Kirchheim

„Der Hetzbürger weiß alles besser“

Kabarett Mathias Tretter nimmt im Club Bastion Bildungs- und Wutbürger auf die Schippe, rechnet mit Amateuren wie Donald Trump ab und wirbt für weniger Political Correctness. Von Anja Heinig

Der Kabarettist Mathias Tretter bringt das Publikum im Club Bastion zum Lachen und regt zum Nachdenken an.Foto: Anja Heinig
Der Kabarettist Mathias Tretter bringt das Publikum im Club Bastion zum Lachen und regt zum Nachdenken an.Foto: Anja Heinig

Die Welt könnte so einfach sein, glaubt man den Worten des Kabarettisten Mathias Tretter, eine Ikone mit viel Intellekt, aktuell und polemisch, ohne dabei belehrend zu sein oder in Wortgeschwafel zu verfallen. Der Abend im Club Bastion anspruchsvoll, unterhaltsam und komisch, das Publikum gemischt: Von jung bis alt, vom Rocker bis zur Beamtin - alles vertreten, und fast jeder Treffer des Wortakrobaten saß. Man musste allerdings hellwach sein. Tretter bekam den für Kabarettisten wohl wichtigsten Lohn: Gelächter und Applaus. Er regte mit den Thesen seines Programms „PoP - Partei ohne Partei“ aber auch zum Nachdenken an.

Tretter, der zahlreiche Auszeichnungen für seine Bühnenshow bekam, glich teilweise einem Maschinengewehr: Eine Aussage folgte der nächsten. Eine Pause zwischen seinen Thesen und Denkansätzen wäre ihm sicher zugutegekommen, aber er hatte das Publikum dennoch auf seiner Seite. Geschickt ging er im Namen der Unterhaltung gegen den Populismus vor und zeigte auf, dass man mit weniger „Political Correctness“ auch weniger Beleidigungen und somit weniger Unmut schaffen könne. Beispiel: das vor 50 Jahren noch als Schimpfwort bekannte Wort „schwul“. Heute sei es völlig normal, das Wort zu benutzen.

Den Zeitgeist nimmt der Kabarettist gewaltig aufs Korn und analysiert dabei scharfsinnig die deutsche Sprache. Gemeint sind damit unter anderem Berufsbezeichnungen - so wird aus dem Hausmeister ein „Facility Manager“, der Blumenladen zur „Werkstatt für florale Objekte“.

Trump stempelt er als Amateur ab und macht zeitgleich klar, wie gefährlich diese Welt der Abrechnung und Unzufriedenheit ist. „Wenn Leute eine Tastatur vor sich haben, dann geht die Erika Steinbach mit ihnen durch“, so Tretter. „Einst hatten wir den Bildungsbürger, der sich dann über den Wutbürger zum Hetzbürger entwickelt hat.“ Der Hetzbürger habe keine Allgemeinbildung, er wisse alles besser und schreibe dann auch noch - gemeint sind die sozialen Medien, die für viele eine Plattform sind, um mit der Politik abzurechnen. Ihm selbst sei es lieber, wenn man sich dort austobt. Dann habe man schon keine Zeit, Asylbewerberheime anzuzünden, denn, so der Künstler weiter: „Wenn Rechte schreiben, führt das nicht zur Rechtschreibung.“ Dafür erntete er viel Applaus. Das Zeitalter des Amateurs sei getrieben vom Hass auf Politiker und Journalisten. Für komplexe Gedanken nehme sich niemand mehr Zeit, eine immer kompliziertere Welt schreie nach immer einfacheren Lösungen. „Wenn man bedenkt, dass die durchschnittliche Auffassungsgabe des Menschen niedriger als die eines Goldfisches ist, macht das schon nachdenklich“, so Mathias Tretter. Und es verwundere nicht, dass die Amerikaner einen Amateur, jemanden, der noch nie politische Verantwortung innehatte, zum mächtigsten Menschen der Welt gemacht haben.