Lokale Kultur

Ein jämmerlicher Kompositionsversuch

Stadtkapelle und Chor an der Martinskirche führen etwas hilflose Stücke auf

Kirchheim. Eine Uraufführung habe die Martinskirche wohl noch nie erlebt, meinte der Herr von der Martinskirchenstiftung am Sonntagabend daselbst. Recht hat er! So eine

Uraufführung gab es in dem alten Gemäuer sicher noch nie. Man möchte gar nicht wissen, wie der Komponist zum Auftrag der Gemeinde Rohrau (Geburtsort der Haydn-Brüder) gekommen ist, eine Messe in memoriam Michael Haydn zu komponieren, und man möchte auch lieber nicht erfahren, wie das Machwerk zum Chor an der Martinskirche und der Stadtkapelle gelangt ist.

Marc Lange hätte an jedem anderen Stück sein unzweifelhaft großes Können als Chordirigent unter Beweis stellen können. Unter seinem verzweifelt inspirierenden Dirigat blühte der Chor auf. Doch ein kompositorischer Leichnam wird auch durch dirigentische Mund-zu-Mund-Beatmung nicht lebendig.

Mit diesem jämmerlichen Kompositionsversuch wäre jeder Student bei der Abschlussprüfung mit Glanz und Gloria durchgefallen. Vielleicht hat dem südafrikanischen Komponisten ein gewisser Exotenbonus zum Erfolg verholfen; ob sich der Ort Rohrau damit einen Gefallen getan hat, sei dahingestellt, die Stiftung Martinskirche jedenfalls hat sich, sagen wir es einmal vorsichtig, damit blamiert.

Der altehrwürdige Bau der Stadtkirche hat gewiss schon viel Verschandelung über sich ergehen lassen müssen, doch eine solche Bank­rott-Uraufführungs-Erklärung wurde ihr bestimmt noch nie zugemutet.

Wenn es doch die einzige Ungeschicklichkeit dieses Abends gewesen wäre. Mitten im Konzert ein Chorpodium aufzubauen, das die Männerstimmen hinter dem Chorbogen akustisch zu Statisten degradiert, nachdem sie kurz zuvor von der Empore herab Sopran und Alt gnadenlos dominiert hatten, das kann man nur als missglücktes Experiment entschuldigen.

Doch wirklich unverzeihlich war, dass die Zuhörer keine Ahnung hatten, was gespielt und gesungen werden sollte; ein Programm war wohl zu teuer für das Benefizkonzert. Zwar mühte sich eine Sprecherin redlich, etwas über Komponisten, Stücke und deren Hintergrund zu erzählen. Aber das Wenige, was akustisch überhaupt zu verstehen war, trug eher zur Verwirrung, im besten Fall zur Erheiterung bei.

Was den Abend gerade noch rettete, war die witzige Ouvertüre, musikalisch belanglos, aber wenigstens unterhaltsam. Weniger die zweite Nummer, bei der eine Canzone oder so etwas Ähnliches von einem alten Italiener (17. Jahrhundert wohl) durch den musikalischen Fleischwolf gedreht wurde. Diese Art der Collagentechnik wirkte einfach nur peinlich. Kompositorisch viel besser das Stück mit einem Bach-Choral zum Thema.

Bewundernswert, mit welchem Ernst sich die Stadtkapelle diesen etwas hilflosen Stücken widmete. Überfordert waren die Musiker damit bestimmt nicht. Dasselbe gilt auch für den Chor. Wie hieß es im Gesangbuch: „Auf den Nebel folgt die Sonn . . .“