Kirchheim

Der Zoll hat zu wenig Personal

Gastronomie 180 Hotels und Gaststätten wurden letztes Jahr vom Stuttgarter Zoll kontrolliert. Fast die Hälfte der Betriebe verstößt gegen den gesetzlichen Mindestlohn.

Mit mehr Personal beim Zoll könnten Verstöße gegen den Mindestlohn besser aufgedeckt werden. Dieser Meinung ist die Gewerkschaft
Mit mehr Personal beim Zoll könnten Verstöße gegen den Mindestlohn besser aufgedeckt werden. Dieser Meinung ist die Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten. Foto: pr

Verstöße gegen den gesetzlichen Mindestlohn werden im Landkreis Esslingen zu selten geahndet - vor allem im Gastgewerbe. Das bemängelt die Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten (NGG) in einer Pressemitteilung. Das Hauptzollamt Stuttgart hat demnach im vergangenen Jahr 180 Gastro-Betriebe kontrolliert. Das seien lediglich vier Prozent aller Hotels und Gaststätten, für die die Finanzkontrolle Schwarzarbeit (FKS) beim Stuttgarter Zoll zuständig ist. Im Jahr zuvor hatten die Beamten 210 Betriebe im Gastgewerbe geprüft. Allein im Kreis Esslingen zählt die Branche rund 900 Betriebe.

Insgesamt überprüfte das Hauptzollamt im letzten Jahr 884 Arbeitgeber auf Schwarzarbeit, Lohn-Prellerei und Betrug bei der Sozialversicherung. Wegen Verstößen gegen den gesetzlichen Mindestlohn verhängten die Kontrolleure dabei Bußgelder in Höhe von knapp 2,5 Millionen Euro und leiteten 147 Ermittlungsverfahren ein - 88 davon im Gastgewerbe. Diese Zoll-Bilanz geht aus einer aktuellen Anfrage der Arbeitsmarkt-Expertin Beate Müller-Gemmeke (Grüne) an das für den Zoll zuständige Bundesfinanzministerium hervor, die der NGG vorliegt.

Deren Geschäftsführer Hartmut Zacher nennt die Zahlen alarmierend. „Von der Einführung des gesetzlichen Mindestlohns Anfang 2015 sollten die Beschäftigten im Gastgewerbe besonders profitieren. Aber viele Kellner und Köche gehen offenbar leer aus. 88 eingeleitete Ermittlungsverfahren bei nur 180 geprüften Betrieben zeigen, dass die Zahl der Arbeitgeber, die ihren Beschäftigten den Mindestlohn vorenthalten, noch immer viel zu hoch ist“, klagt Zacher.

Der Zoll müsse seine Kontrollen auch im Kreis Esslingen nun dringend ausweiten, fordert er. Es dürfe nicht der Eindruck entstehen, der Mindestlohn von derzeit 8,84 Euro pro Stunde gelte nur auf dem Papier. „Je stärker der Zoll kontrolliert, umso mehr steigt das Risiko für Arbeitgeber, bei Tricksereien erwischt zu werden. Die Politik hat den Mindestlohn per Gesetz vorgeschrieben. Jetzt muss sie endlich dafür sorgen, dass er überall eingehalten wird.“

Bundesweit sank die Zahl der Zoll-Kontrollen im Gastgewerbe nach Angaben des Bundesfinanzministeriums allein im letzten Jahr um 17 Prozent. Die NGG zweifelt dabei an einem „ernsthaften Interesse des Ministeriums, künftig mehr zu kontrollieren“. Stattdessen habe sich Wolfgang Schäuble zuletzt für eine Lockerung des Arbeitszeitgesetzes und tägliche Arbeitszeiten von bis zu 13 Stunden im Gastgewerbe ausgesprochen. Hartmut Zacher befürchtet, so könnte „tagtäglicher Gesetzesbruch legalisiert werden“. Dem erteilt die NGG eine Absage. Entscheidend seien mehr Kontrollen: „Wenn wenig kontrolliert wird, blüht ein Schwarzmarkt mit der Arbeit, und dem Staat entgehen Millionen.“

Die NGG fordert deutlich mehr Personal für die Finanzkontrolle Schwarzarbeit, um wieder auf ein „ordentliches Kontroll-Level“ zu kommen. Zacher betont: „Bei der Einführung des Mindestlohns hatte die Bundesregierung 1 600 zusätzliche Kontrolleure für die FKS versprochen. Davon ist bislang weit und breit nichts zu sehen.“ pm