Beuren. „Meine kleine Visitenkarte hängt da unten“, sagt Tobias Borde mit einem entwaffnenden Lachen. Er sitzt im neunten Stock der EnBW-Zentrale im Stuttgarter Stadtteil Fasanenhof. Der Glasbau gibt den Blick frei auf die gesamte Albkette – und den großzügigen Hof zum Entrée des Gebäudes. Dort hängt als Willkommensgruß ein überdimensionales Plakat, auf dem ein Mann in der Morgensonne vor einer Pferdekoppel steht und im Hintergrund Windräder stehen. Es ist Tobias Borde aus Beuren, Projektleiter Windenergie.
Im Bundesgebiet ist er unterwegs und baut Windkraftanlagen. Sein Job beginnt, wenn die bürokratischen Planungen abgeschlossen sind. Dazu zählen beispielsweise: den geeigneten, windreichen Standort finden und kaufen, mit Kommunen und Behörden verhandeln, Gutachten über Schall und Schattenwurf in Auftrag geben und das Verfahren zur Genehmigungsreife bringen. Ist das alles erledigt, kann Tobias Borde loslegen.
An seinem Arbeitsplatz hängt ein großer Plan mit bunten Kreisen. „Das ist eine kleine Anlage im Saarland“, erklärt er. Darauf sind drei zu erstellende Windräder zu sehen. Nun heißt es, im Vorfeld alle Eventualitäten bestmöglich auf sichere Beine zu stellen. Da muss beispielsweise ein Kreisverkehr im Radius so verändert werden, dass die langen Rotorblätter auf dem Transportweg am Bestimmungsort unverkeilt ankommen. Weiter müssen mitunter Feldwege verbreitert beziehungsweise für die schweren Maschinen stabilisiert – oder komplett neu zum Windkraftpark gebaut werden. Auch Kabel müssen verlegt werden, denn schließlich soll ja der durch Luftbewegung entstandene Strom irgendwann beim Verbraucher ankommen.
Ist das alles so weit in trockenen Tüchern, wird ausgeschrieben und dann die Planung in die Tat umgesetzt. Jetzt ist auch der Zeitpunkt gekommen, wo Tobias Borde das Glashaus verlassen kann und vor Ort nach dem Rechten schaut. Steht die logistische Vorarbeit, sind die Tiefbauer gefragt. Sie buddeln die Erde aus und erstellen das stabile Fundament. Ist das mit Eisengittern und Beton kreisrund fertiggestellt, sind die „Überirdischen“ dran. Ring für Ring wächst der Turm nach oben. Dafür ist ein richtig großer Kran vonnöten, der eben auch den entsprechend dimensionierten Parkplatz braucht. Ist die Höhe erreicht, wird die Gondel aufgesetzt und dann die drei Rotorblätter befestigt, die den Wind einfangen. Drehen sich die Rotorblätter, bringen sie einen Vorgang ähnlich des Fahrraddynamos in Gang – und somit nicht nur die Wohnzimmerlampe zum Leuchten, sondern auch Industrieanlagen zum Arbeiten.
Ein Windrad allein schafft das nicht, weshalb Windparks entstehen. Einer davon ist die Baltic 1, der erste deutsche kommerzielle Offshore-Windpark in der Ostsee. Zwei Jahre hat Tobias Borde dabei mitgearbeitet und seinen Wohnsitz nach Hamburg verlegt. „Ich habe den geilsten Job der Welt“, sagt er ohne jede Koketterie und strahlt dabei über das ganze Gesicht. Deshalb war es für ihn auch keine Frage, sich für die Imagekampagne zu bewerben und sein Gesicht für seine Firma „hinzuhalten“. Das Foto-Shooting war bei Hannover und Eiseskälte. Um 6 Uhr war Start am Hotel. Sein privates making-of zeigt eine Pferdeherde im Morgennebel, die über eine raureifbedeckte Weide galoppiert. Als er bei Sonnenaufgang für den Fotografen posiert, hat sich die Szenerie beruhigt, die Tiere stehen still, ebenso wie Tobias Borde. Dann ging‘s 140 Meter rauf auf die Turbine – wahlweise mit Aufzug oder Treppe. „Das ist schon imposant da oben“, sagt der Beurener, der solche Ausblicke selbst als Projektleiter nicht alle Tage erlebt.
Höhenerlebnisse hat Tobias Borde trotzdem regelmäßig und zwar auf der Schwäbischen Alb. Der begeisterte Kletterer ist jedoch nicht nur zum Spaß an den Felsen aktiv, sondern auch bei der Bergwacht Lenninger Tal. Seit diesem Jahr ist er stellvertretender Bereitschaftsleiter. Einmal in der Woche findet der Gruppenabend statt, in dessen Mittelpunkt nicht nur das Treffen Gleichgesinnter steht. Hier geht es vor allem um Themen wie Einsatztaktik, die richtige Handhabung von Karabinern oder um Erste Hilfe in schwierigem Gelände.
Die Entscheidung, offen zu seinem Arbeitgeber zu stehen, hat er keine Sekunde bereut. Im Gegenteil: „Seit elf Jahren bin ich im Konzern. Viele ältere Kollegen, mit denen ich mal zusammengearbeitet habe, haben sich bei mir gemeldet“, freut er sich über die Resonanz – ebenso darüber, dass seine zwei kleinen Kinder „Papa“ gerufen haben, als sie ihn im „beiläufig“ daliegenden Prospekt gesehen haben. „Die Energiewelt hat sich durch den Einsatz erneuerbarer Energien geändert“, sagt Tobias Borde und ist über diese Entwicklung alles andere als unglücklich. Eigenheimbesitzer werden seiner Ansicht nach in naher Zukunft von Konsumenten zu Produzenten. „Die Stromrichtungen werden sich ändern. Statt zentral wird dezentral Energie erzeugt“, ist er überzeugt.