Kirchheim

Disco-Nacht-Prozess endet mit einem Freispruch

Urteil Schöffengericht in Kirchheim sieht keinen Nachweis für den Vorwurf der Vergewaltigung gegeben.

Symbolbild

Kirchheim. Nach acht Wochen ist ein Vergewaltigungsprozess am Kirchheimer Amtsgericht mit einem Freispruch zu Ende gegangen. Extreme Gegensätze zeigten sich bei dem Prozess nicht nur in den Aussagen der jungen Frau und des 23-jährigen Angeklagten, der die Tat von Anfang an bestritten hatte. Um extreme Gegensätze ging es auch beim möglichen Strafmaß: Staatsanwaltschaft und Nebenklagevertreterin sahen die Vergewaltigung - eine Berührung im Genitalbereich - als erwiesen an. Die Aussagen der Zeugin seien glaubwürdig und stringent. Ein Motiv für eine falsche Beschuldigung sei nicht gegeben. Die Geschädigte leide bis heute unter dem Geschehen vom April 2017. Die Forderung der Anklage lautete deshalb auf zwei Jahre und acht Monate Freiheitsstrafe für den Angeklagten aus dem Raum Nürtingen. Bewährung wäre bei diesem Strafmaß nicht möglich gewesen.

Der Verteidiger unterschied dagegen zwischen subjektiven Wahrnehmungen der Geschädigten und objektiv belegbaren Tatsachen. Vor allem nannte er dabei die „Zeitschiene“: Ein Foto, das an dem Abend kurz vor Mitternacht entstanden war, zeigt den Angeklagten mit einem „fremden“ Mädchen auf der Tanzfläche eines Clubs im Kirchheimer Kruichling - eng umschlungen und küssend. Keine 20 Minuten später wurde die Geschädigte im Club bereits zum Gehen aufgefordert, weil sie beim Tanzen mit einem anderen jungen Mann aus dem gemeinsamen Bekanntenkreis einen Stehtisch umgeworfen hatte.

Nach der Chronologie der Ereignisse, wie sie das Opfer darstellte, hätte sich nicht nur die Vergewaltigung in der kurzen Zeitspanne zwischen Foto und Rauswurf abspielen müssen, sondern auch ihr eigenes heftiges Besäufnis, um die Tat anschließend besser verdrängen zu können.

Der Alkoholpegel der jungen Frau war ein weiteres Argument für den Verteidiger, an ihren Aussagen zu zweifeln. Kurz vor halb fünf Uhr morgens wurden bei einer Blutprobe im Krankenhaus noch 1,7 Promille festgestellt. Sie habe auch später im Auto wirre Aussagen getätigt und ihre Begleiter mehrfach gebeten, sie nicht mehr zu schlagen. Dabei waren die Freunde dabei, der Frau zu helfen. Die „Schläge“ waren also der Fantasie entsprungen. Der Verteidiger sah nur eine Möglichkeit, die Aussage der Frau als wahr anzusehen: „Wenn ihr das zugestoßen ist, was sie schildert, dann war es nicht mein Mandant.“

DNA-Spuren fehlen komplett

Das Schöffengericht ist den Argumenten des Verteidigers gefolgt. Wie die Geschädigte zu ihrer Version der Ereignisse gekommen sei, erklärte Strafrichterin Franziska Hermle-Buchele unter anderem durch den Versuch, alkoholbedingte Erinnerungslücken unbewusst zu füllen. Sie wollte nicht sagen, die junge Frau habe gelogen. Aber die Tat könne sich trotzdem nicht so zugetragen haben. Vor allem liege das an fehlenden DNA-Spuren: Wäre alles so geschehen wie in der Anklage beschrieben, hätten zwingend Spuren des Angeklagten an der Kleidung der Frau haften bleiben müssen - wie umgekehrt Spuren der Zeugin an der Kleidung des Angeklagten.

Da der Tatnachweis im Sinne der Anklage nicht gegeben sei, bleibe als Konsequenz nur der Freispruch.Andreas Volz