Kirchheim

Eine Jahresfahrkarte für einen Euro

Öffentliche Fraktionssitzung bei den Linken stößt auf großes Interesse

Die Fraktion der Linken hielt ihre Fraktionssitzung öffentlich in Kirchheim ab. Abschiebepraktiken und Sozialer Wohnungsbau waren die Hauptthemen.

Kirchheim. Ein Thema der Sitzung bewegte die Teilnehmer dabei am meisten: das aktuelle Vorgehen der Ausländerbehörde im Landkreis. Hier müssen sich die Zuwanderer melden, wenn sie ihre Aufenthaltsgenehmigung verlängern wollen.

Im Kreis Esslingen werden zurzeit Menschen, deren Aufenthaltserlaubnis abgelaufen ist, bei dieser Gelegenheit sogleich in der Behörde mit Handschellen gefesselt und nach Pforzheim ins Abschiebegefängnis gebracht und von dort aus nach Italien abgeschoben.

Manche der Betroffenen waren schon seit zwei Jahren in Deutschland, gingen hier zur Schule, sprechen gut deutsch und haben hier einen Freundeskreis und Partner gefunden, sind bereits hervorragend in Deutschland integriert. Abschiebung nach Italien, nicht weil sie dort versorgt würden, nein, nur weil sie formal über Italien in die EU eingereist sind. In Italien erwartet sie ein Leben auf der Straße. Das Vertrauen in diese Behörde sei beschädigt und die Gefahr groß, dass sich viele Betroffene nicht mehr dort hin- trauen, um ihren Ausweis verlängern zu lassen und stattdessen lieber abtauchen. Der Fraktionsvorsitzende Peter Rauscher fordert in einem Brief an Landrat Heinz Eininger, diese Vorgehensweise zu beenden.

Große Resonanz unter den Zuhörern fand auch ein Bericht vom Fachtag Wohnen. Bei dem Fachtag ging es um Menschen, die aus normalen Wohnverhältnissen rausgeflogen sind, von Obdachlosigkeit bedroht oder betroffen sind. Im Kreis sind das gegenwärtig 1 441 Menschen. Damit sind im Kreis Esslingen, gleich hinter den großen Stadtkreisen, die meisten Menschen von allen Landkreisen in Baden-Württemberg. Viele davon werden in sogenannten „Schlichtwohnungen“ oder in Behelfs- und Notunterkünften untergebracht.

Es gibt aber bessere Konzepte. Zwei davon wurden auf dem Fachtag Wohnen ausführlicher vorgestellt: Die Stadt Karlsruhe mietet seit 20 Jahren Wohnungen an, saniert sie und vermietet sie an Bedürftige weiter, wobei die Stadt für die Mietzahlungen einsteht. Die Stadt Wien kennt das Problem der Obdachlosigkeit gar nicht. Dort gibt es seit Jahren einen sehr hohen Anteil von sozialen und kommunal gefördertem Wohnungsbau, derzeit 42  Prozent. Wichtiger Platz wird nicht durch Parkplätze verschwendet. Dafür bietet die Stadt eine Stadtfahrkarte für das gesamte Wiener Stadtgebiet für 365 Euro im Jahr – also für einen Euro pro Tag – an.

Kirchheim würde seit Jahren auf öffentlichen Wohnungsankauf und -bau verzichtet. Darüber hinaus würde es zugelassen, dass immer noch circa 700 Wohnungen leer stehen.

Noch immer gibt es keine klare Offensive für mehr kommunalen und genossenschaftlichen Wohnungsbau. „Bisher hat man sich damit begnügt, öffentlichen Grund und Boden für private Investoren für teure Wohnungen zur Verfügung zu stellen. Auch in Kirchheim müssen endlich Konzepte verfolgt werden, die mehr Wohnraum für Menschen mit niedrigen Einkommen schaffen“, forderte Heinrich Brinker, Kreisvorsitzender der Linken, Esslingen.pm