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„Dichta isch a Mordsgenuß“Info

Hans Paulins drittes „Büchle“ ist ab sofort im Kirchheimer Buchhandel erhältlich: „A bissle oiga“

Der Kirchheimer Hans Paulin präsentiert sein neuestes Buch mit schwäbischen Texten. Auf der Seite, die er gerade aufgeschlagen h
Der Kirchheimer Hans Paulin präsentiert sein neuestes Buch mit schwäbischen Texten. Auf der Seite, die er gerade aufgeschlagen hat, geht es um einen tobenden Regenwurm mit fatalem „Drang nåch oba“.Foto: Jean-Luc Jacques

Kirchheim. Als ganz „oiga“ hat sich der Kirchheimer Hans Paulin immer schon erwiesen, seit er Gedichte schreibt. Er trifft seinen ganz eigenen schwäbischen Ton, und dazu

gehört auch sein ganz eigener, hintergründiger Humor. Seine Texte stimmen nicht nur nachdenklich, sie sind es auch wert, dass man über sie nachdenkt. Und trotzdem „verpackt“ Hans Paulin seine Gedanken in feine ironische Untertöne. Dabei macht er sich nicht nur über die Eigenheiten anderer lustig, sondern nimmt sich durchaus auch selbst auf den Arm.

Beispiel gefällig? Unter der hochtrabend wirkenden schriftdeutschen Überschrift „Lob der Lyrik“ steht in seinem neuen Gedichtband ein einfacher Zweizeiler, der trotzdem den gesamten Zwiespalt einer schwäbischen Dichterseele in sich vereint: „Dichta isch a Mordsgenuß, / wenn mer drvo‘ net leba muß!“ Leben muss der pensionierte Pädagoge zu seinem großen Glück nicht von seiner Dichtung, denn auch in diesem Fall verweist er mustergültig auf die Grundproblematik eines Brotberufsdichters: „‘s håt halt no‘ neamerd a Millio‘ ‘bota für a gelongen‘s Gedicht.“

Und so verkauft Hans Paulin auch seinen dritten Gedichtband mit dem Titel „A bissle oiga“ in bewährter Weise auf eigene Rechnung. Deshalb kann er selbstbewusst in der Gebrauchsanleitung auf ein Manko seines Büchleins hinweisen, und die Begründung wird jeder Schwabe sofort nachvollziehen können: „Mit Seitazahla, Inhaltsverzeichnis ond Worterkläronga wär‘ mir des Büchle oifach z‘ teuer worda.“ Letztlich hat er dabei also auch an seine Leser gedacht, denen er die zusätzlichen Seiten und damit die zusätzlichen Kos­ten erspart hat. Der schwäbische Leser weiß das dankend zu schätzen.

Ist Hans Paulin also ein typischer Schwabe, der mit schwäbischen Klischees nur so um sich wirft? Nein, das will er auf gar keinen Fall sein. „Ich versuche, Klischees aus dem Weg zu gehen“, sagt er im Gespräch – um gleich darauf ebenso realistisch wie bescheiden nachzuschieben: „Aber das ist nur ein Versuch. Es gelingt mir nicht immer.“ Im Buch selbst, und zwar schon im Vorwort, nimmt er etliche schwäbische Klischees unter die Lupe. Aber seien es nun Maultaschen, seien es Spätzle oder ein Pfitzauf, seien es die Sparsamkeit, der Geiz, die Maulfaulheit oder selbst der Fleiß – Hans Paulin stellt fest: Das gibt es „überall uf dr Welt“.

Das einzige, was wirklich besonders und einzigartig ist an den Schwaben, ist für ihn „oi‘ gotziga Sach, die ons ganz alloi‘ oiga isch ond au oiga sei‘ lässt: onser schwäbischa Mundart.“ Das bedeutet also, dass nicht nur der Autor oder seine Texte mitunter „a bissle oiga“ sind, sondern vor allem die Sprache, in der er sich ausdrückt: seine eigene schwäbische Mundart mit all ihren Eigenarten, Eigenheiten und Eigentümlichkeiten.

Dabei ist das Dichten als solches keine Eigenart Hans Paulins. Auch seine Eltern haben sich beide dichterisch betätigt – sein Vater einigermaßen ernsthaft, seine Mutter dafür schon mit viel Humor: In ihrem thüringischen Heimatdorf hat sie früher immer die Kirchweihpredigt zusammengereimt, in der sie alle denkwürdigen Ereignisse des jeweils zurückliegenden Jahres humorvoll aufs Korn nahm. Auf Hans Paulins Söhne hat sich die poetische Veranlagung bis jetzt noch nicht erfolgreich übertragen. Aber dafür gibt es in der Familie noch ein weiteres Talent. Sowohl der Vater als auch die beiden Söhne sind gute und leidenschaftliche Fotogra­fen. Unter anderem deshalb habe er dringend ein drittes Büchlein auf den Markt bringen müssen, erzählt der Autor: Während er den ersten Band – „So zwischanei“ – vor drei Jahren mit eigenen Bildern versehen hatte, stammten die Fotos des zweiten Bands – „sich am Kloina freua“ – im Jahr darauf von seinem Sohn Tilman.

Für den aktuellen Band wiederum hat sein Sohn Sebastian Paulin in seinem umfangreichen Fotoarchiv ge­kramt. Texte und Bilder seien fast immer unabhängig voneinander entstanden, erzählt der Vater: „Sebastian hat meine Texte gelesen und dann in seinem Fundus nach Bildern geschaut, die dazu passen.“ Das Ergebnis kann sich mehr als sehen lassen, und immer wieder stellt sich die Frage, ob es gerade das Bild ist, das den Text illustriert, oder ob es eher der Text ist, der das Bild kommentiert.

Schon allein das Titelbild passt ganz wunderbar zum Motto „A bissle oiga“: Es zeigt eine Schnecke, die beharrlich ihren Weg „geht“, mit unternehmungslustig ausgestreckten Fühlern. Auf dem Asphalt bleiben deutliche dunkle Flecken zurück. Sie hinterlässt also Spuren, und außerdem geht es perspektivisch aufwärts mit ihr. In diesem Bild steckt folglich ein symbolisch verhaltener Optimismus, der auch in dem kurzen Text „Kommunikatio‘“ letztlich zum Ausdruck kommt: „Daß mr net verstanda wird, isch d‘ Regel. Daß mr sich trotzdem verstanda fühlt, kommt ällamål vor. – Blos daß mr wirklich verstanda wird, då drauf muss mr halt a bissle länger warta!“

Ein bisschen länger warten mussten die Paulin-Fans in und um Kirchheim nun auch auf sein drittes Buch. Das liegt daran, dass er bei den Texten nicht mehr so sehr aus seinem eigenen Fundus schöpfen konnte, der sich in mehr als 40 Jahren angesammelt hatte. Überwiegend handelt es sich bei den Gedichten, Geschichten und Aphorismen im neuen Buch also um neue Texte, die in den vergangenen beiden Jahren entstanden sind.

Mitunter gehören dazu auch leicht sarkastische Kommentare zu aktuellen Themen der Tagespolitik. So schreibt er über die verzweifelten Versuche einer Ministerin, an ihrem Doktortitel festzuhalten, sie wolle „vor Gericht beweisa, dass se koi‘ Schlitzohr isch, sondern blos a bissle domm“. Und dann kommt er zu dem persönlichen Schluss: „Då moin‘ i‘: Den Aufwand könnt‘ se sich spara!“

Hans Paulin selbst treibt natürlich einen großen Aufwand mit seinen Texten und Büchern. Aber auch dabei bleibt er bescheiden und „a bissle oiga“. Weder hält er sich für einen „Weltverbesserer“ noch für einen „Spracherhalter“. Möglicherweise gebe er einen aktuellen schwäbischen Sprachstand wieder, was in späteren Zeiten vielleicht einen gewissen dokumentarischen Wert haben könnte. Aber auch da schränkt er schon wieder ein: „Perfektes Schwäbisch gibt‘s ja gar net.“ Dennoch verbürgt er sich nicht nur selbst für sein Schwäbisch, sondern verweist darauf, dass auch seine Frau Birgit „als Erstlektor und Erstkorrektor“ die Mundart stets noch einmal kritisch überprüft.

Und was will Hans Paulin mit seinen Büchern erreichen? Auch da ist er recht bescheiden: „Wenn die Leute ihre Freude daran haben, dann macht mir das auch Freude.“ Zu diesem Thema gibt es ebenfalls einen exemplarischen Kurztext, mit dem Titel „Schlemm“: „A ei‘gebildeter Nixkönner isch scho‘ schlemm. Blos no‘ viel schlemmer isch a ei‘gebildeter Könner!“ Schlimm ist Hans Paulin also nicht, denn er ist zwar ein Könner, aber ganz bestimmt nicht eingebildet.

Das Buch „A bissle oiga“ erscheint in kleiner Auflage und ist im Kirchheimer Buchhandel oder beim Autor erhältlich.