Kirchheim

Essen verbindet Kulturen

Integration Spezialitäten aus aller Welt bauen beim Kirchheimer Projekt „Cook it“ Brücken. Kulturen kommen sich zwischen Herd und Esstisch näher. Von Daniela Haußmann

Unter dem Motto „Essen verbindet“ kamen am Sonntag Flüchtlinge, Schüler, Familien und interessierte Bürger in der Küche der Kirc
Unter dem Motto „Essen verbindet“ kamen am Sonntag Flüchtlinge, Schüler, Familien und interessierte Bürger in der Küche der Kirchheimer Familien-Bildungsstätte zusammen.Fotos: Daniela Haußmann

Es ist Sonntag 10 Uhr. In der Küche der Kirchheimer Familien-Bildungsstätte wird fleißig geschnippelt und gekocht. „Bloß nicht die Zwiebeln anbraten!“, tönt es aus der in der Küche versammelten Menschenmenge. Ein Mann mit weißer Schürze stürzt auf die Köchin zu. „Die dürfen nicht braun sein“, ruft er und zieht in aller Eile eine Schüssel voller Tomaten und Paprika an den Herd. Mit einem großen Löffel schaufelt Anajat Ahmadi die roten Gemüsestückchen in die Pfanne, während Gymnasiastin Nina Ludwig die dampfende Mischung kräftig umrührt. Frühlingszwiebeln, Knoblauch, Spinat - nach und nach gibt der Afghane weitere Zutaten in die Pfanne. Der 20-Jährige kann niemanden zum Essen in die Gemeinschaftsunterkunft einladen, in der er lebt. Doch mithilfe des Kirchheimer Projekts „Cook it“ können er und andere Flüchtlinge Gastgeber sein.

Beim Kochen plaudern

Gemeinsames Kochen und Essen verbindet, es baut Brücken zwischen Menschen, davon ist Helena Sauter von der Beratungsstelle „CHAI“ des Fachdienstes Jugend, Bildung, Migration Nürtingen der Bruderhaus-Diakonie überzeugt. Zusammen mit Lena Rapp von der Stiftung Tragwerk und Rieke Müller, die beim Verein Brückenhaus für die Schulsozialarbeit am Kirchheimer Schlossgymnasium zuständig ist, hat Helena Sauter „Cook it“ auf den Weg gebracht. Das Projekt will Geflüchtete und Beheimatete dazu einladen, einander näher zu kommen. Zwischen Herd und Esstisch entstehen Begegnungen, die laut Lena Rapp in Gespräche oder vielleicht sogar in Freundschaften münden. Beim Austausch auf Augenhöhe wachsen aus Sicht der Erzieherin auf beiden Seiten Verständnis, Respekt und Wertschätzung.

Vorurteile haben keine Chance

Rieke Müller, die für „Cook it“ auch Schüler der Klassen 7 und 10 des Schlossgymnasiums gewinnen konnte, möchte mit dem Projekt das Thema Flucht sowie die mit ihr verbundenen Ursachen und Erfahrungen in den schulischen Raum bringen. Die 35-Jährige ist sich sicher, dass die gemeinsame Kochaktion bei Jugendlichen soziale und interkulturelle Kompetenzen stärkt. „Gleichzeitig werden in der Begegnung auch Vorurteile und Befürchtungen abgebaut“, so die Sozialpädagogin.

Nina Ludwig könnte ihren freien Sonntag auch anders verbringen. Doch die 15-Jährige ist neugierig auf die afrikanischen, syrischen und afghanischen Gerichte. Mit einigen der Flüchtlinge, die in ihrem Alter sind, hat sich die Gymnasiastin schon unterhalten. „Eigentlich wäre es toll, wenn wir in der Schule Projekte mit Flüchtlingen anstoßen könnten“, findet Nina Ludwig.

Carmen Paradies ist keine Schülerin und engagiert sich auch nicht in der Flüchtlingshilfe. Die 37-Jährige ist einfach eine neugierige und aufgeschlossene Bürgerin, die auch gerne neue Gerichte ausprobiert. Die Kirchheimerin, die schön öfter mit Flüchtlingen gekocht hat, begreift „Cook it“ als Begegnungsmöglichkeit. „Schließlich geht ja niemand einfach so in die Gemeinschaftsunterkunft, um mit Flüchtlingen in Kontakt zu kommen“, erklärt Carmen Paradies. In der Vergangenheit erhielt sie bei solchen Gelegenheiten auch schon Einblicke in das Schicksal der ausländischen Teilnehmer. „Bei den Erzählungen dachte ich schon oft, dass man dankbar dafür sein kann, dass man nicht vom Krieg betroffen ist“, erzählt Carmen Paradies.

Zweite Runde für Kochaktion?

Das vom Bundesprogramm „Demokratie leben!“ geförderte Projekt ist für Nagibullah eine Bereicherung. Der 16-jährige Afghane, der seinen richtigen Namen nicht in der Zeitung nennen darf, weil er minderjährig ist, sieht in der Kochaktion eine wichtige Unterstützung beim Spracherwerb. Außerdem hofft er, Gleichaltrige kennenzulernen, mit denen er in seiner Freizeit etwas unternehmen kann. Helena Sauter von der Beratungsstelle betont, dass bei anderen Kochveranstaltungen schon Patenschaften entstanden sind und Flüchtlinge durch die persönliche Begegnung eine Wohnung fanden. Für die 22-Jährige ist das ein großer Erfolg. Aus diesem Grund würde sie zusammen mit Lena Rapp und Rieke Müller die Kochaktion gerne wiederholen. „Denn die Flüchtlinge sind mit Begeisterung und viel Engagement bei der Sache“, erzählt Helena Sauter, die betont, dass sich Schulen, die Interesse an Vorträgen rund um das Thema Flucht haben, gerne an sie wenden können.