Lokale Kultur

Erfrischendes vom Fisch

Musikkabarettistische Delikatessen mit Daniel Helfrich im Neidlinger Lammsaal

Neidlingen. Die Neidlinger-Künstlerbühne war beim jüngsten Gastspiel nicht ausverkauft und litt etwas unter dem zu guten Wetter. Der stets

Wolf-Dieter Truppat

aufbrandende Applaus hätte aber einem doppelt so großen prall gefüllten Saal zur Ehre gereicht.

Mit seinem Programm „MusiZierFische“ mit dem Zusatz „Ausgenommen werden wir alle“ präsentierte Daniel Helfrich Delikatessen, die trotz aller Bekömmlichkeit nie ganz auf risikoreiche Variationen und die dafür in Kauf genommenen Gräten verzichtete.

Bevor er auf Unterschiede und Gemeinsamkeiten von Mensch und Fisch eingehen konnte – etwa Schuppen, die im ländlichen Raum durchaus Traktorgröße haben können – lobte der Routinier zunächst sein Publikum. Neben dem „Mann mit dem schönen Hemd“ waren da vor allem die schmachtenden Blicke von Claudia. Mit ihr bestritt er sein Finale, das der „Muse auf Zeit“ immerhin ein sie vollends bezauberndes „Fischquartett“ einbrachte.

Alle waren von Beginn an zur Mitarbeit verpflichtet, denn im intimen Kreis galt es zusammenzuhalten, für eine lautstarke Geräuschkulisse zu sorgen, Tiergattungen zu erraten oder zu singen.

Im Odenwald – und damit im „Hartz für Arme“ – geboren, saß Daniel Helfrich schon mit sieben Jahren erstmals am Klavier, das er daher überzeugend gut im Griff hat. Der Pädagoge mit den Studienschwerpunkten Musik und katholische Theologie hatte schon früh Chöre geleitet und sich auf Konzertreisen begeben, die ihn nach Ungarn, in die Tschechoslowakei, nach Moskau und Sankt Petersburg und – nicht direkt zum Papst aber– nach Rom führten.

Vielseitig interessiert und begabt beackerte der Vollblutmusiker das ehrenwerte hoch angesehene Feld der Klassik, spielte mit Topmusikern aus dem Jazz-Bereich, produzierte in Bombay mit einem gefeierten indischen Tablar-Star eine CD mit eigenen Kompositionen und machte nicht zuletzt auch mit der Rock‘n‘Roll Showband „The Crazy Petticoats“ verrückte Sachen.

Dass Daniel Helfrich sich nicht auf Klassik oder die katholische Kirche konzentrierte, sondern auf sein kabarettistisches Talent setzt, ist gut. Sein erstes Solo-Programm brachte ihm viel Applaus, zahlreiche Nominierungen für namhafte Wettbewerbe, renommierte Auszeichnungen und entsprechende Fernseh-Präsenz ein. Vor allem schrie es nach einer Fortsetzung, die in Neidlingen nun exklusiv vor ausgewähltem Auditorium über die Bühne ging.

Dass sich sein Publikum nicht durch Masse sondern durch gute Geber- und Nehmerqualitäten garantierende Klasse auszeichnete, machte

Ausgefeilte Texte, virtuose Vielfalt und Boogie-Woogie

den Abend zum Vergnügen. Der Virtuose wollte ja nicht nur mit ausgefeilten Texten und musikalischer Vielfalt beeindrucken, sondern mit mitreißendem Boogie-Woogie euphorisieren, mit Wortspielen brillieren und mit seinem Sprachbiss zugleich zum aktiven Mitdenken animieren.

Auch wenn er sich „nie wieder mit einer Erdkundelehrerin einlassen“ würde, verdankt er ihr doch eine großartige Nummer, die zu allen möglichen Metropolen, fernen Ländern und deren oft schwer auszusprechenden Ureinwohnern führte. Sinn und Unsinn lagen dicht beieinander und sorgten für landeskundlich-semantisches Vergnügen und Freude am Spiel mit Namen, Worten und nicht immer ganz lautreinen und sinnsicheren Bedeutungs-Collagen.

Daniel Helfrichs Wortwitz-Kollege Willy Astor muss sich nach einem so überzeugenden Landes- und Sprachgrenzen bunt durcheinander wirbelnden Kraftakt überlegen, ob er weiterhin selbstbewusst behaupten kann, „wortspiel ist reinmeingebiet“. Der aalglatt tieftauchende Helfrich tut mit seinen Oden an die oft unsinnig zusammengemischt wirkenden Verständlich- und Missverstehensmöglichkeiten des Sprachspiels auch ganz schön „Butter bei die Fische“.

Was sich in Helfrichs Teich so alles tummelt erstaunt. Sofort zu erkennen ist der „Spezi-Fisch“ am musikalischen Begleitprogramm. Der fast ekstatischen Begeisterung für Bionade, die verführerisch hip, erfrischend und ökomäßig cool tut, folgt der konsequente Bruch mit der elitärer Getränkeprimadonna und die reumütige Rückkehr in die Aura der fragwürdige Anziehungskraft verbotener Cola mit sündig dunkler Süße in Flaschen mit frivolem Hüftschwung. Dass der in braun-gelb-gehaltener Ying & Yang-Semiotik gestaltete Fisch mindestens zur Hälfte Helfrichs Lieblingsdroge in sich tragen muss, war leicht zu erkennen.

Ein anderes erstaunliches Exemplar aus dem vibrierenden Fischbecken kam nicht – wie von der Kirche einst gedacht – als Scheibe und daher flach wie eine Flunder daher, sondern rund wie ein Globus. Dass es sich bei dieser Kugel voll aufgemalter Kontinente und Wasserflächen um die seltene Gattung des „Geogra-Fischs“ handelt, überraschte alle.

Der nichts verbergende „Porno­gra-Fisch“ machte es leichter, seinen Gattungsnamen herauszufinden.

Wenn die Fortpflanzung über Laichen geht

Außerdem verriet der gewitzte Fischverwerter, dass dessen Fortpflanzung „über Laichen geht“.

Bei einem „Tag der offenen Tür in der geschlossenen Anstalt“ verspottete Daniel Helfrich auch wie Presswürste in ihre grellbunten Klamotten gestopfte Radler, konzentrierte sich beim Tagtraum vom „Lebens am Limit“ eher auf Fischkarte und passende Beilagen. Ob ein Salat nach „zu viel Ketch up“ und „Mayo ran“ overdressed sein kann, interessierte ihn genauso wie der Gedanke, ob es für Gewürzhändler wohl auch Schnupperkurse gibt oder warum ausgerechnet der Pfeffer als schwarzes Schaf in der Gewürzfamilie immer das Salz in der Suppe sein will.

Nach munter präsentierten und zum Mitsingen motivierenden Medleys, die allseits bekannten Welthits plötzlich ganz neue Bedeutungen verliehen und in völlig überraschende Zusammenhänge gestellt, nahtlos aneinander gereiht wurden, brannte Daniel Helfrich noch ein mutiges Spiel mit dem Feuer ab. Bei seiner voll Andacht und Empathie präsentierten Version von „Candle in the Wind“ wurde die feierlich entzündete Kerze nicht ausgepustet sondern vom Burnout-Syndrom gnadenlos ausgelöscht. Da vermittelte das vehement eingeforderte Küsschen dann doch noch etwas finalen Trost und ein echtes Happy-End.