Kirchheim

Das Leben ist trotzdem gut

Alex Capus stellt bei Zimmermann seinen neuen Roman „Das Leben ist gut“ vor

Kirchheim. Betreibt der Erfolgsautor tatsächlich eine Bar? Hat er tatsächlich am Tag vor seinem Auftritt

mit einem Handkarren Schnaps- und Weinflaschen zum Glascontainer gebracht oder berichtet er nur, was in seinem soeben erschienenen Roman „Das Leben ist gut“ zu lesen ist?

Alex Capus liebt das Vexierspiel zwischen Realität und Fiktion. Er geht gleich in seinen einleitenden Sätzen auf das Problem „Dichtung und Wahrheit“ ein. Auf dem Buchdeckel stehe „Roman“, also gehe es um Fiktion. Allerdings: Es seien in Olten, seinem Wohnort, einem kleinen schmucklosen Städtchen in der Schweiz mit genau 18 341 Einwohnern, literarische Touristen aufgetaucht, die den Roman als Führer zu den Schauplätzen verwendet hätten – mit Erfolg! Capus lässt den Zuhörer bei der Frage Dichtung oder Wahrheit also augenzwinkernd im Ungewissen. Gewiss ist aber, dass er bei allen seinen Werken gründlich recherchiert beziehungsweise ganz nahe an der Realität ist. Entscheidend ist das Endprodukt.

Im ersten Kapitel wird die Ausgangssituation dargelegt. Der Schriftsteller und Barbetreiber Max berichtet, dass er mit seiner Frau und seinen drei Söhnen im Alter von Mitte fünfzig schon lange in einer Schweizer Kleinstadt lebt – wie Capus, der sogar fünf Söhne aufzuweisen hat. Er hat Verständnis, dass die Frau aus diesem „Kaff“ ausbrechen will. Sie reist nach Paris, um für ein paar Tage in der Woche einen Lehrauftrag an der Sorbonne wahrzunehmen. Langweilig ist es dem Erzähler nicht. Er schildert den Alltag eines Barbetreibers mit den Serviceleistungen und den Begegnungen mit Gästen. Mehrmals täglich denkt er aber an seine zum ersten Mal abwesende Frau und die Bedeutung dieser Beziehung. Sie mailen und telefonieren miteinander.

Capus las die „Beziehungskapitel“ vor und erzählte anschließend zusammenfassend einige „Barkapitel“. Die Bar ist für das erzählende Ich ein ganz wichtiger Ort. Ohne sie ist „eine res publica nicht denkbar“. Sie schafft Voraussetzungen für echte menschliche Begegnungen, anders als die elektronischen Medien. Capus beschreibt teilweise skurrile Typen, die in der Bar auftauchen. Ein Vincenzo will wissen, dass alle leeren Flaschen, egal welcher Farbe, im gleichen Container landen und dass Fußgängerampeln Betrug sind. Ein Türke fürchtet sich vor Erdbeben, ausgerechnet in der Schweiz.

Dadurch, dass bei der Präsentation die „Beziehungskapitel“ vorgelesen und die „Barkapitel“ geschrumpft zusammengefasst wurden, hat sich der Schwerpunkt des Romans Richtung Beziehungsthema verschoben. Das Beziehungsthema bildet zweifellos den Rahmen, doch dazwischen lernt der Leser des Textes einen ganzen Kosmos von verschiedenen Typen kennen, die der Autor mit der ganzen Meisterschaft eines versierten Kurzgeschichtenschreibers oft mit geschichtlichen oder psychologischen Hintergründen skizziert.

Capus erzählt, offensichtlich als Privatperson, von der Rettung einer alten Tür, die jetzt seine Bar ziert, mit dem Kommentar „Das sind Dinge, die mich glücklich machen“. Das ist, neben der sprachlichen Virtuosität, sicherlich einer der Gründe für die Popularität dieses Schriftstellers. Schriftsteller vermitteln oft eine von Unruhe und Pessimismus geprägte Weltsicht. Capus reserviert im Roman eine ganze Seite für die Mitteilung: „Ich bin ein umgekehrter Odysseus. Ich bleibe zu Hause, während meine Penelope in die Welt hinauszieht.“ Er ist sesshaft in seinem Olten und glücklich mit seiner Familie. Das heißt nicht, dass er alles glattbügelt. Doch die Probleme, die privaten wie die politischen, zum Beispiel die mit der direkten Demokratie in der Schweiz, lassen sich mit der richtigen Einstellung lösen: „Das Leben ist gut.“

Im Jahr 2011 hat die Leiterin der Kirchheimer Buchhandlung Zimmermann, Sybille Mockler, den Autor mit seinem Erfolgsroman „Léon und Louise“ nach Kirchheim geholt. Dieses Erlebnis war bei den zahlreichen Zuhörern offensichtlich in Form einer Fangemeinde noch lebendig. Sie waren ganz dabei und hatten viel zu lachen. Der Schlussbeifall war ungewöhnlich heftig und die Signierschlange ungewöhnlich lang. Der „gemütliche“ Schweizer Sprachduktus trägt sicherlich zur Sympathie gegenüber dem Autor bei. Wer ihn akustisch genießen will, hat dazu Gelegenheit. Der Spiegel-Bestseller ist jetzt schon als Hörbuch erschienen.