Kirchheim

Es fehlt vor allem an den „Soft Skills“

Handwerk Bundesweit verschwinden Bäckereien und Metzgereien. In der Region widersetzen sich Betriebe dem Trend trotz Schwierigkeiten, Nachwuchs zu bekommen, wie zwei Beispiele aus Kirchheim zeigen. Von Thomas Zapp

*
*

Nachwuchssorgen im Bäckerhandwerk? In der Familie hat Peter Kienzle diese nun wirklich nicht: Alle drei Söhne arbeiten in der Kirchheimer Familienbäckerei, Philip, der Mittlere, ist sogar Bäckermeister. Am meisten überrascht das den Seniorchef selbst. „Bei Philip hätte ich jede Wette gemacht, dass er kein Bäcker wird.“ Der Zweitgeborene war ein Computer-Freak und wollte eigentlich Informatik studieren, hat aber schon zu Schulzeiten immer in der Bäckerei gejobbt. „Das hat mir soviel Spaß gemacht, dass ich dann doch Bäcker geworden bin.“ Seine Begeisterung hat ihn 2011 zum zweitjüngsten Meister in ganz Deutschland werden lassen.

Da stellt sich Kienzle gegen einen Trend. Die Lehrlingszahlen im Raum Stuttgart inklusive Landkreis Esslingen sind nach Angaben der Handwerkskammer von 137 im Jahr 2011 auf 77 im Jahr 2018 gesunken. Im selben Zeitraum sank die Zahl der Betriebe von 413 auf 323. In ganz Baden-Württemberg sind in den vergangenen zehn Jahren mehr als 600 Betriebe verschwunden. „Jährlich sind das drei Prozent, das geht seit den 50er-Jahren so“, sagt Mathias Meinke vom Zentralverband des deutschen Bäckerhandwerks. Allerdings hänge das mit einem Konzentrationsprozess in der Branche zusammen, die Zahl der Unternehmen sinke, aber die Zahl der Geschäfte habe nicht abgenommen. Dafür gibt es keine Ein-Mann-Bäckerbetriebe mehr, was auch an der Bürokratie liegt. „Bei den Lebensmittelverordnungen verlangen die Sachen, die ein kleiner Betrieb kaum leisten kann“, sagt er.

Problem mit Außendarstellung

Auch bei den Fleischern nimmt die Zahl der Betriebe ab. Im Raum Stuttgart ist sie nach Angaben der Handwerkskammer von 524 im Jahr 2011 auf 394 im vergangenen Jahr gesunken. Gerade kleinere Metzgereien tun sich schwer, Nachfolger zu finden. Dies ist beim Kirchheimer Traditionsmetzger Ebensperger in Jesingen mindestens für die nächsten beiden Jahrzehnte gesichert. Dort führt der 39-jährige Martin Ebensperger seit zwölf Jahren mit Vater Wilhelm die Geschäfte. Vor allem der Mittagstisch mit wechselnden Gerichten kommt gut an. Dabei ist sein Laden an der Naberner Straße nicht der typische Dorftreffpunkt. „Wir profitieren von der guten Verkehrsanbindung und Parkplätzen am Haus“, sagt er. Nicht verschont bleibt er allerdings von den Problemen bei der Suche nach Personal. Von den vier Azubis in seiner Zeit als Geschäftsführer hat keiner die Probezeit überstanden. „Es fehlt vor allem an den Soft Skills wie Höflichkeit und Pünktlichkeit. Und wenn ich schon zwei Stunden später komme, rufe ich doch wenigstens vorher an“, empört er sich. Dabei würde seinem Betrieb ein Azubi gut tun. „Arbeit gibt es genug“, sagt Martin Ebensperger. Aber es ist schwer, junge Leute für den Metzgerberuf zu begeistern, die Konkurrenz durch Studium und andere Berufe ist groß. „Wir haben als Metzger zu wenig getan, um die Außendarstellung zu verbessern“, sagt er. Bei ihm war es nicht anders, als Jugendlicher interessierte er sich für Mopeds und Fußball. Dass er sich für den Familienbetrieb entschieden hat, bereut er nicht. „Wir decken viele Spektren ab und können Mut und Ideen einfließen lassen“, sagt er.

Sein persönliches Steckenpferd ist das Kochen. „Cleveres Kochen mit guten, natürlichen Zutaten, bei denen man alles verwendet“, sagt er. Er wolle die Menschen motivieren, mehr zu kochen, dabei Geld zu sparen und Gesundheit sowie Lebensqualität zu gewinnen. „Ich arbeite an einem Konzept für einen Youtube-Channel“, sagt der umtriebige Metzger. Kritisch genug ist er aber mit sich: „Wenn das nicht cool rüberkommt, lassen wir es lieber.“ Im besten Fall gelingt ihm eine Imagepolitur seines Berufsstands.

Die hat Bäcker Kienzle auch nötig, vor allem wenn es um neue Arbeitskräfte für die Backstube geht. Das hänge mit dem Image des Frühaufstehers zusammen und der Demontage der Hauptschule, was ein großes Problem sei, sagt er. Und an den Realschulen? „Da raten schon die Lehrer ihren Schülern von einem Praktikum beim Bäcker ab. Das ist sehr schade“, kritisiert Peter Kienzle. Sohn Philip gesteht, dass er früher selbst gerne lang geschlafen hat. Heute beginnt seine Arbeit um 2.30 Uhr, was aber seine Vorteile habe. „Auf dem Weg zur Arbeit gibt es keinen Stau, zwischen 10 und 12 hab ich Feierabend“, sagt er.

Der Job bringt auch ansonsten Befriedigung „Man sieht, was man geschaffen hat“, sagt er. Es geht dabei nicht nur ums Backen sondern auch um Füllungen, denn bei Kienzle wird alles selber gemacht, auch Pudding- oder Mohnfüllung. Und als Meister können man anschließend auch studieren. „Da stehen einem alle Türen offen“, sagt Philip Kienzle.

Auch Martin Ebensperger ist vor der Zukunft nicht bange. „Wir haben eine 156-jährige Tradition. Aber wenn mein Sohn nicht will, ist das auch o.k. für mich. Dann habe ich im Alter mehr Zeit für andere Dinge. Sonst würde ich ihn unterstützen.“ So wie es sein Vater bei ihm macht.

Metzgerei Ebensperger in JesingenMartin Ebensperger
Metzgerei Ebensperger in JesingenMartin Ebensperger