Lokale Wirtschaft

cm stellte alles in den Schatten

Clauss Markisen startete 1972 in Ochsenwang – Heute 100-prozentige Tochter der Firma MHZ

Für die Beschattung im Berliner Reichstag ist nicht die NSA zuständig. Diesen Spezialauftrag hat bereits 2002 eine schwäbische Firma übernommen – die Clauss Markisen Projekt GmbH, hervorgegangen aus dem einst größten Arbeitgeber in Ochsenwang.

Wer über die Ochsenwanger Steige auf die Alb will, kommt unweigerliche an der Firma Clauss Markisen vorbei.Foto: Jean-Luc Jacque
Wer über die Ochsenwanger Steige auf die Alb will, kommt unweigerliche an der Firma Clauss Markisen vorbei.Foto: Jean-Luc Jacques

Bissingen. Es ist ruhig geworden an der Bissinger Straße in Ochsenwang. Das markante moderne Gebäude mit den großen Glasfenstern liegt still im Licht der Novembersonne. Hier wird nicht mehr, wie einst unter den Inhabern Manfred und Ulrich Clauss, Technikgeschichte geschrieben. Die Geschichte schwäbischer Tüftler, die sich einiges einfallen lassen mussten, um Scheichs und andere „Schattenbedürftige“ zufriedenzustellen. Mit Erfolg. Beide waren sie Pioniere im Bereich der Schattenspender im King Size Format. Diese Zeiten sind vorbei und nicht nur Bissinger fragen sich, was geschieht eigentlich „da oben“, Clauss Markisen war doch einst der größte Arbeitgeber in Ochsenwang?

Clauss Markisen mit dem Firmenkürzel „cm“ startete 1972 in Ochsenwang mit 29 Beschäftigten. Der wachsende Wohlstand in der Bundesrepublik und die moderneren Bauweisen ließen die Nachfrage nach Markisen enorm ansteigen. cm erkannte diesen Trend schneller als andere Firmen und wurde in kürzester Zeit zu einem der bedeutendsten Hersteller auf dem Gebiet der Beschattung. Durch die Zusammenarbeit mit innovativen Architekturbüros entwickelte sich die Ochsenwanger Firma in wenigen Jahren zu einem Komplettanbieter.

Auf internationalem Parkett fertigte und montierte cm die ersten Großschirme und wurde dadurch weltbekannt. So stammt beispielsweise eine horizontale Verdunkelung in der Kontrollbank in Wien aus dem Hause cm, ebenso ein 1 000 Quadratmeter großes Membrandach in Medina oder ein 34 mal 30 Meter großes Faltdach am gleichen Ort, Schirme mit autarkem Solarantrieb in Mekka, die Verdunkelung einer Glaskuppel mit einem Durchmesser von 40 Metern in der Frankfurter Festhalle, ein 17 mal 17  Meter großes Faltdach am Zeppelin-Karree Stuttgart oder 5 000 laufende Meter Alulamellen mit integrierten Senkrechtmarkisen an der Börse in Frankfurt.

Eines der renommiertesten cm-Projekte ist der Sichtschutz und die Verdunkelung der Glaskuppel des Berliner Reichstags. Durch 36 trapezförmige Einzelanlagen können 500 Quadratmeter Glasfläche abgedunkelt werden. Für die Fraktionssäle wurden weitere 270 Anlagen installiert.

Schattenspender „made in Ochsenwang“ hängen aber auch in der Jahrhunderthalle in Bochum, in der deutschen Botschaft in Peking, im Kloster Andechs und in den Terminals des Münchner und des Hamburger Airports. Planer und Bauherrn aus aller Welt setzten auf die innovative Technik aus Ochsenwang. Darunter so berühmte Architekten wie der Engländer Sir Norman Foster und dessen Büro, der italienische Stararchitekt Renzo Piano, Irata Isozaki, Japan, Conran & Partners, London, Murphy/Jahn, Chicago, Steven Holl Architects, New York und Beijing, Gehry Partners, Los Angeles, Wulff+ass Architekten, Stuttgart, oder Benisch & Partner, ebenfalls Stuttgart, um nur einige zu nennen.

Nach dem Ausscheiden von Manfred Clauss im Jahr 1983 stieg der Hersteller von Innendekoration und Sonnenschutz MHZ Hachtel, Musberg, bei Claus Markisen ein und übernahm dessen Unternehmensanteile.

1992 wurde der Betrieb in die zwei Firmen Clauss Markisen Projekt GmbH & Co. KG und MHZ Sonnenschutztechnik aufgeteilt. Clauss Markisen produzierte weiterhin auf der Schwäbischen Alb und fertigte dort Sonderkonstruktionen und auf das Objekt abgestimmte Fassaden- und Serienmarkisen. Die MHZ Sonnenschutztechnik in Kirchheim stellte Serienmarkisen her. Diese vertrieb sie nur über den Fachhandel, während cm-Produkte an Endverbraucher, Generalunternehmer, Investoren und Architekten gingen. Dies ist auch heute noch so. Privatkunden, die MHZ-Produkte kaufen wollen, müssen auf die Alb nach Ochsenwang fahren beziehungsweise dort bestellen.

2001 ging Ulrich Clauss in den Ruhestand. Zwei Jahre später übernahm die MHZ-Gruppe die Clauss Markisen Projekt GmbH als hundertprozentige Tochtergesellschaft. 2004 ging der Kirchheimer Betrieb, die MHZ-Sonnenschutztechnik, in der Hachtel-Gruppe auf.

Neben den textilen Systemen wurden von der Claus Markisen Projekt GmbH & Co. KG zwei metallbasierte Produkte auf den Markt gebracht: „s_onro“ ist ein kombinierter Sonnenschutz- und Rollladenbehang mit doppelwandigen Aluminiumprofilen, „s_enn“ ist eine Senkrechtbeschattung mit Mikrolamellen-Edelstahlbehang und Führungsschiene.

2004 heimsten die schwäbischen „Beschatter“ für ihren Sonnenschutz aus Edelstahl den Bayrischen Staatspreis ein. Bereits ein Jahr zuvor waren die Sonnenschützer aus Ochsenwang auf der Fachmesse für Rollladen, Tore und Sonnenschutz in Stuttgart für „s_enn“ mit dem Innovationspreis ausgezeichnet worden.

Waren im vergangenen Jahr – Ochsenwang feierte sein 900-jähriges Bestehen – noch etwa 100 Frauen und Männer bei der Clauss Markisen Projekt GmbH in dem Bissinger Ortsteil beschäftigt, so sind es heute zwölf bis 15 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die im Fabrikverkauf und in den Montageteams auf der Alb die Stellung halten. 60 bis 70 Beschäftigte, darunter auch die Außendienstler, mussten zu Beginn des Jahres umziehen, wollten sie nicht ihren Job verlieren. Wer seinen Veränderungsvertrag nicht unterschrieb, hatte Pech gehabt und durfte beim Arbeitsamt vorstellig werden.

Etwa 20 Beschäftigte pendeln heute zur Clauss Markisen Projekt GmbH & Co. KG nach Musberg, Firmensitz der MHZ-Gruppe, und 30  fahren täglich nach Kirchheim. Einige Arbeiter gingen in den vorzeitigen Ruhestand, andere fanden alternative Arbeitsplätze, wie Wilhelm Hachtel, einer der drei Geschäftsführer der Hachtel-Gruppe, mitteilte.

MHZ sieht nicht mehr in Sonderkonstruktionen, wie sie einst die Spezialisten von cm austüftelten und herstellten, das große Geschäft. Die Chemieindustrie, Pharmaunternehmen, große Banken und Hotels würden bei der Beschattung ihrer Gebäude eben auch aufs Geld schauen. Der Druck bei Individuallösungen sei enorm. Der Markt habe sich verändert. Der weltweite Konkurrenzkampf sei härter geworden, so Wilhelm Hachtel. Der Markisenhersteller versucht sich dieser Situation entsprechend anzupassen und stellt auf preisgünstige Baukastensysteme um. Diskutiert wurde diese Thematik bereits Ende 2011 bei einem Symposium des AIT Architektur-Salon Hamburgs und der Clauss Markisen Projekt GmbH & Co. KG unter dem Motto „Out of Standard“: Im Mittelpunkt stand die Thematisierung der absoluten Individualität in der Architektur unter Einhaltung serieller Qualitätsstandards. Die Frage lautete: Wie lässt sich die Forderung nach hoher handwerklicher Qualität mit moderner Massenproduktion zu kleinem Preis vereinbaren?

MHZ hat die ehemalige Produktionsstätte in Ochsenwang von der Clauss Markisen Projekt GmbH & Co. KG bis 2021 gemietet. Sie wird als Lagerhalle genutzt, wobei im vorderen Teil, dem markanten dreistöckigen Glasgebäude, das 1998 gebaut wurde, nach wie vor der Werksverkauf stattfindet.

Was nach 2021 mit dem Gebäude passiert, steht in den Sternen. Im Moment jedenfalls ist kein Investor in Sicht, sagt Ulrich Clauss. „Industrie bekommen wir da wohl keine mehr hoch.“ Und für ein Altersheim ist der Bau ungeeignet und zu weit vom Schuss.

Clauss Markisen

Seit den 1970er Jahren ist Clauss Markisen der einzige größere Arbeitgeber in Ochsenwang. Zu verdanken ist dies den beiden Jungunternehmern Manfred und Ulrich Clauss sowie der Weitsicht des damaligen Ochsenwanger Bürgermeisters Otto Bazle. 1946 in Mettingen von Mechanikermeister Albert Clauss als Bauschlosserei gegründet, befasste sich die junge Firma bereits im Neckartal mit Balkon-, Terrassen- und Ladenmarkisen. Es waren damals noch Einzelanfertigungen, denn Markisen zählten im Privatbereich noch zu den Luxusgütern. 1967 gelang Clauss ein entscheidender Sprung in die Zukunft. Sie brachte die erste Kompaktmarkise in Deutschland auf den Markt. Nach dem Umzug von Mettingen nach Esslingen wurde auch dort die Produktionsfläche zu klein und „CM“ suchte einen neuen Standort. Fündig wurde das Unternehmen in Ochsenwang. Die MHZ Hachtel GmbH & Co. KG wurde 1930 gegründet und beschäftigt heute in Leinfelden-Echterdingen, Kirchheim, Stetten a. H., Niederstetten, Riegel, Halle und Kraslice/Tschechien 1 200 Mitarbeiter. MHZ ist damit laut ihrem Internet-Auftritt das stärkste Unternehmen der Sicht- und Sonnenschutzbranche in Deutschland. Aus dem klassischen Angebot für herkömmliche Fensterdekorationen entstand die heutige Firma MHZ mit High-Tech-Produkten für dekorativen Sonnenschutz und Sicht-Beschattungssystemen für privaten, gewerblichen und industriellen Einsatz. Tochtergesellschaften sitzen in der Schweiz, in Österreich, Frankreich und Benelux.