Kirchheim

Die musikalische Schatztruhe öffnen

Benefizkonzert Bezirkskantor Ralf Sach gab Bachs Goldbergvariationen zum Besten.

Kirchheim. Die Goldbergvariationen von Johann Sebastian Bach sind musikgeschichtlich gesehen ein Höhepunkt barocker Variationskunst, planvoll durchstrukturiert und ein grandioses Beispiel für die Vielzahl barocker Satzformen. Doch sie sind noch viel mehr. Es ist, als hätte Bach mit meisterlichem Können, viel Fantasie und einer Portion Schalk im Nacken eine musikalische Schatztruhe gefüllt. Wer sie öffnet, kann ihr mit Hingabe und Spielfreude die musikalischen Kleinode in Form einer Arie und 29 Variationen entlocken und diesen - je nach Instrument und Interpretation - unterschiedliche Klangfarben verleihen.

Bezirkskantor Ralf Sach spielte die Goldbergvariationen im Rahmen eines Benefizkonzertes für die Vesperkirche auf der Garnier-Orgel der Auferstehungskirche in Kirchheim. Was die Klangfarben betrifft, bietet die Aufführung auf der Orgel sogar mehr Möglichkeiten als auf einem herkömmlichen Klavier.

Die zweiteilige Aria, deren Taktzahl auch die Anzahl der Stücke vorgibt, ist die Grundlage der Variationen. Weich fließend, doch gleichzeitig akzentuiert, wurde sie von Ralf Sach dargeboten. Mit angemessener Agogik und abwechslungsreicher Registrierung erweckte Ralf Sach die einzelnen Variationen zum Leben.

Mal schienen die einzelnen Stimmen wie bei der Triosonate in Variation 2 miteinander im Gespräch zu sein, während sie beim Passepied in Variation 4 majestätisch und imposant auftraten. Spielerisch und ernst zugleich jagten sich die Sechzehntelketten bei der Canone alla Seconda. Bei den technisch anspruchsvollen Variationen 5, 14, 20 und 23 - von Bachs Sohn Carl Philipp als eine „Sehr eingerissene Hexery“ bezeichnet - nutzte Ralf Sach die beiden Manuale der Garnier-Orgel und erleichterte sich damit das erforderliche Überkreuzen der Hände.

Die Gigue in Variation 7 geriet auf der Orgel etwas schwerfälliger als sie auf einem Cembalo geklungen hätte, während die Möglichkeiten der Orgel für die Chorfuge Variation 22 und vor allem für die Toccata in Variation 29 genau das Richtige waren - der volle Klang der Garnier-Orgel konnte sich bei der Toccata voll entfalten.

Die Aria der Variation 13 klang sehr reizvoll durch den Gegensatz der hell bewegten Oberstimme über der ruhigeren Linie der linken Hand. Mit Variation 16 - einer Ouvertüre im französischen Stil - wird der zweite Teil der Variationen eröffnet, was mit vollem Klang, gleichzeitig hell und vielseitig, gelang. Wunderschön das Menuett Variation 19 - schnell und aufgeregt, als hätten die einzelnen Stimmen sich gerade viel Dringliches zu erzählen - und als ob auf einmal neckische Kobolde der Schatzkiste entstiegen wären.

Ganz anders im Charakter dagegen die Moll Variationen 21 und 25: klagend und eindringlich, doch nie verzagend. Besonders das Lamento Variation 25 mit seinen chromatischen Elementen bestach durch das moderate Tempo und den klagenden Unterton, der sich in nachdenkliche Schärfe löste - als gäbe es im Klagen einen offenen Blick für die Zukunft. Leichtfüßig dagegen gelang die Sarabande Variation 26, spielerisch positiv, frühlingshaft.

Nach 29 Variationen wird am Schluss die Anfangsarie wiederholt, Ruhe kehrt ein. Die Zuhörer bedankten sich bei Ralf Sach mit anhaltendem Applaus für das gelungene Konzert. Gabriele Rolfs