfremdet sich von der Arbeit, und die Lust macht der Erschöpfung Platz.“

Für Jacob gibt es den idealen Arbeitsplatz: Tolle Aufgaben und eine gute Bezahlung. Doch, das bleibt meistens Wunschdenken. Wer dem Stress nicht widerstehen kann, läuft schnell Gefahr, ein Burnout-Patient zu werden. Der Experte klagt: „Sehr oft wird übersehen, dass es ein psychisches Problem ist. Die ganze Lebensstruktur ist komplizierter geworden: berufsstätige Frauen, die den Haushalt schmeißen und die Kinder erziehen, aber genauso die Männer.“ Christian Jacob bezieht auch das Smartphone mit ein.

Der Chefarzt hat aber auch Tipps, wie Stress abgebaut werden kann: „Die Entspannungsphase dient in der heutigen Zeit kaum noch, um Energie zu sammeln. Man kann kaum noch in der Zeit verweilen. Ich empfehle den Spaziergang an der frischen Luft, um Kraft zu tanken.“ Das Leben vergleicht Jacob mit einem Stück Leder, dass immer wieder über eine Kante gezogen wird. „Irgendwann wird die Haut dünn und spröde.“ Die Folge zeigen sich in Emotionen: Man ist gereizt, abgespannt, müde und erschöpft. Aber auch körperlich zeigt sich Burnout. Die Kraft fehlt und man ist verspannt. Der Experte warnt vor Alkohol: „Viele trinken gegen den Stress. Dies hilft aber nicht wirklich. Im Gegenteil: Es führt zu noch schlechterer Stimmung und macht ängstlich.“ Nicht zuletzt sind Probleme, die man mit sich rumträgt, dann nur aufgeschoben. Er sieht Burnout als zentrales Thema der heutigen Gesellschaft: „Hinter Depression und anderen psychischen Erkrankungen steckt weit mehr.“

Jacob will den Zuhörern die Angst nehmen, sich in Behandlung zu begeben: „Ich sage voraus, jeder Zweite wird im Lauf des Lebens eine behandelbare psychische Erkrankung bekommen. Scheuen Sie sich nicht, Hilfe in der Psychiatrie zu suchen.“ Er vermutet, dass Burnout der kleine Bruder einer Depression ist. Wer sich mit Burnout befasst, soll sich folgende Fragen stellen: „Wie gehen wir mit uns selbst um? Wie gehen wir mit Aufgaben um? Wie gehen wir mit Menschen in unserer Umwelt um?“ So kann die Volkskrankheit früh erkannt werden, denn: „Menschen mit Burnout sind gereizt, und schnell kann aus einem Kranken ein krankes Team werden.“ Das passiert, wenn sich Menschen zu viel zumuten. Und diese psychischen Erkrankungen nehmen weiter zu, warnt Christian Jacob. „Sie treten nicht nur häufiger auf, sondern auch die Länge des Krankenstandes nimmt zu.“ Vorbeugen hilft gegen den Dauerstress. Der Chefarzt warnt davor, immer der Beste sein zu wollen und gibt den Ratschlag: „Überlegen Sie sich, wie sie klüger arbeiten und stellen Sie sich dem Zeitdruck.“ Weiter empfiehlt er gesunde Ernährung und viel Bewegung an der frischen Luft unter der Sonne. Thomas Krytzner