Kirchheim

Die Saddelfurzer unterwegs nach Hechingen

Strahlende Gesichter der Saddelfurzer nach der Eroberung des Hohenzollerns Foto: privat
Strahlende Gesichter der Saddelfurzer nach der Eroberung des Hohenzollerns Foto: privat

Kirchheim. Keiner der 13 teilnehmenden Saddelfurzer vom Trachtenverein Kirchheim war zuvor mit dem Rad in der Region Hohenzollern unterwegs. Grund genug für die Tourleiterin, eine Route auszuarbeiten. Zunächst führte der Weg entlang des schwäbischen Weinradwegs nach Beuren, Neuffen, Kohlberg, Kappishäu­sern und Metzingen. Sonne pur und eine Landschaft wie die Toscana, so beschreibt man diesen Weg am besten. Es dauerte bis zum Nachmittag, und plötzlich war sie da: die Burg Hohenzollern, und der Weg nach Hechingen war gut beschildert. Entlang der Eisenbahnlinie für die Hohenzollerische Albbahn entdeckte man historische Züge und ländliche Höfe. In Hechingen wurde der Gasthof Löwen für zwei Nächte beschlagnahmt.

Am zweiten Tag holte ein Stadtführer die Gruppe ab, um sie auf eine kleine Zeitreise in die Vergangenheit zu entführen. Orte wurden zu Schauplätzen, Namen zu Schicksalen, und sie wurden Augenzeugen der Vergangenheit. Hechingen, erstmalig 786 erwähnt, zeigt sich mit großer Vergangenheit, mit herrschaftlichen Residenzen, Kirchen und Synagogen, Rathaus und Marktplatzbrunnen, Bürgerhäusern und Türmen. Hechingen hatte in 500 Jahren jüdischer Geschichte drei unabhängige jüdische Gemeinden. Zwei von ihnen existieren ab Mitte des 18. Jahrhunderts nebeneinander. Die reichen Hofjuden errichteten die heutige Synagoge im Jahr 1767. Hechingen ist zudem ein Stück Preußen auf kleinem Raum. Der deutsche Kronprinz Wilhelm hatte Unterschlupf in einem Hechinger Bürgerhaus gefunden. Hier endete die Ära von Preußens Gloria. Man erfuhr die Geschichte vom Zylinderviertel. Nach dem Übergang der Hohenzollerischen Fürstentümer an Preußen entstanden dort die Villen der städtischen Oberschicht, nicht zuletzt der preußischen Beamten, der Zylinderträger eben. Ebenso spannend wie unterhaltsam war die Geschichte der Fürstin Eugenie und das Erbe Napoleons. Kaum jemand wusste, dass die hochbegabte Eugenie de Beauharnais als Fürstin von Hohenzollern-Hechingen zwischen 1826 und 1847 das blutige Erbe ihres Stief-Großvaters Napoleons dazu genutzt hatte, das kleinste Fürstentum Deutschlands vor dem Ruin zu bewahren. Die Hechinger verehren sie als Hausheilige, ihr Wohnhaus, die Villa Eugenia, wurde Kinderhaus, und das Herz der Fürstin bekam einen Platz in der Seitenkapelle der katholischen Stiftskirche.

Auch Goethe staunte schon über die Stiftskirche St. Jacobus, doch die Tour der Saddelfurzer ging zur Klosterkirche St. Luzen. Vom Ordensleben der Mönche führte die Geschichte des Klosters bis hin zur barocken Kirchenorgel. St. Luzen war fromme Gebetsstätte, starkes Bollwerk gegen das evangelische Württemberg und gut gehende Brauerei.

Apropos - nach so viel Information durch die Jahrhunderte und Begegnungen mit den Nonnen und Mönchen, Hexen und Galgenvögeln, Herrschern und renitenten Untertanen, christlichen und jüdischen Gotteshäusern und Friedhöfen folgte der Stadtführer der Aufforderung, der Gruppe den schönsten Biergarten der Region zu zeigen, die Domäne. Auf schönstem Radweg, den nur Insider kennen, fuhr man an den Fuß des Hohenzollern, um eine Stärkung zu erhalten.

Nach der Pause radelte die Gruppe den Burgberg hinauf und traf 855 Meter über dem Meer auf die stolze Festung. Besucher aus aller Welt bewundern den Rundumblick über die Schwäbische Alb und das Albvorland. In Filzpantoffeln gleiten die Besucher durch die prachtvollen Räume wie Grafensaal, Markgrafenzimmer, den blauen Salon und natürlich die Schatzkammer. Zu besichtigen auch die berühmte Schnupftabakdose, die Friedrich der Große in seiner Westentasche mit sich führte und die sein Leben rettete. Auch die preußische Königskrone, die unter Kaiser Wilhelm II. angefertigt, aber nie getragen wurde, kann hinter Panzerglas bewundert werden.

Nach wie vor befindet sich die Burg im Privatbesitz des Hauses Hohenzollern und finanziert sich als Museumsbetrieb. Einen Satz konnten sich die Saddelfurzer trotz Dialekt sehr gut merken: Isch dr Fedza dussa, isch dr Lomp dinna, was so viel bedeutet wie: Wenn die Hohenzollernfahne weht, ist der Hausherr da.

Zurück über den Zollernberg in den Stadtteil Boll, um gesellig den Abend bei gutem Vesper und einem Brombeerschnäpsle von der Wirtin zu beenden.

Am Samstag gab es die einfache Radtour-Variante über den Neckarradweg nach Hause, vorbei am Barfußpfad nach Hechingen-Stein, über Tübingen nach Nürtingen und Kirchheim.Angelika Hummel