Kirchheim

Die Jugendarbeit wird zum Rettungsanker der Vereine

Vereinssterben Der Musikverein Ötlingen sucht seit Monaten einen Wirtschaftsleiter. Das ist kein Einzelfall: Die Bereitschaft, sich an ein Ehrenamt zu binden, sinkt. Von Thomas Krytzner

Der Nachwuchs ist die große Hoffnung der Vereine. Anders ist es schwierig, an Menschen zu kommen, die sich ehrenamtlich an einen
Der Nachwuchs ist die große Hoffnung der Vereine. Anders ist es schwierig, an Menschen zu kommen, die sich ehrenamtlich an einen Verein binden wollen.Fotos: Markus Brändli/Thomas Krytzner

Noch im März muss der Ötlinger Musikverein einen Ersatz für Thomas Klotz finden. Thomas Klotz - das ist ein Urgestein des Vereins. Seit 20 Jahren ist er aktiv, seit mehr als zehn Jahren kümmert er sich um die Organisation bei Festen und anderen Anlässen. Zur nächsten Hauptversammlung tritt er von seinem Ehrenamt als Leiter des Wirtschaftsteams zurück.

Klotz selbst spielt kein Instrument. „Ich bin damals durch meine Tochter zum Verein gekommen“, erzählt er. Grinsend verrät er, dass er sich vom einfachen Helfer, Grillmeister und Bierzapfer zum zentralen Organisator hochgearbeitet hat. „Die meisten Helfer sind Eltern von ehemaligen Musikern im Verein“, ergänzt er. Die Musiker haben heute teilweise in andere Vereine gewechselt oder die Musik ganz aufgegeben. Die Eltern sind geblieben.

 

Der Musikverein Ötlingen hat rund 200 Mitglieder, davon sind 20 aktive Musiker und 20 ehrenamtliche Helfer. „Wenn es drauf ankommt, gibt es auch mehr Menschen, die helfen. Kurzfristig haben wir kein Problem, mehr Personal zu finden.“ Denn wenn Feste anstehen, wie etwa das Maibaumstellen oder das Herbstfest, sind etwa 30 Positionen und Aufgaben zu verteilen. Doch auch das muss jemand machen.

Hilfe aus anderen Vereinen

Schon einen Monat vorher beginnt Thomas Klotz damit, die Helfer einzuteilen. „Das ist wie im Ameisenhaufen“, sagt Klotz. „Den Helferstamm zu disponieren, wenn immer wieder Absagen kommen, ist schier unmöglich, und doch klappt es am Schluss immer.“ Kurz vor dem Fest steigt die Anspannung, manchmal ist auch der Ton etwas rauer, aber sobald der Event steigt, sei die Stimmung wieder gut. Das liegt nicht zuletzt daran, dass sich die Vereine gegenseitig zur Seite stehen: „Mitglieder von der Fußballabteilung des TSV Ötlingen übernehmen zum Beispiel oft den Bierwagen. Wir helfen uns“, erzählt Klotz. Wenn er und der Erste Vorsitzende des Vereins, Josef Schneider, jedoch in die Vereinszukunft blicken, werden sie nachdenklich: „Das durchschnittliche Alter in unserem Musikverein ist relativ hoch“, sagt Schneider. Die Jugendarbeit wird immer wichtiger, damit der altersbedingte Mitgliederschwund aufgefangen werden kann. „Früher traten die Leute bei, weil schon die Eltern aktiv waren oder weil ein Fest gut war“, sagt Schneider. Heute funktioniere das nur noch über gezielte Jugendförderung.

Beiden ist klar, dass sich immer weniger Menschen an das Vereinsleben binden wollen. „Die Feste dienen dazu, Geld für die Jugendarbeit zu verdienen. Neuanschaffungen oder Reparaturen von Instrumenten verursachen hohe Kosten.“ Klotz vermutet, dass viele denken, die Vereine würden mit den Festen reich werden. Das sei längst nicht mehr so. Zudem gebe es ja kaum noch Dirigenten im Ehrenamt. Diese bekämen zumindest eine Aufwandsentschädigung. Den Musikern scheint bewusst zu sein, dass Ehrenämter wichtig sind. Diese zu besetzen, ist trotzdem schwierig. „Die Leute stehen nicht Schlange“, sagt Schneider.

Händeringend sucht der Vereinsvorstand seit mehreren Monaten erfolglos einen Nachfolger für das Team Wirtschaft. Der Aufwand für das Ehrenamt ist auf das Jahr gesehen gering. Zu den Anforderungen zählen eine breite Schulter und ein dickes Fell. „Die Kunst ist es“, sagt Klotz, „genügend Helfer zu motivieren. Die anderen Aufgaben sind mechanischer Natur.“ Er verweist auf einen langjährigen Musiker im Verein, der seit 40 Jahren für die Infrastruktur der Feste sorgt, Manfred Loy. Genau diese Leute brauche es, damit die Vereine in Zukunft überleben können. Josef Schneider und Thomas Klotz überlegen sich mittlerweile, die Aufgaben der Stelle zu teilen, damit nicht einer allein alles erledigen muss.

Thomas KlotzFoto: Thomas Krytzner
Thomas KlotzFoto: Thomas Krytzner