Lokale Kultur

Der Herr der Knöpfe

Vom aktiven Musiker ins Reich der Tontechnik: Timo Krämer zog es von Kirchheim nach Berlin

Tasten, Regler und Knöpfe sind seine Welt: Der 37-jährige Timo Krämer hat im Bereich Tontechnik Karriere gemacht und lebt heute
Tasten, Regler und Knöpfe sind seine Welt: Der 37-jährige Timo Krämer hat im Bereich Tontechnik Karriere gemacht und lebt heute in Berlin.Foto: Burkhart Salzmann

Kirchheim/Berlin. Wie kommt ein Streicher zum Schlagzeug, vom Schlagzeug zur Gitarre und von der Gitarre zur Tontechnik? Diese Geschichte kann der ehemalige Schüler der Kirchheimer Musikschule, Timo Krämer erzählen – schmunzelnd.

Sie nahm ihren Anfang im Schlössle, wo er viele Jahre Violinenunterricht genoss und sich sogar richtig gut anstellte: Er spielte in einem Streichquartett und im Symphonischen Orchester mit, trat beim Podium auf und absolvierte den Musikleistungskurs am LUG im Fach Violine mit Bravour.

Doch was er vermisste, war der Rhythmus. Vom Melodieinstrument kam der Jugendliche aufs Schlagzeug und brachte sich das Trommeln kurzerhand selbst bei. Am Drumset fühlte er sich zu Hause, groovte mit der Big Band, wirkte als Schlagzeuger in der Schüler-Lehrer-Band im Bohnauhaus mit und spielte bei zahlreichen Musicals und Musikproduktionen.

So zog es ihn auch in die Musikszene Kirchheims, in verschiedene Bands, und natürlich interessierte er sich nun auch für Gitarre, E-Gitarre und Bass. Ein Allrounder.

1994 folgten Abitur und Zivildienst, und eher zufällig kam der junge Mann mit der Musik im Blut auf das Fach Tontechnik, das man am SAE – School of Audio Engineering – Institut in München studieren konnte. Das tat er, schloss mit dem Bachelor of Arts ab und begann als Dozent an eben dieser Schule. Als Spross des ehemaligen Schulleiters des Schlossgymnasiums und einer Lehrerin ein naheliegender Werdegang. „Das Unvermeidliche traf ein“, kommentiert der heute 37-jährige Wahlberliner diese Entwicklung mit Augenzwinkern, schließlich hatte er sich bis dahin vehement gegen das Lehrer werden gesträubt . . .

Doch es lief gut. So gut, dass ihm bereits zwei Jahre später die Leitung des Stuttgarter SAE Instituts angeboten wurde. Mit 25 Jahren fand sich der passionierte Musiker, der nebenbei weiterhin aktiv Musik machte und auch selbst Schlagzeugunterricht gab, in einer Management-Funktion wieder. Als geübter Autodidakt konnte er auch diese neuen Herausforderungen erfolgreich bewältigen. 2002 wurde ihm die Leitung der SAE-Niederlassung in Berlin übertragen, die er bis 2008 zu Europas größtem Tontechnik-Institut ausbaute.

Doch es ging nicht mehr nur um die Tontechnik. „In meinem eigenen Studium“, berichtet Timo Krämer, „mussten wir Tonbänder noch mit Rasierklinge und Tesaband schneiden. Da hatte Tontechnik mehr mit den Ohren zu tun.“ Heute sind vor allem die Augen gefragt, denn man sitzt hauptsächlich am Bildschirm. Krämer hat die komplette Entwicklung von der „Handarbeit“ zum digitalen Schnitt und Mischen mitgemacht. Und nicht nur das: Schon längst ist das SAE Institut nicht allein im Audio-Bereich aktiv, sondern bietet auch Kurse in Web-Development, Film und 3D, Game-Produktion sowie digitalem Journalismus an. Mittlerweile ist es die weltweit größte private Schule für Neue Medien.

2008 kam der Break. Timo Krämer stellte die Weichen neu – beruflich wie privat. Im Dezember wurde seine Tochter Maya geboren und er ging in Elternzeit. Er verließ die Schule, gründete dann mit zwei Partnern das Unternehmen WAX, das mit dem Background Tonstudiobau innovative Lösungen für Raumakustik und Schalldämmung entwickelt.

Jetzt gelingt ihm die Balance zwischen Beruf, Musik und Elternschaft. Weiterhin spielt er Schlagzeug, Gitarre und Bass und schreibt Songs, im Moment für die Band „The End of Faith“. Er erklärt, wie man heute vorgeht: „Man sitzt allein vor dem Laptop, nimmt die einzelnen Instrumente gleich in Studioqualität auf und verschickt die Aufnahmen als MP3s an alle Bandmitglieder. Jeder bereitet sich damit auf die wenigen Proben, die auch online machbar sind, vor. Schließlich ist jeder viel beschäftigt. Von den Gesangsaufnahmen abgesehen, brauche ich die Menschen nur für die Bühne.“ Dann ergänzt er grinsend, dass ihm dann immer entweder die Sängerin oder der Schlagzeuger fehle.

Dass Timo Krämer, der übrigens auch im „Beirat Populäre Musik“ des Deutschen Musikrats sitzt, noch Zeit genug für seinen Sport hat, ist ihm wichtig. Vor ein paar Jahren hat der ehemalige Triathlet seine Liebe zum Kampfsport entdeckt, dreimal wöchentlich praktiziert er Hapkido und Kickboxen. Und Töchterchen Maya hat seine Prioritäten auch verschoben – heute achtet er auf die „Work-Life-Balance“ und baut Tonstudios nur noch zum Spaß.

In einer Nische in der Musikwelt sein Geld zu verdienen und gleichzeitig aktiver Musiker zu bleiben, das hat Timo Krämer geschafft, wie vieles andere auch: mit „learning by doing“. Und die SAE? Für die arbeitet er zeitweise noch als Dozent. In welchem Fach? „Zeitmanagement“, antwortet er und lacht.