Kirchheim

Der schwäbische Sinatra

Wolfgang Seljé hat sein Herz an „The Voice“ verloren

Wolfgang Seljé singt Sinatra beim Ötlinger Kulturkreis. Foto: Nicole Mohn
Wolfgang Seljé singt Sinatra beim Ötlinger Kulturkreis. Foto: Nicole Mohn

Kirchheim. Die einen nennen ihn liebevoll Ol‘ Blue Eye, die anderen ehrfurchtsvoll „The Voice“: Frank Sinatra ist bis heute einer der ganz

NICOLE MOHN

Großen im Showgeschäft. Auch Wolfgang Seljé schwärmt für den Entertainer. Sein Programm „Schengat se mr Zeit“ ist seine Hommage an den Sänger, der sich mit Songs wie „I did it my way“ unsterblich machte. Am Samstagabend gastierte er mit Swing-Klassikern und schwäbischen Goodsla beim Kulturkreis Ötlingen.

Der Smoking sitzt, die Schuhe glänzen. Ganz wie bei seinem großen Vorbild. Allerdings in seinem Glas schwappt Mineralwasser. Sinatra selbst griff da lieber zum Whisky, auch auf der Bühne. Und auch auf großes Orchester muss Seljé verzichten, das spielt nur in Konservenform.

Zum Warm-up gibt es den Klassiker „Fly me to the moon“ und „Moonriver“. Seljés Bariton passt gut zu den Stücken, wenn auch hier und da ein paar kleine Wackler zu hören sind. Doch dann ist erst mal Schluss mit Musik. Seljé setzt sich auf einen Barhocker und erzählt. Wie er im elterlichen Wohnzimmer mit der Eckbank und dem Nussbaum-Furnier-Tisch zum Hochkurbeln Heintje lauschte. Und dann die Erleuchtung erlebte, als er Sinatra singen hörte. „Das will ich auch“, dachte sich Klein-Seljé damals.

Wie es schlussendlich dazu kommt, dass er als schwäbischer Sinatra auf der Bühne steht, verrät er allerdings erst weitaus später. Zunächst darf sich das Ötlinger Publikum Seljés Lebensgeschichten weiter anhören, von seinen ersten Gehversuchen als Sänger im Jungen Chor Sindelfingen über die Gesangsausbildung bei der Musikschule in Leinfelden bis hin zur Scheidung von der ersten Frau. Im Publikum macht sich unbehagliche Stille breit. So genau hat das hier eigentlich keiner wissen wollen.

„Schengat se mr Zeit“ fleht Seljé zur Melodie von „Strangers in the night“ und philosophiert auf Westentaschen-Niveau darüber, wie wichtig es ist, jemandem Zeit zu schenken. Gefälliger ist da schon seine swingende Liebeserklärung an Stuttgart.

Zu großer Form läuft Seljé nur auf, wenn er seine kleinen „Goodsla“ anstimmt. Die verschmitzte Verballhornung von Bob Marleys „No woman, no cry“ in „Do nom ond do nai“ singt das Publikum begeistert mit. Und kreischt begeistert auf, als es in dem schwermütigen „Eschd gseh“ den Beatles-Klassiker „Yesterday“ erkennt.

Die Goodsla retten den Abend, der ansonsten wenig mehr gewesen wäre, als ein unterhaltsamer Karaoke-Abend mit Selbstfindungstrip. Wie viel authentischer wäre der Abend gewesen, hätte sich der schwäbische Sinatra am Klavier begleiten lassen. So aber stand der Flügel abgedeckt in der Ecke. Von seinem Idol kann sich Seljé als Entertainer noch einiges abgucken.